Protokoll der Sitzung vom 05.07.2016

Herr Seidel, ich habe das Mikro jetzt ausgeschaltet. Sie können gerne nachher noch mal reden.

(Der Abgeordnete Jürgen Seidel beendet seine Rede bei abgeschaltetem Mikrofon. – Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Holter von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Seidel, Ihre Rede kann ich voll unterstützen und würde sie auch unterschreiben. Sie steht nach meiner Auffassung aber im Widerspruch zu Ihrem Antrag.

(Marc Reinhardt, CDU: Siehste!)

Das ist genau das, was ich jetzt auch herausarbeiten will. Und ich finde im Übrigen die gesamte Debatte, die zurzeit zum Wassertourismus geführt wird, ziemlich schräg: einerseits das, was Sie hier als Antrag vorlegen, andererseits die wiederbelebte Mautdiskussion. Die gab es vor anderthalb Jahren schon mal, die Diskussion über die Maut auf Wasserstraßen, um es mal verkürzt zu sagen, die ist also nicht neu.

Schräge finde ich Ihren Antrag deswegen, weil gesagt wird – und Sie haben es in Ihrer Rede ausgeführt –, dass die Landesregierung vorbildlich arbeitet, alles mit Erfolg und Eifer macht, aber man müsse es qualifizieren. Ich kann mich gut erinnern, als wir hier über die Konzeption des Wirtschaftsministeriums zur Entwicklung des Landeswassertourismus gesprochen haben. Da will ich Herrn Jaeger bitten, Frau Gerkan nochmals herzliche Grüße zu übermitteln. Sie hat damals ja sehr engagiert aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diesem Thema gesprochen, und es ist einfach eine Herzensangelegenheit, ihr Grüße zu bestellen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Sie sind ja so ein lieber Kerl.)

Ja, weil es, Herr Pastörs, glaube ich, eine kollegiale und menschliche Seite ist, dass man denjenigen, die erkrankt sind, einfach mal von hier aus Grüße, solidarische Grüße bestellt, unabhängig davon, wer in welcher Fraktion arbeitet.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, die sich für Angelegenheiten des Landes engagieren, die sollten wir auch entsprechend würdigen,

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

bei allen unterschiedlichen Auffassungen, die wir haben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das unterscheidet uns deutlich,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Halt doch mal die Klappe dahinten!)

dass wir von dem Menschen her an dessen Beurteilung herangehen.

Es sind damals 80.000 Euro für diese Konzeption ausgegeben worden. In der Debatte und bei der Bearbeitung hieß es, da haben das Wirtschaftsministerium, das Verkehrsministerium und das Landwirtschaftsministerium in einer Arbeitsgruppe zusammengearbeitet. Jetzt kommen Sie mit einem Antrag und sagen, es wird auch notwendig, dass sich die Landesregierung eine gemeinsame Position erarbeiten soll. Ja, was ist denn nun dieses Landeswassertourismuskonzept? Das frage ich Sie. Was soll das sein?

Dieser Antrag fordert auch, dass die regionalen Tourismusverbände und die wassertouristischen Initiativen mehr zusammenarbeiten sollen. Der Antrag fordert, dass die Zusammenarbeit mit Berlin und Brandenburg vertieft werden soll. Das ist, finde ich, alles klasse. Das sind für mich Allgemeinplätze, weil das Selbstverständlichkeiten sind, die hier immer wieder aus unterschiedlichen Sichten betont wurden. Wenn jetzt also für 80.000 Euro dieses Konzept erarbeitet wurde, wofür war es denn bestimmt? Für die Rundablage, oder soll es im Aktenschrank oder im Regal stehen zur Zierde eines Büros?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir das im Wirtschaftsausschuss diskutieren wollten. Wir wollten auch noch einen anderen Experten hören. Das hat alles nicht stattgefunden, das ist insbesondere durch die CDU ausgebremst worden. Am Ende bleibt – und deswegen bin ich auch noch mal auf Jutta Gerkan gekommen – eine Zusammenstellung der Wasserreviere in Mecklenburg-Vorpommern und angrenzend zu Brandenburg. Das reicht aber für ein Konzept nicht aus. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass Ihr Antrag eigentlich beweist, dass das Konzept für den Landeswassertourismus nicht ausreichend ist und keine Strategie darstellt, wie sich der Wassertourismus insgesamt entwickeln soll.

