Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Das ist die Realität hier im Land. Es gab eine Studie,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja, Sie haben ein Kunstverständnis, das spottet jeder Beschreibung. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

die einen Vergleich der Theater- und Orchesterlandschaft zwischen Nordwestdeutschland und dem Großraum Oldenburg gemacht hat, und da wird ganz deutlich sichtbar, dass hier im Land das Interesse der Zuschauer erheblich geringer ist als im Nordwesten der Bundesrepublik.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Als Büchner seine Stücke aufgeführt hat, sind die Leute auch rausgelaufen.)

Viele Kulturschaffende führen in unserem Land ein derartiges Eigenleben, dass sie sich nicht mal um die Interessen des Volkes, aber auch vieler ausländischer Gäste kümmern. Sie wurden ja bislang sehr großzügig aus dem Steuertopf gefördert im Gegensatz zu vielen anderen Freiberuflern und Selbstständigen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Doch generell werden die Finanzmittel in Deutschland und somit auch in Mecklenburg-Vorpommern geringer. Irgendwo müssen ja auch die Riesensummen, die sinnlos ins Ausland zugunsten von Banken,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh Gott! Oh Gott!)

Pleitestaaten und überstaatlichen Interessen verschwendet werden, ja wieder eingespart werden. Und die Solidarpaktmittel gehen bekanntermaßen ja auch stark zurück und dann ist das Geschrei in diesem Land immer sehr groß.

In diesem Zusammenhang ist es immer wieder belustigend, mit anzuhören, wie dann stets und ständig die NPD als Druckmittel herhalten muss. Da beschwören Rechtsanwälte und Richter in lautem Chor die Landesregierung, ja keine Amtsgerichte zu schließen, weil die Nationalen sonst in die Lücke stoßen könnten. Ebenso ist es so mit den Theatern und Orchestern hier im Land. „Schließt um Himmels willen keinen Standort und stockt

nach Jahren der Zuschussdeckelung die Mittel auf!“, wird laut im Chor gejammert, sonst bieten wir den bösen Rechten neue Angriffspunkte. Auch seien Theater und Orchester wichtig im Kampf für die Demokratie, wobei Ihre Demokratie nichts anderes als eine Bonzo- kratie ist,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah! – Udo Pastörs, NPD: Richtig. – Heinz Müller, SPD: Ich zittere schon vor Angst.)

und gegen den sogenannten bösen, bösen Rechtsextremismus.

Eine kleine Abfuhr erhielten Sie ja auch in diesem Hause hinsichtlich bereits vom Bildungsminister Brodkorb. Für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen zitierte ihn Frau Uhland, Initiatorin der Volksinitiative, Zitat, ich komme zum Schluss: „Der Kulturminister ging in einem Interview bei NDR-Kultur ,Klassik à la carte‘ sogar so weit zu behaupten, Orchester seien nicht dafür da, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, sondern sie sollten schöne Konzerte spielen.“ Das lässt sich fraglos unterschreiben. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir hier vor einigen Wochen und Monaten im Hause über die Volksinitiative zum Erhalt der Orchester und Theater in Mecklenburg-Vorpommern debattierten, da hatte ich den Eindruck, und ich habe es auch in meiner Rede gesagt, dass wir zumindest einen deutlichen Schritt weitergekommen sind, auch wenn Sie in der Mehrheit der Volksinitiative nicht gefolgt sind. Denn immerhin hatte, Herr Brodkorb ist vorhin darauf eingegangen, die Landesregierung ihre bis dato verfolgte Linie verlassen, wonach sich vor allem an den Theatern selbst etwas tun müsse und wonach vor allem die Kommunen als Träger der Theater und Orchester Konzeptionen erarbeiten müssten.

Inzwischen, und das, finde ich, ist eine wichtige Entwicklung, verleugnet die Landesregierung ihre Verantwortung für die Theater und Orchester im Land nicht mehr.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben wir nie getan. Haben wir nie getan.)

Sie übernimmt, Herr Dr. Nieszery, politische Verantwortung,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben wir immer getan.)

Herr Brodkorb hat das ausdifferenziert, ich habe das aber nicht so wahrgenommen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das ist aber Ihr Problem und nicht unser.)

und das ist zunächst einmal ja positiv zu bewerten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Das wird Sie freuen, dass ich das hier tue.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Lassen Sie uns die doch gemeinsam übernehmen.)

Dazu haben wir – und ich glaube, das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen – aber vor allen Dingen mit Protesten, Demonstrationen und auch einer Volksinitiative mit mehr als 50.000 Unterschriften beigetragen, dass sich an dieser Stelle etwas bewegt hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn die Landesregierung jetzt Modelle zur Wei- terentwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern vorlegt, dann ist dies nicht nur ein Bekenntnis zur Übernahme eben dieser politischen Verantwortung, die bisher immer abgelehnt wurde, es ist auch ein Bekenntnis, dass die bisherige Kulturpolitik gescheitert ist, dass es Unsinn war, über die Schaffung von sogenannten, und das haben Sie verantwortet, Kulturkooperationsräumen und Zwangsfusionen Druck auf die Theater und Orchester auszuüben.

