Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Deshalb haben die heutigen Rentner Ost mehr persönliche Entgeltpunkte als viele Rentner im Westen. Zum anderen, und das meine ich auch mit Äpfeln und Birnen, wird bei den Vergleichen immer vergessen, dass die gesetzliche Rente für über 90 Prozent der ostdeutschen Rentner und auch der rentennahen Jahrgänge die einzige Einkommensquelle im Alter ist. Die Betriebsrenten und die Sonderversorgungssysteme aus der DDR wurden bekanntlich in den Bereich der Deutschen Rentenversicherung überführt. Neue Betriebsrenten sind in Mecklenburg-Vorpommern die Ausnahme. Und bei den vergleichsweise niedrigen Einkommen konnten und können sich die allermeisten Menschen keine private Rentenversicherung leisten. Es gibt also für die allermeisten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern noch keine drei Säulen der Alterssicherung. Und damit bin ich beim nächsten Punkt.

Durch Arbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit, geringfügige Entlohnung, Beschäftigungsverhältnisse und durch das hier im Land generell niedrige Erwerbseinkommen sinken die Zahlbeträge. Wer im Jahr 2000 Altersrentner wurde, der erhielt 39 Euro mehr als derjenige, der ab dem Jahr 2010 Altersrente bezieht, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Während die Renten im Westen relativ stabil bleiben, werden die Zahlbeträge im Osten drastisch einbrechen.

Nach einer Studie des DIB wird die Altersrente für ostdeutsche Männer, die zwischen 1967 und 1971 geboren wurden, im Durchschnitt 600 Euro betragen. Frauen der gleichen Jahrgänge können mit 480 Euro rechnen. Das ist zum Leben zu wenig und es reicht auch nicht für die Beerdigung.

Zu ähnlichen Zahlen kam übrigens auch das Thesenpapier „Rentner in Ostdeutschland“, das im März 2008 Herr Ministerpräsident gemeinsam mit dem damaligen Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, vorgestellt hat. Renten unter dem Existenzminimum, das ist die Zukunft, wenn die Politik nicht eingreift.

(Torsten Renz, CDU: Ursula von der Leyen greift ein.)

Bereits heute ist unter den Bürgern mit 65 und mehr Lebensjahren jeder zehnte Mann und jede sechste Frau in Mecklenburg-Vorpommern von Armut bedroht. Das heißt, ihr Einkommen liegt unter 60 Prozent des Durchschnittsnettoeinkommens. Die Kommunen stöhnen bereits heute über die Last der Grundsicherung im Alter. Altersarmut muss nicht sein. Die Rentenformel kann politisch beeinflusst werden. Die Aufteilung in ein Ren

tengebiet West und ein Rentengebiet Ost ist politisch gewollt und sie kann politisch geändert werden. Komme mir keiner mit dem Argument der unterschiedlichen Bruttowertschöpfung oder auch Arbeitsproduktivität. Das ist vorgeschoben. Die VW-Werke in Zwickau und Chemnitz haben in der VW-Gruppe die höchste Produktivität.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Oder ein Beispiel aus unserem Land: In der Landwirtschaft sind Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern führend. Auch innerhalb der alten Bundesländer gibt es Produktivitätsunterschiede, auch im Westen werden nicht überall hohe Einkommen erzielt. Das sind keine Argumente, die eine weitere Aufteilung der Bundesrepublik in ein Rentengebiet West und ein Rentengebiet Ost begründen. Unterschiedliche Rentenwerte für den Westen und den Osten, das ist den Menschen nicht mehr zu vermitteln. Wir sind im 22. Jahr nach der Wiedervereinigung, da müssen die Versprechen endlich eingelöst werden. Was wir hier fordern, ist nicht neu.

Schon in der Vergangenheit haben Bundesländer die Initiative ergriffen, um das Rentenunrecht zu beseitigen. Ich erinnere an den, das wurde hier ja auch schon erwähnt, von Mecklenburg-Vorpommern ausgehenden Entschließungsentwurf im Bundesrat zur Schließung der Gerechtigkeitslücke bei der Überleitung der DDR-Renten in bundesdeutsches Recht im Jahre 2003 und ich erinnere mich gut an das gemeinsame Vorgehen der neuen Bundesländer im Bundesrat zur Vereinheitlichung des Rentenwertes Ost und West im Jahre 2008. Damals sagten Sie, Herr Ministerpräsident: „19 Jahre nach der Wiedervereinigung kann es nicht sein, dass wir immer noch zwei unterschiedliche Rentenvölker in Ost und West haben.“ Das haben Sie ja heute hier auch gesagt.

