Kann ich nach der jetzigen Aussprache davon ausgehen, dass wir die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 6/5412 verfahrensmäßig für erledigt erklären?
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 84: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Praktikantinnen und Praktikanten in der Landesverwaltung endlich vergüten, auf Drucksache 6/5521. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5636 vor.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Praktikantinnen und Praktikanten in der Landesverwaltung endlich vergüten – Drucksache 6/5521 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eintausend Praktikantinnen und Praktikanten haben im Jahr 2015 in der Landesverwaltung gearbeitet. Eine Vergütung erhielt jedoch nicht ein einziger dieser jungen Menschen aus der Landeskasse. Das ist nicht angemessen, das ist nicht fair und das ist vor allem auch völlig unnötig. Wir müssen die Praktikantinnen und Praktikanten des Landes endlich angemessen vergüten!
Was, meine sehr geehrten Damen und Herren, soll das für ein Signal an die Wirtschaft sein, wenn noch nicht einmal das Land seine Praktika vergütet? Das Land hat eine Vorbildfunktion und die soll es nun auch endlich wahrnehmen. Eine Aufwandsentschädigung von 300 Euro im Monat sollte das Mindeste sein. Wir brauchen eine Richtlinie für eine faire Vergütung. Dafür haben wir Ihnen heute einen Antrag vorgelegt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, infolge meiner Kleinen Anfrage zu der Frage, wie viele Praktikantinnen und Praktikanten in unserer Landesverwaltung denn eigentlich vergütet werden, hatten wir vor etwa anderthalb Jahren hier im Landtag schon einmal einen Antrag dazu auf der Tagesordnung, damals von der Fraktion DIE LINKE. Dabei gab es durchaus Kritik an dem Antrag selbst. Deutlich wurde jedoch in der Debatte, dass es große Sympathien für das Anliegen gibt. Sowohl Ministerin Hesse als auch die Kollegin Tegtmeier und der Kollege Renz haben Sympathien für eine Vergütung der Praktikantinnen und Praktikanten erkennen lassen.
Das war Grund genug für uns, nachdem wir den Iststand erneut abgefragt hatten und sich an der prekären Lage der Praktikantinnen und Praktikanten auch nichts geändert hatte, einen Versuch für einen gemeinsamen Antrag aller demokratischen Fraktionen zu starten. Wir haben der Koalition einen solchen gemeinsamen Antrag daher schon vor der Landtagssitzung im Juni vorgeschlagen und sogar auf Wunsch von SPD und CDU auf die JuliLandtagssitzung verschoben, weil die Koalition uns GRÜNEN ernsthaft signalisiert hatte, dass man an einer gemeinsamen Lösung Interesse habe.
Warum sich SPD und CDU nun allerdings doch nicht zu einem Antrag durchringen konnten, das verstehe ich nicht. Meine traurige Vermutung ist jedoch, dass es wieder mal ums Geld ging. Der Grund, warum junge Menschen in der Verwaltung unbezahlt arbeiten, ist die Sparpolitik von Rot-Schwarz, auf die die Koalition so stolz ist – wir kommen nachher zu den Summen, es ist nicht viel Geld, es wären 175.000 bis 200.000 Euro pro Jahr, um die es hier eigentlich geht –, anders ist die Ablehnung nicht zu erklären. Sie sparen, sparen und freuen sich an den Haushaltsüberschüssen, ohne zu merken, auf wessen Kosten Sie eigentlich sparen. Der Umgang mit den Praktikantinnen und Praktikanten steht hier auch stellvertretend für eine Sparpolitik im ganzen Land. Theater, Gerichte, Krankenversorgung, Nahverkehr, Lehrerinnen und Lehrer, die vor den Sommerferien entlassen werden, und unbezahlte Praktikanten, da schließt sich der Kreis. Das ist hier der rote Faden der Großen Koalition.
Aber natürlich würde die Landesregierung das so nicht zugeben. Stattdessen hat man sich eine tolle Ausrede einfallen lassen. Wir werden sie wahrscheinlich heute noch hören. Ich bin etwas entsetzt, wie Sie merken. Es gibt zwar eine Praktikantenrichtlinie der Tarifgemeinschaft der Länder, diese sieht aber für die Vergütung der Praktikantinnen und Praktikanten nur eine Kannbestimmung vor, das heißt, eine Vergütung kann, muss aber nicht erfolgen. Das ist eine Regelung von und für Finanzminister gemacht.
