Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

Dieser Forderung schließen wir Nationalen uns an

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da freut sich Herr Renz aber bestimmt.)

und deshalb stimmen Sie unserem Antrag zu, damit endlich die verkorkste Familienpolitik auf der Bundesebene ein Ende hat! – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Heinz Müller, SPD: Was war denn das für eine Nullnummer?)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Es hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Bring mal ein bisschen Geist rein!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Begründung des vorliegenden NPD-Antrages heißt es unter anderem, ich zitiere: „Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden nicht eingegangen, um Kinder zu zeugen“, Zitatende.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist eine echte Weisheit.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mit meiner Frau eine Partnerschaft eingegangen zuallererst, weil ich sie liebe. Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden auf dieser Grundlage gegründet, weil die Liebe zueinander die Grundlage für das Zusammenleben ist. Und ich weiß nicht, Herr Köster, ob Ihnen solche Gefühle, solche Herangehensweisen irgendetwas be- deuten.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit ihrem Antrag versucht die NPD-Fraktion wieder einmal, auf einen fahrenden Zug einer bundespolitischen Debatte aufzuspringen, aber wieder einmal merken die Herren der NPD-Fraktion nicht, dass ihnen niemand für ihre Mitfahrt eine Fahrkarte ausstellt.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Sie werden mit ihren Forderungen am Bahnsteig stehen bleiben und letztlich nur bei ihrem streng gescheitelten Anhang Zuspruch finden,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

der wie sie immer noch von der „Volksgemeinschaft“ träumt und der wie Goebbels meint, Volksgenosse kann nur ein Blutgenosse sein. Und wer so denkt wie die Strenggescheitelten auf dem Bahnsteig und die Herren, die hier sitzen, bezieht seine inhaltlichen Quellen aus den „Nürnberger Gesetzen“, aus dem „Ehegesundheitsgesetz“ oder aus dem „Blutschutzgesetz“ der Nationalsozialisten.

(Michael Andrejewski, NPD: Das kennen Sie alles viel besser als wir.)

Gestützt auf diese Gesetze wurden nicht nur Jüdinnen und Juden verfolgt und ermordet, sondern auch – wie es in ihrem Sprachgebrauch früher und heute heißt – „Andersartige“, ihrer Meinung nach „Asoziale“ und eben auch Homosexuelle. Und weil Sie dieser Denkweise verhaftet sind, war es auch nicht verwunderlich, dass man bei Ihrer Rede förmlich spürte, wie an Ihnen die Ekelpickel hochgestiegen sind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wenn Sie könnten, wie Sie wollen, Herr Köster, würden Sie auch heute Schwulen oder Lesben das rosa Dreieck an die Jacke heften.

(Stefan Köster, NPD: Nee, lieber nicht.)

Aber Sie können nicht, wie Sie wollen.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Und das ist auch gut so!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bislang haben einge- tragene Lebenspartnerschaften keinen Anspruch auf Zusammenveranlagung der Einkommensteuer. Das geht aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes hervor und findet die rechtliche Grundlage in Paragraf 26b des Einkommensteuergesetzes. Gegen das Urteil des Bundesfinanzhofes wurde Verfassungsbeschwerde eingereicht. Mit der einkommensteuerrechtlichen Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare, die auf der Grundlage des Lebenspartnerschaftsgesetzes eine Partnerschaft eingehen, befasst sich nun das Bundesverfassungsgericht. Und was daran kriminell sein soll, Herr Köster, das müssen Sie uns mal erläutern.

Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen auf Bundesebene haben in den vergangenen Wochen einen Vorstoß gewagt, das Ehegattensplitting auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften und damit auf homo- sexuelle Paare anzuwenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte jedoch, dass derzeit kein Handlungsdruck bestehe, vielmehr solle die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über die Gleichstellung bei der Einkommensteuer abgewartet werden, die im Jahr 2013 voraussichtlich kommen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit bereits Urteile zugunsten gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gefasst. So erklärte es die Benachteiligung von Lebenspartnerschaften bei der Grunderwerbsteuer für verfassungswidrig. Es ist auch hinsichtlich der steuerlichen Gleichsetzung zu erwarten, dass die Ungleichbehandlung bei der Einkommensteuer als nicht rechtmäßig eingestuft wird.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner tragen also ebenso wie Ehegatten die Unterhalts- und

Einstandspflichten füreinander. So heißt es auch in der Erklärung der Befürworter aus den Reihen der CDU. Eine steuerliche Gleichbehandlung von Eheleuten und homosexuellen Lebenspartnerschaften ist also ein Schritt in Richtung Gleichbehandlung.