Ich erwarte auch die Unterstützung der Frau Sozialministerin für unseren Antrag. Frau Schwesig hat sich bisher immer dementsprechend geäußert, beispielsweise am 29. März 2010 gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“. Damals forderte sie die Vollendung der Deutschen Einheit und sagte: „Dazu gehört für mich auch ein einheitliches Rentensystem in Ost und West noch in dieser Legislaturperiode.“

(Torsten Renz, CDU: In welchem Jahr war das?)

Das war 2011.

(Torsten Renz, CDU: Das ist doch noch gar nicht so lange her.)

Wenn auch Vertreter der Bundesregierung, wie die Kanzlerin oder der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Herr Kolb, die Rentenangleichung für überfällig und in dieser Legislaturperiode für machbar halten, dann fragen sich die Bürger meines Erachtens berechtigt, woran es denn klemmt und warum nichts passiert. Wenn die Rentenanpassung gewollt und die Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten beseitigt werden sollen, dann muss endlich gehandelt werden. Dann müssen Sie einen Antrag wie den eingebrachten unterstützen.

Noch ein Wort zur Finanzierung: Sie ist angeblich viel zu teuer nach den Worten der Gegner einer baldigen Rentenangleichung. Ich möchte Sie hier nicht mit Details langweilen, sondern nur bemerken: Für die Rettung der

Banken und für die Rettung des Euro gibt es Milliarden Euro, allein bei der letzten Hilfe für Griechenland im Februar billigte der Bundestag 130 Milliarden.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die Rentenangleichung wird so viel nicht kosten.

Auch die jüngste Debatte um das Betreuungsgeld zeigt wieder einmal, dass die Finanzierung dem politischen Willen folgt, denn um die Mehrausgaben von 6 bis 7 Milliarden Euro für eine bessere rentenrechtliche Berücksichtigung der Erziehungszeiten haben die Koalitionsparteien bisher nicht gestritten. Das bestärkt mich in meiner Meinung, dass es bei der Angleichung der Renten am politischen Willen fehlt. Die Sachlage hat die Bundesregierung lange genug erwogen.

Die heutigen und künftigen Altersrentner in den neuen Bundesländern brauchen endlich Ergebnisse. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie für unseren Antrag! Lassen wir die Landesregierung im Bundesrat aktiv werden

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sind sie schon.)

und bringen wir die Bundesregierung endlich zum Handeln!

(Rainer Albrecht, SPD: Haben Sie nicht zugehört?! Sie sind aktiv.)

Darauf warten wir schon lange genug.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Auch für die Altersrenten gilt, was Herr Seehofer angesichts des Betreuungsgeldes zur „WirtschaftsWoche“ sagte:

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

„Eine Regierung, die ihre eigenen Beschlüsse nicht umsetzt …“ Aber wir kennen ja alle dieses Zitat.

(Egbert Liskow, CDU: Aber das wollt ihr doch nicht.)

Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die namentliche Abstimmung. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU: Ooh! – Egbert Liskow, CDU: Endlich mal wieder!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/567 eine namentliche Abstimmung beantragt.

Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Präsidium namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben. Damit Ihr Votum korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie, sich

nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben, und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorganges von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer, die Namen aufzurufen.

(Die namentliche Abstimmung wird durchgeführt.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat?

(Die Abgeordneten Mathias Brodkorb, Dietmar Eifler und Peter Ritter werden nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Ist noch ein Mitglied dieses Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.

Bevor ich die Abstimmung schließe, möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass bei einer namentlichen Abstimmung die Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben ist. Ich schließe die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 16.33 Uhr

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Wiederbeginn: 16.34 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung.

An der Abstimmung haben insgesamt 48 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 11 Abgeordnete, mit Nein stimmten 37 Abgeordnete, kein Abgeordneter enthielt sich der Stimme. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/567 abgelehnt.

Die Fraktion DIE LINKE hat eine Auszeit von zehn Minuten beantragt. Ich unterbreche die Sitzung bis 16.45 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen.

Unterbrechung: 16.35 Uhr

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