Jetzt sollen gemeinsame Positionen her. Das bedeutet in meiner Schlussfolgerung nichts anderes, als dass jeder in der Regierung für sich alleine kämpft: der Verkehrsminister, der Wirtschaftsminister und der Landwirtschaftsminister. Und wenn man sich nicht einig ist, dann kommt man nicht voran, dann tritt man auf der Stelle. Das nennt man eine Stillstandspolitik. Genau so eine Stillstandspolitik ist ja Ausdruck der Großen Koalition und auch Ausdruck der Politik der letzten fünf Jahre.

Wie gut die Landesregierung auf dem Gebiet des Wassertourismus gearbeitet hat, will ich Ihnen an einem Beispiel erzählen – das dauert nicht lange –: Die Gemeinde Krakow am See hat mir mitgeteilt, dass sie ernsthaft darüber nachdenkt, die Anerkennung als Kurort zurückzugeben. Begründet wird das damit, dass nötige Investitionen in die Wegenetze und speziell auch in die Wasserwegenetze nicht erfolgt sind und ganz konkret der Ausbau öffentlicher Bootsstege nicht realisiert werden konnte. Es wird von der Substanz gelebt. Und auch hier hat die Landesregierung mit dem Landeswassertourismuskonzept und ihrer Sparpolitik wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Es ist einfach ein Armutszeugnis, es ist ein schlechtes Signal.

Herr Seidel, ich unterschreibe all die Zahlen, die Sie gesagt haben, auch die positiven Botschaften, aber wenn eine Gemeinde im Land sagt, ich kann nicht investieren und ich habe nicht die Möglichkeit, den Titel Kurort zu behalten, weil ich die infrastrukturellen Voraussetzungen nicht schaffen kann, dann stimmt etwas im System nicht. An diesem Zustand, an diesem unhaltbaren Zustand ändert auch – ich zeige mal hier auf den Tisch – Ihr Antrag ganz konkret nichts.

Sie fordern in Punkt 5, dass die Landestourismuskonzeption novelliert und damit ein Schwerpunkt auf den Wassertourismus gelegt werden soll. Sie haben das eben, sehr geehrter Herr Seidel, in Ihrer Rede noch mal betont, zu Recht übrigens. Ich finde das aber sehr merkwürdig, denn die Landestourismuskonzeption haben wir doch in den letzten Tagen praktisch beraten. Wir haben vom Wirtschaftsministerium im Ausschuss erfahren, dass zurzeit eine Evaluierung läuft und dass eine Analyse zum Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen wird. Dabei geht es um wichtige Themen. Internationalisierung, Fachkräfte und andere Themen sind Schwerpunkte. Aus dieser Analyse sollen Schlussfolgerungen für diese Schwerpunkte im Einzelnen gezogen werden. Sie wissen das jetzt mit Ihrem Antrag schon wieder besser und setzen einfach fest, was ein Schwerpunkt sein soll. Und wieder stelle ich mir die Frage: Warum wurden dann 80.000 Euro für das Landeswassertourismuskonzept ausgegeben? Ich frage mich: Ist das jetzt Ihr Eingeständnis, dass dieses Landeswassertourismuskonzept nichts taugt?

