Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

um das Grundrecht auf Asyl einzuschränken. Die DVU und andere Rechtsradikale heizten die Stimmung mit Parolen wie „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“ oder „Das Boot ist voll“ weiter an.

(Udo Pastörs, NPD: Das war die CDU, „Das Boot ist voll“, die CDU.)

Das Bild vom vollen Boot wurde bereitwillig von den Medien, von „Spiegel“ bis „Bild“ aufgegriffen.

(Udo Pastörs, NPD: Innenminister Kanther.)

Auch hier im Land steuern die Medien ihren Teil dazu bei, indem sie über „mövengrillende Sinti und Roma“

berichteten und rassistische Leserbriefe und Aufrufe abdruckten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es.)

Verschärft wurde die Situation durch einen starken Anstieg der Zahl von Asylsuchenden nach der Wiedervereinigung.

(Udo Pastörs, NPD: Und Straftaten.)

Ebenso wie allen anderen Bundesländern wurden auch Mecklenburg-Vorpommern Flüchtlingskontingente zugewiesen. Kurze Zeit nach Eröffnung war die Zentrale Aufnahmestelle im Rostocker Sonnenblumenhaus bereits restlos überfüllt.

Und hier setzt das ein, was man mit Fug und Recht ein Versagen des Rechtsstaates nennen kann, denn anstatt die Asylbewerber anderswo menschenwürdig unterzubringen, passiert rein gar nichts. Die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden in Rostock und auf Landesebene war eine einzige Katastrophe. Etwa 400 Menschen müssen draußen campieren, haben keine sanitären Einrichtungen zur Verfügung und werden kaum von Sozialarbeitern betreut.

(Stefan Köster, NPD: Ooh!)

Die in Lichtenhagen ansässige einheimische Bevölkerung ist zuerst entsetzt und dann wütend. Ihr liebevoll gepflegtes Zuhause verändert innerhalb weniger Wochen seinen Charakter, wird schmutzig, unwirklich,

(Udo Pastörs, NPD: Wird zum Schweinestall! Das sah aus wie noch nie da.)

man fühlt sich bedroht von den Fremden. Beschwerden der Anwohner werden von der Stadt ignoriert. Ein Stadtteil und die dort lebenden Menschen sind total überfordert, ebenso wie die Flüchtlinge, die gezwungen sind, dort unter menschenunwürdigen Umständen zu leben.

Als die Krawalle vor dem Sonnenblumenhaus am Samstag, dem 22. August 1992 beginnen, stehen 1.000 aufgebrachten Anwohnern und 200 Nazis zunächst nur 35 schlecht ausgerüstete Polizisten gegenüber. Nach bundesweiten Aufrufen in der rechtsextremen Szene kommen Neonazis aus der ganzen Republik nach Rostock-Lichtenhagen, um die Wut der Anwohner für ihre Zwecke zu nutzen.

(Stefan Köster, NPD: Aus der ganzen Welt!)

Die NPD feiert bis heute die fremdenfeindlichen Ausschreitungen als sogenannten „Volksaufstand“. Wie erbärmlich!

Erst am Montag, dem 24. August 1992 werden die Asylsuchenden evakuiert, aber rund 120 Vietnamesen und Deutsche bleiben zurück. Sie werden am gleichen Abend Opfer eines wütenden Mobs, der ihr Haus in Brand steckt und zwei Stunden lang verhindert, dass die Feuerwehr mit ihren Löscharbeiten beginnen kann. Die Vietnamesen, einst als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen, hatten eigentlich gar nichts mit der akuten Unterbringungsproblematik zu tun. Sie wurden Opfer des sogenannten „geschürten Volkszorns“, allein deswegen, weil

sie Fremde waren. Hier kann man nur sagen: Wir sind alle Ausländer – fast überall.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Köster, NPD: Aber in der Heimat nicht. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Die Bilder dieses totalen Staatsversagens gehen um die Welt. Mecklenburg-Vorpommern hat seitdem mit dem Ruf zu kämpfen, Hochburg des Fremdenhasses und No-goArea für Ausländer zu sein.

