Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Marc Reinhardt, CDU)

Vielen Dank, Frau Wippermann.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Berger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Minister hat es ja am Anfang seiner Rede gesagt, er hat Sorge, dass der Schülerverkehr ein wahlkampfbestimmendes Thema in diesem Landtagswahlkampf sein kann, und er hat natürlich Sorge, weil er die letzten zehn Jahre gepennt hat. Fünf Jahre als Mitglied im Bildungsausschuss, als Abgeordneter, fünf Jahre als verantwortlicher Minister hat er sich nicht darum gekümmert,

(Martina Tegtmeier, SPD: Was maßen Sie sich an?!)

welche Folgen Schulschließungen auf die Schülerinnen und Schüler haben.

(Beifall Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Debatte bringen nicht wir hier in den Landtag, also in den Landtag bringen wir sie, aber die Debatte währt seit fünf Jahren im Land.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Das deshalb, weil in den letzten zehn Jahren, und davon natürlich der größte Teil in den ersten fünf Jahren dieser letzten zehn Jahre, 120 Schulen in Mecklenburg-Vor- pommern geschlossen wurden. Auch in den letzten fünf Jahren gab es Schulschließungen. Ich erinnere da beispielsweise nur an acht berufliche Schulen, die ihre Tore und Türen schließen mussten.

Die Debatte zu den Schulwegen wurde von uns seit Beginn dieser Legislatur hier im Landtag gepflegt. Die Thematik wird im Landeselternrat diskutiert, sie wird jedes Mal diskutiert oder bildet jedes Mal einen Schwerpunkt im Bericht des Bürgerbeauftragten, weil sich sehr viele Eltern aufgrund der unzureichenden Bedingungen für den Schülerverkehr an den Bürgerbeauftragten wenden, egal, ob es um die Schulwege geht, also um die Länge der Schulwege, ob es um die Finanzierung der Schulwege geht oder ob es um die Sicherheit der Schulwege geht.

(Susann Wippermann, SPD: Das ist doch Landkreissache! Das ist kommunale Aufgabe!)

Sie können unsere Studien zerreißen.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Sie haben sich auf den kleineren Teil der Studie konzentriert, aber da möchte ich Sie doch nur mal daran erinnern, dass diese Studie auf dem gleichen Datensatz beruht wie der Versorgungsatlas Vorpommern, den das Sozialministerium in Auftrag gegeben hat.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Im Versorgungsatlas Vorpommern geht es darum, wie schnell kann mit dem öffentlichen Personennahverkehr ein Arzt oder ein Krankenhaus besucht werden. Genau die gleichen Daten, mit genau dem gleichen Fehleranteil, der unter Garantie bei Tausenden Datensätzen vorkommt, haben die Autoren unserer Studie auch benutzt.

(Susann Wippermann, SPD: Sie haben falsche Methoden angewandt, falsche Methoden!)

Wenn Sie also diese Daten in dem Versorgungsatlas Vorpommern nutzen, dann akzeptieren Sie genau die gleichen Daten bei unserer Schulwegstudie!

(Susann Wippermann, SPD: Das mag ja richtig sein, aber die Methoden waren falsch.)

Und dann tun Sie so, als wären das in unserem Antrag alles nur irgendwie grüne Hirngespinste, die wir uns hier ausgedacht haben. Komischerweise funktionieren aber genau unsere Vorschläge in anderen Bundesländern unter ganz unterschiedlichen Regierungsformationen.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Hessen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg, alles unterschiedliche Regierungskoalitionen, alle haben deutlich geringere Mindestschülerzahlen als Mecklenburg-Vorpommern. Die liegen in diesen Ländern zwischen 13 und 16, in Ländern, die weitaus dichter besiedelt sind als MecklenburgVorpommern, und unser dünn besiedeltes MecklenburgVorpommern hält die Latte ganz, ganz weit oben bei 20 Schülerinnen und Schülern.

Herr Brodkorb, Sie wollen immer eine bundesweite Vergleichbarkeit, aber dann nur bei den Punkten, die Sie sich aussuchen. Ganztagsschulen oder die Versorgung von Ganztagsschulen gehören nicht dazu. Es gehören auch nicht dazu der Schülerverkehr oder die Schülermindestzahlen. Das sind Punkte, wo Sie auf die bundesweite Vergleichbarkeit verzichten können, weil MecklenburgVorpommern da ganz am Ende der Messlatte liegt. Aber eine Studie der Universität Erfurt hat im Jahr 2013 ganz eindeutig bewiesen, dass die Schulweglänge natürlich auch Auswirkungen nicht nur auf das Freizeitverhalten und das Familienleben von Schülerinnen und Schülern hat, sondern auch auf den Schulerfolg. Das ist ja ganz logisch. Die Kinder stehen eher auf, fahren morgens relativ früh zur Schule, haben einen verdammt langen Schultag, haben aber abends immer noch Interesse, mal ihre Freunde zu besuchen oder vielleicht noch einen Film zu gucken, Musik zu hören. Sie gehen abends viel, viel später ins Bett, schlafen viel, viel weniger, sind viel weniger konzentriert in der Schule und haben eindeutig schlechtere Schulleistungen.