Oberflächlich betrachtet sind wir also einen Schritt weitergekommen. Bei genauer Betrachtung der Lage der Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern müssen wir allerdings feststellen, die Lage war noch nie so bedrohlich wie seit dem gestrigen Tage, denn seit Vorlage der Modelle ist klar, die Theater und Orchester Mecklenburg-Vorpommerns sind massiv, sind massiv in ihrer derzeitigen Struktur oder gar in ihrer Existenz gefährdet.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Köster, NPD: Das war doch vorher auch schon klar.)

Die Perspektive der Theater und Orchester ist bedrohlich, weil die Landesregierung nach wie vor nicht dazu bereit ist, die Zuschüsse an die realen Kostensteigerungen anzupassen, seit 1994 nicht dazu bereit ist, sondern dogmatisch an einer Zuschussobergrenze festhält, die seit diesem Zeitpunkt nicht mehr angepasst worden ist.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Und die im bundesweiten Vergleich ganz oben ist.)

Die Perspektive ist auch deshalb bedrohlich, weil die Landesregierung vor diesem Hintergrund von den Theatern und Orchestern bis 2020 fordert – und diese Zahl ist ja im Gutachten genannt –, 12 Millionen einzusparen, wissend, dass es an etlichen Häusern in den vergangenen Jahren, Sie haben Vorpommern genannt, bereits Millionenbeträge gegeben hat, die eingespart worden sind.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Und genau das kann nicht weitergehen.)

Und die Perspektive der Orchester und Theater ist auch deshalb bedrohlich, weil die Kommunen über die Idee der sogenannten Matching-Funds – das ist ein ganz zentraler Punkt im Gutachten, was für die Landesregierung erstellt worden ist – gezwungen werden sollen, sich stärker an der Theaterfinanzierung zu beteiligen.

Ich unterstelle, sehr geehrte Damen und Herren, dass Sie einschätzen können, dass die in der gestern vorgelegten Studie geforderten zusätzlichen 7 Millionen Euro, also außerhalb noch der 12 Millionen Euro Einsparungen, in den Kommunen kaum realisierbar sind, denn wir alle wissen sehr genau, wie problematisch die finanzielle Situation der Kommunen in Mecklenburg-Vorpom- mern derzeit ist, und die Perspektiven werden nicht rosiger.

Herr Minister Brodkorb, wer so vorgeht, der führt die Auseinandersetzung um die Perspektive der Theater und Orchester nicht an der Seite der Geburtshelfer, sondern an der Seite der Totengräber. Wer so vorgeht, straft diejenigen ab, die in der Vergangenheit schon beträchtliche Beiträge zur Finanzierung der Theater erbracht haben. Und wenn ich an das Theater Vorpommern denke, dann will ich an dieser Stelle auch deutlich sagen, man straft diejenigen ab, die in der Vergangenheit gespart haben und jetzt mit denen gleichgestellt werden, die das nicht getan haben. Und wer so vorgeht, der bürdet den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitere Lasten auf, obwohl sie in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Einbußen und auf der anderen Seite Beiträge geleistet haben. Und wer so vorgeht, das wird die Konsequenz sein, der zwingt die Kommunen, sich aus ihren Finanznöten heraus gegen die eigenen Theater und Orchester zu wenden.

Herr Minister Brodkorb, Sie haben gestern in unserer Fraktion auf eine Frage hin geantwortet, und ich fand die Antwort gestern sehr gut, aber ich will sie an dieser Stelle einmal versuchen zu relativieren, Sie würden an die Vernunft glauben,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

als es darum ging, wie denn die einvernehmliche Zustimmung der Beteiligten – übrigens in einem überaus begrenzten Zeitraum, wenn ich an die kommunalen Beteiligungsprozesse denke –, wie denn die einvernehmliche Zustimmung der Beteiligten zu einem der Modelle oder auch nur zu einer Mischung verschiedener Modelle zu erlangen ist, die einvernehmliche Beteiligung. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Vorgehen der Landesregierung vernünftig ist, zu verlangen, dass es möglich ist. Vernünftig wäre es, die Grundlagen für die Modellrechnungen zunächst noch einmal einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, endlich vom Dogma der eingefrorenen FAG-Mittel Abstand zu nehmen, um mit den Beteiligten in einen konstruktiven Diskussionsprozess einzutreten, ohne ihnen vorher die Pistole auf die Brust zu setzen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur dann, sehr geehrte Damen und Herren, können die Modellrechnungen hilfreich sein.

Ich fordere die Landesregierung daher ausdrücklich auf, ihre Herangehensweise noch einmal einer Über- prüfung zu unterziehen und neu auszurichten. Wenn Sie das so tun, dann können Sie mit der konstruktiven Mitarbeit der Bündnisgrünen-Fraktion rechnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Suhr.

Ich schließe die Aussprache und rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion der NPD – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 6/733.

Gesetzentwurf der Fraktion der NPD Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/733 –

In der 17. Sitzung des Landtages am 23. Mai 2012 ist die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die Ausschüsse abgelehnt worden. Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Landtages wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.