Wenn man bedenkt, dass die deutsche Polizei nur wenige Tage später eine linke Gegendemonstration von 3.000 Beamten eskortieren ließ, um so gewalttätige Ausschreitungen verhindern zu können, stellt sich mir die Frage: Warum wurden die Flüchtlinge und Vertragsarbeiter im und vor dem Sonnenblumenhochhaus nicht ebenfalls von 3.000 Beamten vor den Randalierern geschützt?

(Udo Pastörs, NPD: Fragen Sie die CDU-Regierung! Fragen Sie da!)

Die zweite Frage,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

die sich mir stellt, ist die, ob der manifeste Fremdenhass der Bewohner von Lichtenhagen ein typisches deutsches Phänomen war oder ist.

(Stefan Köster, NPD: Die bösen Deutschen wieder!)

Ich bin immer noch entsetzt, wenn ich mir die Bilder von ganz normalen Bürgern aus meinem Stadtteil in Erinnerung rufe,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

die grölen und jubeln angesichts von Menschen in Todesangst.

Eine Ursache liegt sicherlich in der Frustration vieler, die nach der Euphorie der Wiedervereinigung auf den harten Boden der Realität gekommen waren und mit Arbeitsplatzverlust und Existenzängsten zu kämpfen hatten. Lichtenhagen war damals ein Stadtteil mit über 20.000 Einwohnern, von denen mehr als 17 Prozent arbeitslos waren. Offenbar war es nur ein kleiner Schritt, bis Wut, Angst und Verunsicherung in blinde Gewalt gegen Fremde umschlugen.

Meine Damen und Herren, am 31. August 1992 versammelten sich über 20.000 Menschen in Rostock-Lichtenhagen und setzten somit ein klares Signal. Es war der Beginn eines enormen zivilgesellschaftlichen Engagements, welches bis heute ein attraktiver und prägender Teil der Stadt Rostock und der Zivilgesellschaft ist.

Eines haben mittlerweile aber auch die meisten der Damaligen begriffen: Die sogenannte „Volksgemeinschaft“, die die Nazis als Gegenmodell zu einem weltoffenen und

toleranten Mecklenburg-Vorpommern programmieren, ist ein Trugschluss.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Udo Pastörs, NPD: Programmieren!)

Wo Diktatur herrscht, kann sich niemand sicher fühlen – egal, ob Ausländer oder Inländer.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die ausländerfeindlichen Ausschreitungen von Lichtenhagen stehen nicht für ganz Deutschland, auch nicht für ganz Mecklenburg-Vorpommern. Es gibt vor allem die anderen Deutschen, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen.

(Udo Pastörs, NPD: Bessere, das bessere Deutschland. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Eine wichtige Voraussetzung dafür war und ist die Bereitschaft zur Reflexion und Aufarbeitung der Geschehnisse. Aus diesem Grund hat sich im August 2011 die Initiative „Lichtenhagen bewegt sich – Gemeinsam füreinander“ unter der Schirmherrschaft unseres Ministerpräsidenten Erwin Sellering gegründet.

(Udo Pastörs, NPD: Der Erwin machts.)

Gründungsinitiatoren waren der Ortsbeirat Lichtenhagen, dessen Vorsitzender ich bin, der Stadtteiltisch Lichtenhagen, die Bürgerinitiative „Bunt statt braun“ sowie die Hansestadt Rostock.

(Udo Pastörs, NPD: Alles mit Staatsgeldern.)

Die Auftaktveranstaltung zum Gedenktag fand im August 2011 in der Hundertwasser-Gesamtschule in Lichtenhagen statt.

Heute widmen sich weiterhin 40 Vereine mit über 100 Projekten der Integration und dem friedlichen Zusammenleben aller Menschen, ganz gleich, welcher Herkunft sie auch sein mögen.

(Stefan Köster, NPD: Nur auf die Bäume wird keine Rücksicht genommen.)

Die breit angelegte Initiative „Lichtenhagen bewegt sich – Gemeinsam füreinander“ und viele weitere Engagierte arbeiten seit über einem Jahr in Vorbereitung des 20. Gedenktages die traumatischen Ereignisse von 1992 gemeinsam mit den Einwohnern und Einwohnerinnen aus Lichtenhagen auf, schaffen Räume für demokratische Teilhabe und beziehen die Menschen der Stadt aktiv in diesen Prozess mit ein.