Meine Damen und Herren, Herr Seidel hat das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ und die Investitionen in die Schleusen angesprochen. Diejenigen, die 2014 bei der Nationalen Maritimen Konferenz in Kiel dabei gewesen sind, werden sich erinnern, dass die damalige Oberbürgermeisterin aus Kiel, aber auch der Ministerpräsident und der dortige Wirtschaftsminister Reinhard Meyer, den wir ja gut kennen, sehr engagiert für den Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals gestritten haben und auch für die Reparatur der Schleuse, die dort ansteht. Da geht es um die fünfte Kammer, das sind aber Details. Und auf dieser Konferenz hat der damalige Bundesverkehrsminister Herr Ramsauer deutlich gemacht, wie mit den Bundeswasserstraßen umgegangen werden soll. Das hat Herr Seidel auch schon angesprochen, dass man beabsichtigt, bestimmte Flüsse und Kanäle aus der Bundesverantwortung in die Landesverantwortung zu übertragen.

Für mich ist das auch eine Frage von Staatsversagen im Zusammenhang mit diesen Bundeswasserstraßen. Bundeswasserstraßen sind natürlich wichtige Verkehrsadern, ganz klar, für den Tourismus, aber auch für die Binnenschifffahrt. Wenn sich jetzt aber der Bund nicht in der Lage sieht, die notwendigen Investitionen und die notwendigen Reparaturen zu finanzieren, dann stellt man sich doch die Frage: Warum ist in den vergangenen Jahren überhaupt nicht investiert worden? Warum soll jetzt etwas, was marode geworden ist, auf die Länder übertragen werden, damit die Länder dann diese Lasten tragen? Das kann ich einfach nicht nachvollziehen. Ich bin der Überzeugung, dass man das „Blaue Band Deutschland“ aus Sicht der Verantwortung der einzelnen Ebenen hinterfragen muss. Deshalb kann dieser Politikstil, den die Große Koalition in Berlin an den Tag legt, nicht das Maß der Dinge sein. Wenn dort die Diskussion genauso läuft, wie sie hier im Land gelaufen ist, dann

sieht es letztendlich schlecht aus, weil wir ja wissen, dass, wenn erst mal ein Programm veröffentlicht ist, daran kaum noch beziehungsweise gar nichts mehr zu ändern ist.

Deswegen stellt sich für mich die Frage: Was soll denn die Landesregierung zu diesem Punkt ganz konkret mit dem Bund bereden? Was heißt das denn? Will man sich darüber streiten – ich meine das jetzt im positiven Sinne –, was denn von dem, was der Bund abgeben will, auch tatsächlich in die Hände des Landes genommen wird? Wie können wir perspektivisch das, was an Investitionen – ob nun für Reparatur, Ausbau oder Rückbau – notwendig ist, tatsächlich leisten? Können wir das überhaupt? Wir haben heute Vormittag, oder heute Mittag war es, über den Breitbandausbau diskutiert und Sie fordern wiederum – ich will mich darauf beziehen – im Punkt 3 Ihres Antrages, auch in diesen Fragen eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Ich habe diese gemeinsame Position bisher nicht vernommen. Vielleicht wird es der Wirtschaftsminister für die Regierung dann im Einzelnen tun.

Entscheidend ist auch die Frage des Umweltschutzes. Was ist denn nun mit dem Umwelt- und Naturschutz? Hat Umwelt- und Naturschutz in diesen Fragen Vorfahrt? So, wie das hier am Schweriner See diskutiert wird, kann es zu einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den Nutzern, ob nun Wassersportler oder Binnenschiffer, und den Naturschutzverantwortlichen kommen, um beides in Übereinstimmung zu bringen. Das wäre ja mal eine spannende Aufgabe und eine spannende Herausforderung, um genau das, was Herr Seidel eingefordert hat, wieder leben zu können und um den Touristinnen und Touristen hier im Land Mecklenburg-Vorpommern zu sagen, ja, wir haben eine geschützte Natur, wir haben eine geschützte Umwelt, in der es sich lohnt, Urlaub zu machen, aber bitte schön auch unter den Bedingungen des Umwelt- und Naturschutzes. Daraus wird doch ein Konzept.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das hier ausdrücklich sagen, ich sehe das nicht als Widerspruch, sondern das kann man tatsächlich in Gemeinsamkeit auch erreichen. Deswegen, meine Damen und Herren, halte ich Ihren Antrag, ja, für schwach. Wir werden ihn aber unterstützen.

