Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

Die Vertreter der Landesregierung waren nicht in der Lage, vor dem Ausschuss ausreichend zu erläutern, warum die Zeit derart knapp bemessen war und warum der Geldfluss gestoppt wurde. Wir mussten feststellen, dass die Regierungsmitglieder ohnehin sehr große Erinnerungslücken hatten und haben. So konnten sich Herr Minister Glawe und Herr Minister Caffier auch nicht an ein Telefonat erinnern, in dem diese Herrn Fuchs mitgeteilt haben, dass sie kein Vertrauen mehr in den Mandatar des Landes, PwC, hatten. Das war schon sehr bemerkenswert.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch etwas zu den Auszahlungsmodalitäten der Rettungsbeihilfe sagen. Herr Minister Glawe ist darauf eingegangen, wir haben da eine andere Position und die Dokumente, die uns vorliegen, geben auch andere Auskunft. Die Landesregierung hat immer wieder behauptet, sie könne das Geld nur in Teilbeträgen auszahlen, in Tranchen, so wie das Herr Glawe gerade geschildert hat, EU-Vorschriften würden nichts anderes erlauben. Dem ist eben nicht so. Es gibt keine EU-Richtlinie, die einer Auszahlung in einer Summe widerspräche. Einige Zeugen haben die Auszahlung in Teilbeträgen sogar als Kardinalfehler angesehen.

(Beate Schlupp, CDU: Wer denn?)

Die Werften haben keinen größeren finanziellen Spielraum gehabt, obwohl die Rettungsbeihilfe bewilligt war. Sie konnten das Vertrauen bei den Zulieferfirmen nicht wiederherstellen, weil nicht klar war, ob und wann die nächste Tranche, der nächste Teilbetrag, ausgezahlt wird. Dies verschärfte die Lage auf den Werften zusätzlich. Dies spricht dafür: Sie wollten die Werften gar nicht retten, sondern Sie wollten die Werften loswerden.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle ganz deutlich sagen, meine Fraktion ist davon überzeugt, dass die Rettung

und die Sanierung der ehemaligen Volkswerften und der Peene-Werft notwendig waren. Wir sind auch davon überzeugt, dass eine Sanierung, beginnend 2009/2010, möglich gewesen wäre, allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen. Meine Kollegin Frau Rösler wird im Einzelnen darauf noch eingehen und Ihnen Einblick in die Arbeit des Untersuchungsausschusses geben.

Unter dem Strich lässt sich festhalten: Die Landesregierung hat nicht „alles rechtlich Mögliche und wirtschaftlich Sinnvolle“ getan, um die Werften zu retten. Sie haben aus politischen Erwägungen heraus auf viele helfende Möglichkeiten verzichtet. Die Große Koalition ist ein wirtschaftlicher und finanzpolitischer Geisterfahrer, dem die Fahrerlaubnis entzogen werden muss. Und der Ministerpräsident Erwin Sellering trägt die politische Verantwortung für die im August 2012 eingetretene Insolvenz.

(Beate Schlupp, CDU: Sie geben sich ja so wirtschaftserfahren. Das sieht man ja überall, auf der ganzen Welt, Kompetenz pur.)

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Drese für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nach beinahe vierjähriger Arbeit, 82 Sitzungen und etwa 70 Zeugenvernehmungen legt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss heute seinen Sachstandsbericht vor. Der Ausschuss ist damit seinem Auftrag nachgekommen. Ob die politischen Untersuchungen, wie es zur Insolvenz der P+S Werften kommen konnte, damit beendet sind, entscheiden nicht wir, sondern die Abgeordneten des neu zu wählenden Landtages.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich direkt zu den Einschätzungen und Schlussfolgerungen aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion kommen. Für uns haben sich nach den vielen Zeugenvernehmungen und Materialauswertungen folgende Ergebnisse herauskristallisiert: Hauptgründe für die Werfteninsolvenz waren das eklatante betriebswirtschaftliche Missmanagement und das intransparente Geschäftsgebaren der ehemaligen P+SGeschäftsführung unter der Leitung des ehemaligen Hauptgeschäftsführers Dr. Brammertz. Hinzu kamen fehlerhafte Gutachten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zur Sanierungsfähigkeit der Werftengruppe.

