Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Der vorliegende Antrag meiner Fraktion legt den Finger genau in diese Wunden. Leider ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs in unserem Land besonders hoch. Es ist klar, dass das zum Teil mit der dünnen Besiedelung unseres Landes zu tun hat, und natürlich haben sich auch viele Familien nach der Wende darauf gefreut, nicht mehr so lange auf ein Auto warten zu müssen.

Aber ich denke, auch Ihnen wird, wenn Sie mit Menschen im Lande sprechen, begegnen, dass der Zwang, heute fast alles mit dem Auto erledigen zu müssen, gar zwei Autos in einer Familie zu haben, zur Belastung wird, und das nicht nur wegen der astronomischen Spritpreise. Genauso klar ist allerdings, dass Autolobby und Mineralölwirtschaft diese Ausrichtung der Verkehrspolitik wollten und wollen. Dahinter stehen die Interessen mächtiger Konzerne.

Aber wie immer, wenn man es übertreibt, stoßen wir an Grenzen, die nicht nur ein Umdenken, sondern Umsteuern verlangen. Aus Gründen des Klimaschutzes, der Notwendigkeit, der Daseinsvorsorge nachkommen zu können, und letztlich aus finanziellen Gründen brauchen wir eine Verkehrspolitik, die den Individualverkehr per Auto

einschränkt und den öffentlichen Kollektivverkehr stärkt. Übrigens brauchen wir auch eine viel stärkere Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene und nicht immer größere Lkws, die dann auch immer breitere Straßen zur Folge haben.

Die heutige aktuelle Verkehrspolitik ist gesamtgesellschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet unheimlich teuer. Wir sehen doch, Entfernungspauschalen, die hohen Spritkosten, die ja alle treffen, die Kraftfahrzeuge haben und brauchen, immer mehr und neue Straßen, die unterhalten werden müssen, das alles kostet unheimlich viel Geld. Sie brauchen sich nur den Etat des Verkehrsministers anzusehen, dann wissen Sie, wohin die großen Summen gehen. Und trotzdem lösen wir damit die Probleme nicht, denn eines ist doch klar: Wenn wir nicht wollen, dass immer mehr Gruppen von Menschen völlig abgehängt werden vom öffentlichen Leben, brauchen wir einen bezahlbaren, gut ausgebauten, vernetzten Nahverkehr bei uns im Land. Und das ist ohne mehr finanzielle Mittel nicht zu haben.

Die Haushaltsberatungen haben gezeigt, unter aktuellen Bedingungen hat das Land das erforderliche Geld scheinbar nicht. Die Kommunen haben es definitiv nicht. Die bisherige Antwort der Landesregierung darauf sind Streckenabbestellungen im Schienenpersonennahverkehr und Ausdünnung des Angebotes. Das ist für uns der falsche Weg. So wird es nie gelingen, den motorisierten Individualverkehr einzudämmen und mehr Menschen zu bewegen, Bus und Bahn im Nahverkehr zu benutzen.

Wenn ich zynisch wäre, würde ich sagen, gut, dass die Kraftstoffpreise immer höher werden, da überlegt so mancher, ob er auf Bus oder Bahn umsteigt. Aber ich bin nicht zynisch, weil ich sehe, dass die Bedingungen dafür überhaupt nicht vorhanden sind. Das bedeutet dann, dass die Pendler, von denen wir in Mecklenburg-Vorpommern ja besonders viele haben, die Unternehmen und die öffentliche Hand, also alle, der Preiswillkür der Ölmultis schutzlos ausgesetzt sind. Für Menschen mit geringem Einkommen, die oft noch nicht einmal Steuern zahlen, ist dies in der letzten Zeit zu einer echten Existenzbedrohung geworden.

Deshalb fordern wir eine angemessene und sozial gestaffelte Erhöhung der Entfernungspauschale, denn Preiserhöhungen treffen nicht nur die Autofahrer – auch Bus und Bahn werden immer teurer.

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)

Das Ganze hat mit Marktwirtschaft wenig zu tun, mit sozialer Marktwirtschaft schon gar nichts.