Unsere Gesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Manche kriegen das allerdings nicht mit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist das.)

So haben in den vergangenen Jahren nicht eheliche Lebensgemeinschaften auch zwischen Mann und Frau weiter zugenommen. Eingetragene Lebenspartnerschaften können seit August 2001 eingegangen werden. Es haben sich also eine Reihe postmoderner Familienformen etabliert, die das tradierte Familienmodell weit hinter sich lassen.

In einem Artikel in der „Zeit online“ vom 24.08. ist dazu folgendes Interessantes zu lesen. Gestatten Sie mir ein etwas längeres Zitat.

Carolin Emcke schreibt dort, ich zitiere:

„Wir dürfen als Ärztinnen und Krankenpfleger andere behandeln, wir dürfen als Hebammen die Kinder heterosexueller Paare zur Welt bringen, als Sozialarbeiterinnen oder als Therapeuten uns um die kümmern, die Hilfe oder Orientierung brauchen, wir dürfen in Hospizen Sterbebegleitung leisten, bei Olympia die Sportnation vertreten und an den Universitäten Forschung betreiben, die späteren Generationen zugutekommt, wir dürfen Organe spenden oder Blut, an den Schulen, Gerichten und in den Medien als Lehrerinnen, Richter und Journalistinnen arbeiten und Werte wie Gerechtigkeit und Menschlichkeit verteidigen, wir dürfen Straßen bauen, Gärten anlegen und in Afghanistan oder Somalia, im Kongo oder vor der libanesischen Küste in Auslandseinsätzen der Bundeswehr unser Leben riskieren. Das alles gilt als selbstverständlich.

Wir alle sind zudem jemandes Kind, Geschwister, Nichte, Neffe, Tante, Cousin, Nachbarin, Kollege oder Freundin, und als solche werden wir gerufen bei Liebeskummer oder Finanzchaos, wir dürfen helfen bei Wohnungsrenovierungen oder Prüfungsängsten“,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

„wir springen ein zum Babysitten oder zum Krisengespräch …“

(Stefan Köster, NPD: Das ist ja herzerweichend.)

„auch das gilt alles als selbstverständlich.

In allen diesen Hinsichten spielt unsere Art zu lieben, unsere sexuelle Identität, keine Rolle. Wir werden als genauso kompetent und vertrauenerweckend genutzt und geschätzt wie andere auch. …

All das gilt als selbstverständlich – nur dass wir heiraten und mit Kindern leben wollen, das darf nicht selbstverständlich sein. Warum?“, Zitatende.

Warum? Also diese Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt es zu beantworten. Die Debatte darüber läuft

zurzeit bundespolitisch in allen demokratischen Parteien, mit unterschiedlichen Ansätzen und Zielstellungen.

Ihre Argumentation, meine Herren von der NPD, geht aber nicht auf, da Sie den Familienbegriff völlig einseitig auslegen. Ihr Familienbild ist ein Bild aus der Mottenkiste. Auch mit Bezug auf das Ehegattensplitting …

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch mit Bezug auf das Ehegattensplitting kann Ihre Familien- und Gesellschaftserhaltutopie nicht Fuß fassen, denn das Ehegattensplitting findet Anwendung, unabhängig davon, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. Aus Sicht meiner Fraktion ist das Ehegattensplitting aber generell zu überdenken, da völlig antiquiert. Es fördert die Ein-Verdiener-Ehe und damit das tradierte Modell von Ernährer und Hausfrau. Die größten Vorteile beim Ehegattensplitting nämlich haben die Paare, bei denen ein Part überhaupt nichts verdient.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig.)

Zudem wird eine konstante Unterbeschäftigung beziehungsweise ein geringerer Verdienst des Ehepartners gefördert. Das ist ein Fehlanreiz und führt dazu, dass geringere Rentenansprüche erworben werden. Davon betroffen sind in den meisten Fällen Frauen. Ihnen droht die Altersarmut, vor allem dann, wenn sie vorher die Ehe auflösen.