Völlig unverständlich bleibt der Umgang mit den Risiken und Problemen beim Bau der anspruchsvollen Spezialschiffe durch die Geschäftsführung. So wurde vonseiten der Geschäftsleitung im Fall der Scandlines-Fähren trotz engster Gewichtsvorgaben kein funktionsfähiges Gewichts- und Risikomanagement etabliert. Dazu kam als negativer Höhepunkt, dass die Aufträge für die Scandlines-Fähren von der damaligen Werftgeschäftsführung nach mangelhafter Prüfung zulasten der Werften geschlossen wurden. Auch bestätigte Herr Fuchs, der Nachfolger von Herrn Dr. Brammertz, dass keine Projektreviews im notwendigen Ausmaß stattgefunden hätten und die Mitarbeiter wieder froh gewesen seien, über die real vorliegenden Probleme berichten zu können. Nebenbei gesagt, von VW hört man Ähnliches.

Weiterhin ist zu konstatieren, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens bei Amtsantritt des letzten Hauptgeschäftsführers von der industriellen Wirklichkeit innerhalb des Unternehmens entkoppelt waren. Inwiefern sich die Geschäftsführung um Dr. Brammertz gar dem Straftatbestand der Insolvenzverschleppung schuldig

gemacht hat, wird sich im juristischen Nachspiel zeigen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte nun in aller Kürze auf die Sondervoten der Opposition eingehen. DIE LINKE bemängelt, dass die Treuhand zu kostspielig gewesen sei und eine negative Außenwirkung gehabt habe, stattdessen hätte DIE LINKE eine AG-Lösung bevorzugt. Aber gab es diese Alternative der LINKEN wirklich? Die Banken wollten Herrn Hegemann aus dem Sanierungsprozess heraushalten und haben auf einer Treuhand bestanden. Ohne Finanzierung der NORD/LB und der KfW wäre eine Sanierung der Werften von vornherein unmöglich gewesen und zum Scheitern verurteilt. Eine AG-Lösung schied somit aus.

Die GRÜNEN sind der Meinung, dass es besser gewesen wäre, wenn das Land im Jahr 2009 eine Rettungsbeihilfe beantragt hätte. Bei einer Rettungsbeihilfe im Jahr 2009 hätte jedoch die EU-Kommission auf einer Ausgleichsmaßnahme bestanden. Diese hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darin bestanden, einen der beiden Werftstandorte unwiderruflich zu schließen. Höchstwahrscheinlich wäre hiervon die Peene-Werft in Wolgast betroffen gewesen.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Dabei war es gerade das Ziel der Landesregierung, möglichst viele industrielle Arbeitsplätze in Vorpommern zu erhalten. Was eine Standortschließung für die Städte Wolgast oder Stralsund und Vorpommern bedeutet hätte, muss ich Ihnen sicherlich nicht erläutern.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

DIE LINKE bemängelt, die Landesregierung habe zu wenig Mittel bereitgestellt, um die Aufträge der Werft abzuarbeiten. Was hätten aber unbegrenzte oder höhere Mittel bedeutet? Die Landesregierung hat gut daran getan, eben nicht unbegrenzt Mittel in die Werft zu geben. Die Zeugenvernehmungen haben gezeigt, dass die ohnehin hohen Finanzierungskosten noch größer geworden wären. Diese hätten die Werften erdrosselt. Die von der LINKEN gewünschte Lösung einer unmittelbaren Landesbeteiligung hätte das Risiko für den Steuerzahler drastisch erhöht und der Bund hätte sich aus dem Sanierungsvorhaben herausgezogen. So wäre ein Fass ohne Boden entstanden.

Die GRÜNEN betrachten den Sanierungsversuch spätestens im Herbst 2011 für gescheitert und vertraten mehrfach die Ansicht, dass man spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Insolvenz hätte einleiten müssen. Fakt ist aber, dass nach Aussage der meisten Zeugen sich die Werft bis zum Herbst 2011 gut entwickelt hatte. Die Werft verzeichnete neue lukrative Aufträge und konnte eine weitere Finanzierungslinie zu marktüblichen Konditionen einwerben.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Scandlines-Fähren wurden schließlich zum Grab der P+S Werften. Es wäre aber 2011/2012 wirtschafts- wie

finanzpolitisch fahrlässig gewesen, bei so einem Kenntnisstand einfach den Stecker zu ziehen und den P+S Werften in Wolgast und Stralsund keine Chance mehr zu geben.

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, haben wir mit den Standpunkten der beiden demokratischen Oppositionsfraktionen zwei diametral entgegengesetzte Ansichten.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

DIE LINKE ist der Meinung, es sei nicht genug Geld in die Werften geflossen, die Werften hätten verstaatlicht werden müssen. Die GRÜNEN sind hingegen der Meinung, dass viel zu viel Geld in die Hand genommen wurde und die Werftenindustrie kein Zukunftspotenzial für M-V habe.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist doch eine Unterstellung!)