Das interessiert Sie aber, wenn es um die bundesweite Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen geht, sehr wenig, Herr Minister. Und es ist doch völlig absurd, Sie geben Ihre eigenen rigiden Maßnahmen als Grund dafür an, dass die von uns hier vorgeschlagenen Maßnahmen nicht funktionieren können. Da meinen Sie, weil die Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern das bundesweit höchste Pflichtstundensoll haben, das ist jetzt ein Argument, dass die Lehrer an kleinen Schulen nicht mehr ausgelastet sind, weil Sie nicht mehr so viel Unterricht geben dürfen. Senken Sie doch einfach das Pflichtstundensoll auf ein bundesweit vergleichbares Niveau und schon ist dieses Problem aus dem Weg geräumt!

Sie wollen die Anzahl der Studienplätze für das Lehramt verkürzen und werfen uns vor, dass es zukünftig einen Lehrermangel gibt. Unsere Anträge bauen aufeinander auf und gehen Hand in Hand, Herr Minister, sie sind allerdings nicht vergleichbar, und da haben Sie recht, mit Ihren schrägen Vorstellungen von Bildungspolitik.

Und ja, wir halten es für sinnvoll, Schulen in freier Trägerschaft auf freiwilliger Basis – anders als Sie behaupten, Frau Wippermann –, auf freiwilliger Basis im Interesse kurzer Wege stärker einzubeziehen, so, wie es, Frau Oldenburg, das Land Brandenburg, im Übrigen unter einer rot-roten Regierung, gerade prüft.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja, aber wir sind nicht das Land Brandenburg!)

Wenn es eine rot-rote Regierung in Brandenburg prüfen kann, warum soll das nicht eine rot-schwarze Regierung,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

wo ja gerade die CDU sich neben uns als Kämpfer der Schulen in freier Trägerschaft zu inszenieren versucht,

(Zurufe von Tilo Gundlack, SPD, und Torsten Renz, CDU)

warum soll das unter einer rot-schwarzen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich sein?

(Beifall Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum schicken wir zum Beispiel ein Kind aus Glowe kilometerweit in den übernächsten Ort zur Schule, wenn direkt in Glowe eine Schule in freier Trägerschaft ist?

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Weil Schulen in freier Trägerschaft „Schulen in freier Trägerschaft“ heißen, weil es Schulen in freier Trägerschaft sind.)

Wir sind der Meinung, wenn das Kind und die Eltern sich vorstellen können, das Kind dort in die Schule zu geben, dann würden wir lieber einen Zuschuss zum Schulgeld zahlen, als es dem Busunternehmen zu geben.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Was haben Sie gegen den Busfahrer?)

Das Land spart außerdem noch Personalkosten. Sie wissen, Schulen in freier Trägerschaft bekommen deutlich weniger Personalkosten erstattet als die staatlichen Schulen,

(Susann Wippermann, SPD: Deswegen sind sie auch freie Schulen.)

und vor allem, darum geht es uns in erster Linie heute bei diesem Antrag, das Kind hat jeden Tag eine Stunde mehr Freizeit.

Außerdem wollen wir, dass Land und Landkreise eine landesweite Analyse der Schulweglängen auf den Weg bringen, denn bislang fehlt hierzu der Überblick völlig. Denn eines haben die Schulwegstudien doch gezeigt: Die meisten Fahrpläne im Schülerverkehr sind nicht digital aufbereitet, die Schuleinzugsbereiche sind nicht digitalisiert und auch die Positionen der Bushaltestellen liegen nicht digital vor. Das ist auch der Grund, warum wir nur einen kleinen Landesausschnitt untersuchen konnten, nämlich den in Vorpommern, den die Landesregierung schon mal untersucht hat. Für den größten Teil des Landes fehlt aber genau diese Digitalisierung. Viele Landkreise arbeiten nach wie vor mit endlosen Papierlisten von Orten und Ortsteilen und den Schuleinzugsbereichen, aber ein Überblick fehlt, und genau den, finden wir, müssen sowohl die Landkreise als Träger des Schülerverkehrs haben, aber natürlich auch das Bundesland oder die Landesregierung, wenn es darum geht, in welcher Situation befinden sich Schülerinnen und Schüler jeden Tag wenn sie zur Schule fahren. – Ich bedanke mich für diese Debatte und bin gespannt auf Ihr Abstimmungsverhalten.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Wolfgang Waldmüller, CDU)

Vielen Dank, Frau Berger.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5432.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jetzt sorgen wir gleich für Entspannung.)

Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. –

(Torsten Renz, CDU: Doch so viele, ja?)

Wer stimmt dagegen? –

(Zurufe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU: Oooh!)