Protokoll der Sitzung vom 08.07.2016

Danke.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erkenntnis setzt sich durch: Die Milchkrise ist eine Milchmengenkrise. Und klar ist, dass diese Menge dringend reduziert werden muss. Die in Ihrem Antrag angesprochenen Ergebnisse der AMK sagen allerdings, wohin die Reise gehen soll, nämlich dass alle Beteiligten, ich zitiere, „letztmalig die Möglichkeit erhalten sollen, die Milchmenge eigenverantwortlich zu reduzieren“. Da fragt man sich schon, wann der geeignete Zeitpunkt gekommen sein soll, nicht mehr nur auf Freiwilligkeit zu setzen, sondern endlich zur Tat zu schreiten und beispielsweise Liquiditätshilfen an Mengenreduzierungen zu koppeln.

So stellen Sie in Ihrem Antrag fest, dass die bisherigen Hilfsmaßnahmen nicht ausreichend sind, einen drastischen Strukturwandel zu verhindern, und wollen nicht ausschließen, dass es zu Insolvenzen und strukturellen Veränderungen kommen kann. Dabei sollte jedem klar sein, in diesem drastischen Strukturwandel stecken wir schon mittendrin. Während Tag für Tag bäuerliche Milchviehbetriebe für immer die Stalltüren schließen müssen – wir haben es gerade noch mal gehört –, investieren Großbetriebe allen ins Bodenlose fallenden Milchpreisen zum Trotz unverdrossen Millionenbeträge in riesige neue Stallgebäude.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

In Ihrem Antrag lese ich immer noch von Russlandembargo und mangelnder Nachfrage aus China und den Öl exportierenden Staaten, wobei in den letzten beiden Fällen eh traditionell kaum Milchprodukte verzehrt wurden und werden. Ganz ehrlich, ich kann das gar nicht mehr hören.

(Vincent Kokert, CDU: Dann hören Sie doch nicht zu! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Der Traum von einem unendlich großen Markt für Milch ist und bleibt ein Märchen und hat sich für viele mittlerweile in einen Albtraum verwandelt, meine Damen und Herren.

(Beifall Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was mir bei Ihrem Antrag sofort ins Auge springt, ist die eigentümliche Interpretation der Idee, eine spürbare Marktentlastung zu erreichen, indem Hilfsmaßnahmen an eine Verpflichtung zur Mengendisziplin gebunden werden.

(Thomas Krüger, SPD: Habe ich das gesagt?)

Denn damit ist nicht etwa die unter anderem auch vom Bundesverband der Milchviehhalter geforderte einzelbetriebliche Beschränkung der Produktionsmenge gemeint oder die Einführung eines Bonus-Malus-Systems, wie es zu Jahresbeginn das Molkereiunternehmen Friesland

Campina erfolgreich eingeführt hat, nein, denn gleich im nächsten Satz wird angeregt, Milchbauern, die vermutlich ganz diszipliniert die Milchwirtschaft – und viele damit ihre bäuerliche Existenz – für immer aufgeben, sozial verträglich bei der Abwicklung ihres Betriebes zu unterstützen, meine Damen und Herren. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen! Erst wird vor einem drastischen Strukturwandel gewarnt, um dann dafür zu werben, diesen Strukturwandel finanziell zu unterstützen, indem zusätzliche Anreize geschaffen werden, die Milchproduktion ganz einzustellen.

(Thomas Krüger, SPD: Das habe ich doch überhaupt nicht gesagt!)

Man muss wohl nicht extra erwähnen...

(Thomas Krüger, SPD: Was redet sie da?)

Ich beziehe mich auf den Antrag.

Man muss wohl nicht extra erwähnen, dass damit vor allem bäuerliche Betriebe abgewickelt werden sollen, denn die großen Betriebe investieren ja munter weiter. Wir haben es jetzt gerade auch noch mal gehört. Sie, meine Damen und Herren der Koalition, scheinen sich mit dem drastischen Strukturwandel schon abgefunden zu haben und versuchen, ihm hier noch kleinen sozialen Anstrich zu geben.

Oder bedienen Sie sich hierbei einer Stellungnahme von Agrarökonomen der Universitäten Berlin, Göttingen und leider auch Rostock? Auch hier ist von einer sozialen Abfederung bei Betriebsaufgaben die Rede. Ganz unverhohlen spricht man davon, dass in einer Marktwirtschaft nun mal die am wenigsten wettbewerbsfähigen Betriebe ausscheiden. Dann sei der Markt bereinigt, die Milchkrise überwunden. Nur Landwirten, die hohe Kredite aufgenommen haben, um in größere Ställe, Technik und so weiter zu investieren, könnte man noch helfen, um den Banken die schwierige und langwierige Verwertung der Vermögensgegenstände zu ersparen. Eine neoliberale Sicht der Milchkrise, die so drastisch wirklich selten formuliert wurde!