Frau Polzin wäre natürlich keine eifrige Haushälterin, wenn sie diese Kannbestimmung nicht sofort ausnutzen würde. Denn anstatt die explizit eingeräumte Möglichkeit zur Vergütung zu nutzen, ist diese Regelung die willkommene Hintertür, um jede Zahlung an Praktikantinnen und Praktikanten zu verweigern. Das Finanzministerium verweist einfach darauf, dass nur Ausgaben im Haushaltsplan berücksichtigt werden können, die zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind, und das sei hier nicht der Fall. Praktikantinnen und Praktikanten erhalten somit das Etikett, nicht notwendig zu sein, also überflüssig zu sein, und schon muss dann auch keine Vergütung mehr gezahlt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird für die gesamte Verwaltung als bindend erklärt und schuld sei nur die Landeshaushaltsordnung, dort würde das so stehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Begründung ist eine Farce und eine völlig willkürliche Festlegung. Warum ist das so? Ich nenne Ihnen drei Gründe:
Erstens. Sehr geehrte Damen und Herren, ich frage Sie: Warum sollten die Länder im Rahmen ihrer Tarifgemeinschaft eine Möglichkeit zur Vergütung von Praktika schaffen, wenn genau diese Regelung haushaltsrechtlich gar nicht umsetzbar ist? Das wäre doch völlig irre. Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Oder sollte das Ganze nur ein Scherz gewesen sein? Nein, eine solche Regelung wurde durch die Tarifgemeinschaft beschlossen, um gerade ausdrücklich die Möglichkeit zur Vergütung einzuräumen. Also lassen Sie uns diese Möglichkeit auch nutzen!
Zweitens. Welche Ausgaben sind eigentlich zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig? Eine vortreffliche Streitfrage. Ich denke, da fallen jedem hier ein paar Beispiele ein, bei denen einige Leute sagen, das finden wir notwendig, und ein anderer Teil sagt, brauchen wir nicht, das ist nicht notwendig.
Ökostrom. Die Landesverwaltung bezieht Ökostrom. Das begrüßen und unterstützen wir GRÜNE ausdrücklich. Aber ich frage Sie, ganz in der Logik der Finanzministerin: Ist Ökostrom zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig?
Muss es grüner Strom sein, der die Landesverwaltung mit Energie versorgt? Konventioneller Strom wäre sicherlich günstiger.
Dennoch beziehen wir Ökostrom, um den Klimawandel zu bekämpfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und als Vorbild für Wirtschaft und Privathaushalte voranzugehen.
Beispiel zwei: das Landgestüt Redefin. Sind die Ausgaben für die Unterhaltung eines Pferdegestüts zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig – Fragezeichen. Müssen Preisgelder für Reitturniere durch das Land finanziert werden, und das werden sie ja – Fragezeichen. Da setze ich mal, wie gesagt, mehrere dicke Fragezeichen. Und Sie stellen sich hin und sagen,
Drittes Beispiel: MV-Monitor. Darauf will ich gar nicht so sehr eingehen. Sie wissen, jedes Jahr wird hier in höchst fragwürdiger Art und Weise die Regierungsarbeit bewertet beziehungsweise abgefragt. Ist diese Umfrage dringend notwendig – großes Fragezeichen.
Beispiel vier: Der beliebte Wandkalender. Jedes Jahr geben der Ministerpräsident und der Landtag einen großen Wandkalender heraus. Der eine mag den Kalender, der andere eher nicht.
Aber sind die Ausgaben zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig – auch hier ein Fragezeichen.
Diese Liste ließe sich um zahlreiche Punkte erweitern. Ich lade Sie ein, einmal selbst darüber nachzudenken. Aber ich denke, Sie haben verstanden, worauf ich hinaus will.
Die Definition dessen, was notwendig ist, unterliegt einem erheblichen Ermessensspielraum. Ich sage Ihnen, es ist notwendig, dass wir jungen Menschen, die als Praktikanten einen produktiven Beitrag zur Arbeit in der Landesverwaltung leisten, auch eine angemessene Vergütung zahlen. Es ist notwendig, dass ihre Arbeit auch finanziell wertgeschätzt wird. Es ist notwendig, dass die Praktikanten mit finanziellen Aufwendungen nicht alleingelassen werden, wie zum Beispiel den Reisekosten. Es kann doch nicht sein, dass eine der ersten beruflichen Erfahrungen junger Menschen ist, dass es in Ordnung ist, wenn man ohne Bezahlung arbeiten soll. Das ist keine Botschaft, die unsere Landesverwaltung vermitteln sollte.
Ich nenne Ihnen den dritten Grund, warum das Verstecken hinter der Landeshaushaltsordnung nur eine Ausrede für die Koalition ist. Und jetzt halten Sie sich fest: Wir wären nicht die Ersten, die das täten. Es gibt nämlich Bundesländer, die machen das, mit der gleichen Landeshaushaltsordnung.