Und die Bundesregierung schaut zu. Das zahnlose Kartellamt hat keine rechtlichen Mittel, um der Plünderei an den Tankstellen ernsthaft Einhalt zu gebieten. Eine reine Meldung der Einkaufs- und Verkaufspreise der Tankstellenbetreiber, wie in der letzten Woche von der Bundesregierung angekündigt, wird da dem zahnlosen Tiger höchstens ein Milchzähnchen einsetzen. Wir fordern wirksame Instrumente für das Bundeskartellamt, um die Preistreiberei der Mineralölkonzerne zu stoppen. Ganz wichtig ist uns außerdem, dass das Steueraufkommen zu 50 Prozent für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs insbesondere in den Flächenländern eingesetzt wird.

Viele unserer Forderungen, das wissen wir, sind nur über den Bund zu erfüllen. Aber die SPD will ja ab 2013 wie

der regieren, da wäre es gut, bereits jetzt über den Bundesrat Pflöcke einzuschlagen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vorbeugen ist besser als heilen.)

Im Land wollen wir ein Verkehrskonzept, das den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsträger möglich macht und das Mobilität durch Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger und Bedienformen auch noch für die Bewohner im kleinsten Dorf sichert. Mit Angebotsausdünnung und Streckenschließungen ist das nicht zu erreichen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass mittel- und langfristig eine finanzielle Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs im Landeshaushalt erfolgt. Eine intelligente Nutzung von EFRE-Mitteln in der neuen Förderperiode ab 2014 ist dabei für uns ein Muss. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

In Vertretung für den Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung spricht die Justizministerin Frau Kuder.

(Ministerin Uta-Maria Kuder spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Zuruf aus dem Plenum: Mikro!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE möchte die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sichern. Dazu solle das Land Maßnahmen ergreifen, weil es eine Vorsorgepflicht habe. Da sich der Antrag in vier Unterpunkte gliedert, möchte ich den Antrag Punkt für Punkt durchgehen:

Als Erstes soll der Landtag feststellen, dass die Sicherung der Mobilität der Bürgerinnen und Bürger Teil der Daseinsfürsorge und somit wesentliche Grundlage von Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Feststellung ist sicherlich richtig, aber die Frage ist, welchen praktischen Gehalt ein solcher Landtagsbeschluss hat.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das kommt auf den nächsten Koalitionsvertrag an.)

Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Parlament schon einmal beschlossen hat, dass gutes Wetter gut für die touristische Entwicklung sei.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Und auch diese Festlegung wäre ebenso richtig wie die von den LINKEN getroffene.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Die Frage ist doch, was ergibt das für Schlussfolgerungen.)

Als Zweites fordert der Antrag, eine Bundesratsinitiative mit vier Zielen zu ergreifen. So soll das Bundeskartellamt mit einer Vollmacht ausgestattet werden, um Preistreiberei der Mineralölkonzerne zu verhindern. Dazu sei gesagt, dass leider offenbleibt, welche zusätzlichen Vollmachten dem Bundeskartellamt übertragen werden sollen. Ferner gibt es bereits eine Entschließung des Bundesrates vom 30. März 2012 für faire und transparente Preise bei Kraftstoffen. Die in dieser Entschließung enthaltenen Forderungen an die Bundesregierung sind wesentlich zielführender und vor allem konkreter als im vorliegenden Antrag.

Ich zitiere in der Folge zur Verdeutlichung die Forderungen aus genannter Bundesratsentschließung:

„1. die Einführung einer Preiserhöhungsbremse nach

österreichischem Vorbild oder andere Alternativen zu prüfen,

2. eine Datenbank bei einer unabhängigen Stelle einzu

richten und deren laufenden Betrieb sicherzustellen, die die nach Nummer 1 sich ergebenden Kraftstoffpreise erfasst und im Internet veröffentlicht,

3. die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber zu

verpflichten, ihre nach Nummer 1 sich ergebenden Kraftstoffpreise in diese Datenbank einzustellen,

4. das befristete Verbot von so genannten Preis-Kosten

Scheren dauerhaft gesetzlich zu verankern und

5. weitere geeignete Maßnahmen zu prüfen, die im

Interesse eines fairen Wettbewerbs Transparenz bei den Kraftstoffpreisen schaffen“.

Weiterhin soll laut Antragstellerin die kraftstoffbezogene Steuer auf dem heutigen Stand eingefroren werden. Bei den kraftstoffbezogenen Steuern handelt es sich um Energiesteuern, die an der verbrauchten Menge anknüpfen. Insofern haben steigende Preise keine Auswirkung auf die Höhe der Energiesteuern.