Ich muss es einmal ganz klar sagen: Die dringend erforderliche Anpassung an die desolate Marktsituation kann nur durch die Reduzierung der Milchmenge

(Thomas Krüger, SPD: Das ist das, was wir gesagt haben.)

und nicht durch die Reduzierung der Bauernhöfe erreicht werden, meine Damen und Herren, denn die Industrialisierung der Landwirtschaft, die ja nun auch die Milchwirtschaft mit voller Wucht getroffen hat,

(Thomas Krüger, SPD: Das ist der Kern der Agrarministerkonferenzbeschlüsse.)

wird weder von den profitgierigen Landwirten noch von geizigen Verbrauchern vorangetrieben. In Wahrheit ist es dieses System des Wachsens oder Weichens,

(Egbert Liskow, CDU: Schreien Sie doch nicht so!)

welches dazu führt, dass entgegen jeder ökonomischen Vernunft

(Egbert Liskow, CDU: Alles Demagogie!)

und losgelöst von den tatsächlichen Bedürfnissen

(Glocke der Vizepräsidentin)

eine Produktion angekurbelt wird, die zu Überproduktion, zu Preiseinbrüchen und letztlich zu einem Strukturwandel führt, der nicht nur in Deutschland, Europa und den USA die Existenz bäuerlicher Betriebe zerstört,

(Egbert Liskow, CDU: Alles Demagogen!)

sondern durch Exporte auch in Afrika Milchbauern in den Ruin treibt, ein System, das die Autoren der vorhin zitierten Stellungnahme offensichtlich liebend gerne zementiert sehen wollen.

Professor Onno Poppinga nimmt hierzu wiederum deutlich Stellung. „Alle“, ich zitiere, „grundlegende Bedingungen für Märkte sind bei der Beziehung zwischen Milcherzeugern und Molkereien nicht vorhanden“, es handelt sich „nicht um Markt-, sondern … um Lieferbedingungen“. Zitatende.

Ich stimme mit Ihnen darin überein – und habe das bereits mehrfach öffentlich gefordert –, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien endlich so weit zu verbessern sind, dass die Landwirte als gleichwertige Partner zu sehen sind.

Erstens. Aus bündnisgrüner Sicht ist die Reduzierung der Kraftfuttergaben und damit die grundfutterbasierte Milchproduktion ein ganz wesentliches Instrument zur dauerhaften Überwindung der Milchkrise.

Zweitens. Wir müssen das System des Wachsens oder Weichens überwinden.

(Stefan Köster, NPD: Das ist aber antikapitalistisch.)

Drittens. Die Fokussierung auf Hochleistungskühe, die mit zugekauftem Kraftfutter immer mehr Milch geben, hat die Krise auf dem Milchmarkt mit verursacht.

Meine Damen und Herren, langjährige Studien belegen, dass grundfutterbasierte Milchproduktion die Gewinne steigen lässt. Und wie wir jüngst im Agrarausschuss bestätigt bekommen haben, kann man, ohne dass die Kühe gesundheitliche Probleme bekommen, das Kraftfutter absetzen. Jeder Landwirt, der so dazu beiträgt, dass die Milchmenge reduziert wird, muss davon angemessen profitieren können.

Ich fasse zusammen: Auch wenn ich selbstverständlich dafür bin, die Vertragsbedingungen zwischen Molkereien und Milchproduzenten deutlich zu verbessern,

(Zuruf aus dem Plenum: Lampe!)

lehne ich eine Milchmengenreduktion durch Betriebsstilllegungen kategorisch ab. Ihren Antrag können wir da nur aus vollem Herzen ablehnen, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD – Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD: Das versteht doch kein Mensch.)

Danke.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Politik lässt die Bauern am langen Arm verhungern. Nicht anders kann die Bewertung der Milchkrise lauten und nichts anderes ist auch aus dem Antrag von SPD und CDU zu schließen. Sie ernten jetzt die Politik von Herrn Dr. Backhaus, die nämlich auf Großbetriebe in der Vergangenheit ausgerichtet war, und die Ergebnisse führen jetzt zu einer Krise in der gesamten Landwirtschaft. Seit Jahren leiden die Milchbauern in unserem Land unter dem Preisdruck der Konzerne und des Einzelhandels. Doch im Augenblick befinden sich die Milchbetriebe in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten.

Die NPD hat hierzu schon sehr häufig ihre Position vorgetragen und ich wiederhole gerne einiges. Da die Milchpreise, die unsere heimischen Bauern für ihre Arbeit erhalten, bei Weitem nicht die Kosten decken, führen sie die Milchbauern mittelfristig in den Ruin. Eine Ursache für den Preisverfall ist sicherlich der Milchüberschuss auf dem Markt. Ein weiterer Grund ist allerdings auch der Preiskampf der Lebensmittelkonzerne, die sich mit immer neuen Billigpreisen zu unterbieten versuchen. Nicht zuletzt versuchen industrielle Großagrarbetriebe, unliebsame Konkurrenten vom Markt zu drängen. Jedem dürften noch die Bilder von Hunderten aufgebrachten Bauern im Kopf sein, die in den letzten Jahren in Deutschland protestierten, ihre Milch lieber vergossen, als diese zu verkaufen.

Die Zahl der produzierenden Milchviehbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern sinkt von Jahr zu Jahr mit einer immer rasanteren Talfahrt. Hunderte haben bereits dem Preisdruck nachgegeben und ihre Betriebe, die zum Teil lange Zeit im Familienbesitz waren, schließen müssen. Bauernverbände und einzelne bäuerliche Betriebe sind gegen die Preisentwicklung massiv Sturm gelaufen. Doch was kam von den Superdemokraten hier im Land? Warme Worte, ansonsten rein gar nichts.

(Thomas Krüger, SPD: Was redet der von Superdemokraten?)

Die Politik hat ihre Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit, wie ich es schon mal gesagt habe, an der Kleiderstange der Europäischen Union aufgehängt. Die Gewährleistung von Rahmenbedingungen, Herr Krüger, wie es eigentlich Ihre Aufgabe wäre, für die grundsätzlich die Politik verantwortlich ist, bleibt aus.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist schön, dass Sie mir sagen, was meine Aufgabe ist. Das ist nett.)