Es ist zwar so, dass die überwiegende Mehrheit der Länder keine Vergütung für die Praktikantinnen und Praktikanten zahlt, aber es gibt sie, die positiven Einzelfallbeispiele. Wäre es nicht eine positive Nachricht, wenn auch unser Land dazuzählen würde?
Wer zahlt denn bereits für seine Praktikantinnen und Praktikanten? Da wäre zunächst der Bund zu nennen. In der aktuellen Richtlinie des Bundes ist eine Aufwandsentschädigung für Pflichtpraktika in Höhe von mindestens 300 Euro vorgesehen. Für freiwillige Praktika ist zumindest eine angemessene Vergütung nach Berufsbildungsgesetz festgeschrieben. Und jetzt halten Sie sich alle fest und setzen Sie sich sicherheitshalber hin: Die Bundeshaushaltsordnung enthält eine identische Regelung zu unserer Landeshaushaltsordnung, nämlich, dass nur die Ausgaben zu berücksichtigen sind, die zur Erfüllung der Aufgaben notwendig sind.
Auch wenn hier nicht alle Ministerien eine Vergütung zahlen, findet sich dort zumindest eine ganze Reihe von Häusern, die Praktikantinnen und Praktikanten vergüten. Hierzu gehören zum Beispiel das Staatsministerium, also die Staatskanzlei, das Verkehrsministerium, das Integrationsministerium, das Kultusministerium, das Ministerium für Wissenschaft und Forschung und auch das Finanzministerium, ja, selbst das Finanzministerium in BadenWürttemberg. Es geht also auch anders.
Und übrigens, auch hier findet sich in der Landeshaushaltsordnung des Landes Baden-Württemberg eine identische Regelung, wie sie sich auch bei uns festgeschrieben finden lässt. Wer die Fakten zur Situation in BadenWürttemberg noch einmal nachlesen will, kann dies in einer Kleinen Anfrage der FDP tun. Die nenne ich jetzt nicht ohne Grund. Übrigens ist das nämlich genau die Kleine Anfrage, aus der der Kollege Torsten Renz bei unserer letzten Debatte zu diesem Thema noch ableiten wollte, dass Grün-Rot nun erst recht überhaupt keine Praktikanten bezahlt.
Herr Renz, schauen Sie sich die Kleine Anfrage noch einmal genau an und lesen Sie nicht nur die Pressemitteilung der FDP! Dann können Sie daraus ableiten, welche Ministerien hier bereits zahlen. Damit wären wir insgesamt in der Sache vielleicht auch schon weiter. Noch einfacher ist aber ein Blick auf die Website des dortigen Verkehrsministeriums. Dort können wir zum Beispiel lesen, dass eine monatliche Vergütung von sogar 500 Euro bezahlt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle können wir nun also feststellen, dass einer Bezahlung keine haushaltsrechtlichen Hürden im Weg stehen, was bisher der Grund der Ablehnung war. Nun könnte man fragen, ob sich das Land eine Vergütung überhaupt leisten kann. Da wir davon ausgehen können, dass die überwiegende Zahl der absolvierten Praktika sogenannte Schülerpraktika sind oder Praktika, die kürzer als vier Wochen sind, für die eine Vergütung aus nachvollziehbaren Gründen nicht vorgesehen sein soll, bleibt eine über
schaubare Gruppe von Personen übrig. Wir reden also von Mehrausgaben zwischen 175.000 und 200.000 Euro im Jahr. Gleichzeitig hat das Land im letzten Jahr Personalausgaben in Höhe von 56 Millionen Euro nicht ausgegeben. Wir sehen also, dass das Land auch bei einer Vergütung von Praktikantinnen und Praktikanten weit davon entfernt wäre, neue Schulden aufnehmen zu müssen. Ganz im Gegenteil, diese Vergütung könnte problemlos aus den bestehenden Personalbudgets erwirtschaftet werden.
Was könnte sonst noch gegen eine Vergütung sprechen? Eine klassische Begründung ist dabei natürlich der Verwaltungsaufwand, gerne auch von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden angeführt. Ein ganz prominentes Beispiel ist das Mindestlohngesetz. Wie sieht es nun aber bei den Praktikanten aus? Ich denke, auch hier ist der Verwaltungsaufwand absolut vertretbar, denn ein Vertrag muss mit den Praktikantinnen und Praktikanten ohnehin geschlossen und von der Personalabteilung bearbeitet werden. Insofern dürfte es auch problemlos möglich sein, eine Vergütung aufzunehmen und anzubieten sowie die notwendigen Daten zu erfassen und abzuwickeln. Ein Bürokratiemonster ist das ganz bestimmt nicht. Im Übrigen ist das Mindestlohngesetz auch kein Bürokratiemonster. Also auch das ist kein Hinderungsgrund.