Zusätzlich soll laut Antrag eine Festlegung getroffen werden, dass 50 Prozent der Einnahmen aus der Mineralölsteuer dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den Flächenländern dienen sollen. Die frühere Mineralölsteuer wurde mit dem Inkrafttreten des Energiesteuergesetzes vom 15.07.2006 zur Energiesteuer. Der Ertrag dieser Steuer steht gemäß Artikel 106 Absatz 1 Nummer 2 Grundgesetz dem Bund zu.

Gemäß Paragraf 8 „Grundsatz der Gesamtdeckung“ Satz 1 der Bundeshaushaltsordnung dienen alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben. Gemäß Paragraf 8 Satz 2 Bundeshaushaltsordnung dürfen Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Zwecke beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben oder im Haushaltsplan zugelassen ist. Daher erscheint eine Vorgabe zur Verwendung dieses Aufkommens aus Landessicht ungeeignet. Forderungen des Landes für Mehrausgaben zum Ausbau des ÖPNV, insbesondere in Flächenländern, können daher allenfalls Gegenstand bei den Beratungen des Bundeshaushaltes 2013 sein.

Zu guter Letzt soll die Bundesratsinitiative auf eine sozial gestaffelte Erhöhung der Entfernungspauschale hinwirken. Gerade unter sozialen Gesichtspunkten sind Steuerentlastungen – und nichts anderes ist die Erhöhung der

Pendlerpauschale – kein geeignetes Mittel, denn aufgrund der Steuerprogression profitieren Besserverdienende stärker. Zudem zahlen rund 40 Prozent der Haushalte in Deutschland überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuer. Der Landeshaushalt würde bei einer Erhöhung um 10 Cent mindestens 20 Millionen Euro jährlich verlieren.

Nach einer statistischen Erhebung des DIW wohnen in Mecklenburg-Vorpommern entgegen anderslautender Vermutungen überdurchschnittlich viele Erwerbstätige sehr nahe an ihrer Arbeitsstätte. Mecklenburg-Vorpommern würde daher bei einer Erhöhung der Entfernungspauschale aufgrund des bundesstaatlichen Finanzausgleichs vor allem die Entlastungen von Pendlern aus anderen Bundesländern mitbezahlen müssen.

Mit dem dritten Punkt Ihres Antrages fordern Sie die Erarbeitung eines Verkehrskonzeptes. Dieses Konzept soll den Umstieg auf öffentliche Verkehrsträger erleichtern und die Vernetzung verschiedener öffentlicher Verkehrsträger und Bedienformen in den ländlichen Räumen sichern. Dazu sei gesagt, die Verkehrspolitik in Mecklenburg-Vorpommern wird ein besonderes Augenmerk auf eine serviceorientierte Verknüpfung aller Verkehrsträger legen. „Bedarfsgerechte Angebote des Personennahverkehrs sollen auch im ländlichen Raum Menschen ohne eigenen PKW ein ausreichendes Maß an Mobilität ermöglichen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was sich anhört wie eine Begründung zu der Forderung aus dem Antrag der LINKEN ist eine Passage aus dem Koalitionsvertrag. Ab Ziffer 87 können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen, dass die Landesregierung einen integrierten Landesverkehrsplan erstellen wird, der den Anspruch des vorliegenden Antrages übertreffen wird.

Im Haushaltsplanentwurf 2012/2013 sind im Titel 1.501.526.02, „Sachverständige“ heißt er, entsprechende Mittel veranschlagt. Im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Haushalt 2012/2013 ist der Energieausschuss im Übrigen über das Verfahren informiert worden, in welches er aktiv miteinbezogen werden soll.

Kommen wir also zum letzten Punkt des Antrages: Der Landtag werde Schritte im Rahmen der Haushaltsberatungen einleiten, heißt es dort, die dazu führten, dass Mittel zugunsten von SPNV und ÖPNV umgeschichtet würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag muss doch nicht vorab beschließen, dass während der Haushaltsberatungen Umschichtungen vorgenommen werden. Ferner wäre es ganz hilfreich, wenn die Umschichtungen beziffert würden. Die Landesregierung erwartet gespannt die Vorschläge der LINKEN, an welchen Stellen die bei Umschichtungen erforderlichen Haushaltskürzungen vorgenommen werden sollen.

Rekapitulieren wir: Ein Antrag, der im ersten Punkt einen Allgemeinplatz postuliert, im zweiten Punkt wird eine Bundesratsinitiative gefordert, die hinter dem zurückbliebe, was im Bundesrat bereits beschlossen wurde.