Ich will, meine Damen und Herren, abschließend zu dem zweiten schrägen Moment etwas sagen: Das ist diese Maut. Wir machen uns das zurzeit in Deutschland meines Erachtens sehr einfach. Überall dort, wo die Staatskassen leer sind, wird gesagt, dann soll der Bürger mal zahlen, sprich Maut, wenn es um Verkehre geht, Straßen oder hier in dem Fall um Wasser. Aber wieso sollen denn jetzt die Privaten am Ende die Kosten dafür tragen, wo die Bundesrepublik und auch andere versagt haben? Das kann ich nicht nachvollziehen.

Eine andere Diskussion ist es, Herr Seidel, wenn man sagt, wenn wir denn wollen, dass die touristische Infrastruktur ausgebaut wird und wir dazu einen entsprechenden Beitrag erwarten, dann haben wir eine andere Diskussion. Aber so, wie sich die Diskussion jetzt darstellt, geht es eigentlich darum, Löcher in den öffentlichen Kassen zu flicken und zu stopfen mit den Mitteln der Privaten. Und da sind wir prinzipiell dagegen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Der Staat muss dafür sorgen, dass die Bundeswasserstraßen auch zukünftig sowohl von den Sportlern und Wassersportlern als auch von den Wassertouristen und natürlich von den Binnenschiffern befahren werden können. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In einem vom Wasser geprägten Land wie Mecklenburg-Vorpommern ist es ein wichtiges Anliegen, den Wassertourismus und die Binnenschifffahrt in Mecklenburg-Vorpommern weiter zu stärken. Ich will im Gegensatz zu Herrn Holter darauf verweisen, dass die Landesregierung Anfang der 90erJahre entschieden hat, den Tourismus in MecklenburgVorpommern als eine der wichtigen Maßnahmen von der Umsteuerung der Planwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft auszubauen und zu entwickeln. Und ich denke, es ist eine Erfolgsgeschichte geworden. Das kann man nach gut 26 Jahren mit Fug und Recht sagen.

Warum sage ich das? Mittlerweile sind es 175.000 Beschäftigte, die in diesem Bereich indirekt oder direkt beschäftigt sind, und damit ist es ein Wirtschaftsfaktor schlechthin. Die Investitionssummen hat mein Kollege Seidel schon genannt.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Und wo ist jetzt der Widerspruch zu Herrn Holter?)

Ja, weil Herr Holter gesagt hat, die Landesregierung macht nichts, sie tut nichts, sie hat hier fünf Jahre Stillstand zu verantworten.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, das stimmt auch. – Torsten Koplin, DIE LINKE: Das stimmt.)

Ich finde, das ist schon eine tolle Leistung, wie man als Fraktionsvorsitzender der LINKEN so eine Feststellung tätigen kann,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da haben Sie einfach recht.)

wo alle wissen, der Arbeitsmarkt brummt, die Beschäftigungslage ist deutlich besser geworden, die Arbeitslosenzahlen sind runtergegangen, die Wirtschaft läuft, das Wirtschaftswachstum liegt bei 1,9 Prozent, und Sie stellen sich hier hin und sagen, die Landesregierung macht Stillstand. Das ist unmöglich und eigentlich unerhört.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Marc Reinhardt, CDU: Das stimmt.)

Das kann man, wenn man als seriöser Politiker auftritt, nicht mal im Scherz sagen, Herr Holter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen waren die Leute auch zu 90 Prozent zufrieden bei der letzten Umfrage?!)

Ihre Regierungsbilanz war viel, viel schlechter, das wissen Sie ganz genau. Damit können Sie sich gar nicht