Ich sage ganz deutlich: Gut, dass beide nicht in Regierungsverantwortung standen, sonst hätten wir heute mit höchster Wahrscheinlichkeit keinen Werftenstandort in Vorpommern mehr.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Manfred Dachner, SPD: Richtig.)

Mit den Investoren Lürssen in Wolgast und Genting in Stralsund haben beide Werfen solvente und seriöse Eigentümer erhalten und können einer positiven Zukunft entgegensehen.

(Heinz Müller, SPD: Sehr gut.)

Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich muss man mit Steuergeldern sorgsam umgehen, dafür stehen die SPD-geführten Landesregierungen mit ausgeglichenen Haushalten und mit ihrer Politik des Schuldenabbaus. Aber genauso gilt, der Erhalt von industriellen Kernen, der Erhalt von gut bezahlter Arbeit im Land war und ist für uns sinnvoll, um Mecklenburg-Vorpommern weiter voranzubringen. Die Werftarbeitsplätze in Wolgast und Stralsund inklusive der Zuliefererindustrie sind das Risiko wert gewesen, um diese im Land zu erhalten.

Und dass die Unterstützung der krisengeplagten Werften mit erheblichen Risiken verbunden war, ist kein Phänomen aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern eine europa-, ja weltweite Frage. Das steht hier außer Frage und dieses Risiko bei den Entscheidungen haben alle Beteiligten auch stets betont. Mein Kollege Tilo Gundlack hat es einmal auf den Punkt gebracht und gesagt: „Werftenpolitik ist kein Ponyhof.“

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, unter diesen schwierigen Voraussetzungen hat die Landesregierung einen vernünftigen Mittelweg gefunden und dabei Chancen und Risiken gründlich abgewogen. Sie hat die Sanierung verantwortungsvoll begleitet und die zuständigen Fachausschüsse des Landtages angemessen eingebunden. Die Insolvenz konnte letztendlich nicht verhindert werden, dafür konnte aber der Fortbestand der Werftindustrie in unserem Land gesichert werden und dieses Ergebnis zählt am Ende für die Beschäftigten in Wolgast und Stralsund.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist das Entscheidende.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Plenardebatte um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses betonte die Opposition, dass es ihr um zweierlei Dinge gehe: erstens die Klärung der Verantwortung für das Scheitern der Sanierungsbemühungen – diese liegen offenkundig zuallererst bei der Geschäftsführung, gegen die auch staatsanwaltschaftlich ermittelt wird –, zweitens sollte die Frage geklärt werden, was künftig verbessert werden kann, damit sich so eine Pleite nicht wiederholt. Lassen Sie uns also konstruktiv und im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in MecklenburgVorpommern nach vorne schauen.

SPD, CDU und LINKE haben mit dem Sachstandsbericht einen gemeinsamen Empfehlungsteil vorgelegt. Dabei muss zwischen dem technischen Bereich und dem kaufmännischen Bereich unterschieden werden. Im Hinblick auf die technische Seite muss zukünftig vor allem die Neutralität der Gutachter sichergestellt werden. Im vorliegenden Fall haben die Banken einen technischen Gutachter ausgewählt und die Werft veranlasst, diesen mit der Überwachung zu beauftragen. Die Werft hatte jedoch als Auftraggeber Mitwirkungs- und Erstleserechte an den einzelnen Prüfungsberichten. Die Beweisaufnahme ergab, dass der technische Gutachter von der Werftleitung zum Beispiel aufgefordert wurde, aus der Formulierung „nicht realisierbar“ „sehr ambitioniert“ zu machen. Für künftige Sanierungen schlagen wir daher vor,

1. regelmäßig persönliche Rücksprachen zwischen dem

jeweiligen Gutachter und der Landesregierung oder dem Landesmandatar,

2. eine Vertragsgestaltung, die eine Einflussnahme des

jeweiligen Managements ausschließt, und

3. ausreichender Zugang vor Ort, um die Baufortschritte

der Projekte durch sachkundige Vertreter oder Beauftragte der Landesregierung in angemessenen Abständen überprüfen zu lassen.

Auf kaufmännischer Seite ist nicht die Zahl der Sachverständigen sowie der erstatteten Gutachten und Berichte entscheidend, sondern die Tiefe der Begutachtung. Im Fall der P+S Werften war die Gutachtenanzahl nicht das Problem, sondern deren Qualität.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, und der Preis.)

Es ist nicht ausreichend, die Zahlenbasis aus der Geschäftsführung zu übernehmen, diese allenfalls zu plausibilisieren und zur Grundlage der Gutachten zu machen. Zu verbessern ist hier: