Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Doch, ich hätte wirklich keinen Spaß, mit einer so überheblichen Truppe zusammenzuarbeiten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jaja.)

Aber, lieber Kollege Müller, ich danke Ihnen dennoch für Ihren Redebeitrag, weil er in der Debatte der einzige war, der am Inhalt unseres Anliegens orientiert war.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Und da Sie uns geraten haben, Rat zu suchen bei den kommunalen Landesverbänden, will ich gern noch mal daran erinnern, was die jüngsten Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände zum aktuellen Stand des Zukunftsvertrages aussagen.

Der Landkreistag hat auf seiner Mitgliederversammlung, die erst neulich stattgefunden hat, vorsichtig formuliert, dass die Verhandlungen zum Zukunftsvertrag ins Stottern geraten seien, obwohl der Landkreistag selber bereits im Januar dieses Jahres – also nicht erst jetzt, lieber Kollege Reinhardt, sondern im Januar dieses Jahres – seine Vorschläge für einen Zukunftsvertrag auf den Tisch gelegt hat. Der Städte- und Gemeindetag hat sogar Ende 2011 seine Vorschläge für einen Zukunftsvertrag auf den Tisch gelegt und hat in seinem Geschäftsbericht festgestellt, das können alle nachlesen, dass der Zukunftsvertrag schon heute Rost ansetzt. Das ist also die Positionierung unserer kommunalen Landesverbände zum aktuellen Verhandlungsstand.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, der von mir hoch geschätzte Kollege Reinhardt hat uns gestern mit allerlei Weisheiten erfreut und ich will eine aufgreifen, nein zwei. Die erste – er hat gestern gesagt, an uns gerichtet, ich zitiere: „Zukunft hat bei Ihnen immer nur mit mehr Geld zu tun, auch wenn man es nicht hat.“

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Nun will ich Ihnen mal eine kleine Geschichte erzählen, wie CDU-Kommunalpolitik so funktioniert. Erst auf der letzten Kreistagssitzung hat die Kreistagsfraktion der CDU im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte beantragt, schon mal vorsorglich für den Haushalt 2013 600.000 Euro für den Kreissportbund einzustellen. Und denken Sie mal nicht, dass sie eine Deckungsquelle vorgelegt haben. Das ist Haushaltspolitik à la CDU. Wir haben es ja, lieber Kollege Reinhardt.

(Marc Reinhardt, CDU: Sind Sie jetzt auch noch gegen den Sport?)

Nein, wir sind nicht gegen Sport. Wenn Sie sich erinnern, haben wir dem Antrag sogar zugestimmt. Ich will Sie nur daran erinnern, dass Sie hier nicht kluge Reden halten können von wegen Haushaltsdisziplin und Deckungsvorschläge vorlegen, und im Kreistag so tun, als würde Sie das alles nichts angehen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und zum Zweiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun wissen wir, dass bei der CDU Zukunft etwas mit C zu tun hat, C wie Caffier – neuerdings C wie pöbeln –, ob das aber Zukunftsgarantie für die kommunale Ebene ist, das wage ich stark zu bezweifeln.

(Stefan Köster, NPD: C wie Chaosminister.)

Und eines, lieber Kollege Innenminister, sollte Ihnen zu denken geben: Sie brauchen inzwischen mehr Zeit, um zu erklären, was Sie nicht gesagt oder gemeint hätten. Das ist auch für einen Kommunalminister politisch schädlich. Politik lebt nämlich wesentlich von Kommunikation, es sei denn, wir leben in einer Basta-Politik. Und ich

glaube, das ist der Zustand, in dem wir uns gegenwärtig befinden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Reaktionen aus den einzelnen Landkreisen machen eins deutlich: Von der undifferenzierten Kommunalschelte des Innenministers zeigen sich alle rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kreisverwaltungen zutiefst betroffen. In Vorpommern-Greifswald fordert der Personalrat eine Entschuldigung des Ministers. In Nordwestmecklenburg fassen die Kreistagsfraktionen einen entsprechenden Beschluss. In Ludwigslust-Parchim wendet sich der Personalrat mit einem offenen Schreiben an den Innenminister. In Vorpommern-Rügen ist man entsetzt beziehungsweise nicht amüsiert. Und in der Mecklenburgischen Seenplatte fordert der Personalrat, die Vorwürfe zurückzunehmen.

(Minister Harry Glawe: Da habe ich nichts von gehört, Herr Kollege. – Udo Pastörs, NPD: So ist der kleine Ritter.)

Sehr geehrter Herr Innenminister, wenn Sie denn wirklich nicht alle gemeint haben von den 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dann sagen Sie heute, wen Sie gemeint haben, denn eine solch undifferenzierte Kritik trägt nicht dazu bei, die Probleme auf der kommunalen Ebene zu lösen. Und das ist auch kein Angebot für einen Zukunftsvertrag. Wenn Sie also nicht alle gemeint haben, dann kommen Sie nachher noch mal hierher, nennen Sie Ross und Reiter, damit wir auch mit diesen Kolleginnen und Kollegen vor Ort die Gespräche führen können, damit sie Ihre Erwartungserhaltung erfüllen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas unredlich ist es auch, einen SPD-internen – lieber Erwin, lieber Nor- bert –, allerdings offenen Brief in eine Schuldzuweisung an die dortige Landrätin umzubiegen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Denn auf diese Weise rückt aus dem Blickfeld, dass es die Politik vor allem von zwei SPD-Finanzministern war beziehungsweise ist,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

die die Kommunen dorthin gebracht haben, wo sie heute stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese brisante Finanz- situation lässt sich auch nicht etwa auf Vorpommern-Greifswald reduzieren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber die Finanzministerin war doch da, als Sie auch da waren, Herr Ritter.)

Eine Haushaltssperre kennen wir etwa aus Nordwestmecklenburg. Im Landkreis Rostock hat der Kreistag ohne Gegenstimmen einen Antrag beschlossen, die Landesregierung und den Landtag zu einem Umsteuern bei der kommunalen Finanzausstattung aufzufordern. Der Kreistag Ludwigslust-Parchim hat bei einer Stimmenthaltung ebenfalls einstimmig eine entsprechende Resolution verabschiedet.

Um Ihnen noch mal die Zahlen zu nennen, die Fehlbeträge, die aktuellen, in den laufenden Haushalten in den

Kreisen: Ludwigslust-Parchim 15 Millionen, Nordwestmecklenburg 4,5 Millionen, Landkreis Rostock 14 Millionen, Mecklenburgische Seenplatte 30 Millionen, Vorpommern-Greifwald 40 Millionen, Vorpommern-Rügen 14 Millionen – macht 117 Millionen. Sie merken also, dass Ihr Haushaltskonsolidierungsfonds nicht mal ausreicht, um den gegenwärtigen Schuldenstand der Landkreise auszugleichen.

(Udo Pastörs, NPD: Das war doch vorher klar.)

Und im Gegensatz zum Kollegen Heinz Müller, lieber Kollege Reinhardt, haben Sie offensichtlich nicht begriffen, dass beide Fonds schon gar nicht mehr Bestandteil dieses Zukunftsfonds sein können. Denn beide Fonds sind aufgelegt worden, beide Fonds sind schon verplant und werden ausgegeben, sie können also gar nicht für die Zukunft mehr wirken.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Wie können Sie sich dann hier hinstellen und sagen, beide Fonds sind ja schon ein Teil des Zukunftsvertrages? Das ist völliger Unsinn und das ist auch so vom Zukunftsvertrag – zumindest von uns und auch von der kommunalen Ebene – nicht gemeint, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Lorenz Caffier, CDU: Das stimmt nicht so.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kommunalpolitisch brennt es in diesem Land ganz offensichtlich. Und dazu hätte es gar nicht mal dieser Kreisgebietsreform bedurft, wie sie von Rot-Schwarz umgesetzt worden ist, aber das ist heute nicht das Thema. Deswegen will ich nur eine Frage an den Minister stellen: Wer ist gegenwärtig eigentlich verantwortlich für den Prozess der Umsetzung der Kreisgebietsreform im Innenministerium? Man hat mitunter den Eindruck, niemand.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zukunftsvertrag in unserem Land wird im Moment leider nur mit Krisengipfel übersetzt. Das ist der falsche Weg und hier muss rasch umgesteuert werden.

Und wie dringend ein anderer Stil im Umgang mit den Kreisen und Kommunen ist, will ich abschließend an zwei Beispielen demonstrieren:

Erstens. Die Landkreise erhalten ständig neue Aufga- ben – das betrifft Verwaltungen wie Vertretungen –, zum Beispiel das Bundeskinderschutzgesetz. Dieses Bundeskinderschutzgesetz ist seit dem 1. Januar 2012 in Kraft. Und diese Regierung schafft es jetzt – jetzt! –, den entsprechenden Vertrag den Kommunen zur Unterschrift vorzulegen.

Ich will nicht verhehlen, dass ich es gut finde, dass der Bund für die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes, einem sehr wichtigen Gesetz, finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, die über den Königsteiner Schlüssel in die Länder verteilt werden, dann in den Ländern noch mal eine neue Verteilung finden und der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte jetzt im Oktober für das Jahr 2012 noch 100.000 Euro für Personal- und Sachkosten erhalten soll. Das ist gut. Wenn man aber sieht,

wofür, dann steht in dem Vertragsentwurf zwischen der Landesregierung und der kommunalen Ebene für Personal- und Sachausgaben eine Koordinatorin für die zwingend – vom Gesetz vorgeschriebenen – zu bildenden Netzwerke im Landkreis.

In dieser Woche hat sich das Netzwerk Kinderschutz in der Mecklenburgischen Seenplatte gegründet. Und dort wurde über die Aufgaben gesprochen. Da geht es eben nicht nur um die Aufgaben der Koordinatorin, sondern es geht darum, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter Beratungen vor Ort durchführen müssen, dass sie die Familien zu Hause besuchen müssen, dass sie also zusätzliche Aufgaben erhalten, aus dem Bestand heraus, ohne zusätzliches Personal, ohne zusätzliche Zeit.

Und wenn diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Jugendamtes, in der überwiegenden Anzahl Frauen, dann vom Innenminister aus Schwerin einen schönen Gruß hören, sie stünden auf der Bremse, dann können Sie sich vielleicht vorstellen, in welcher Gemütsverfassung sich diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden, und das nicht nur im Jugendamt in der Mecklenburgischen Seenplatte, sondern überall, solange Sie nicht Farbe bekennen, wen Sie gemeint haben, Herr Innenminister.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Zweites Beispiel und abschließendes Beispiel: die hier schon vielfach diskutierte Thematik der Pflegestützpunkte. Auch hier gibt es von der Landesregierung immer wieder die Vorwürfe an die kommunale Ebene, sie würden auf der Bremse stehen, sie würden das alles nicht machen, sie wollen es nicht umsetzen, insbesondere die Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt.

Da will ich mal aus einem Brief zitieren, den der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages mit freundlichem Gruß an die Sozialministerin gerichtet hat. Ich zitiere:

„Sehr geehrte Frau Ministerin, Ihre Bewertung der kommunalen Mitwirkung beim Aufbau der Pflegestützpunkte im Land können wir nicht mittragen. Die kommunalen Landesverbände haben seit Beginn der Gespräche über die Einrichtung der Pflegestützpunkte darauf hingewiesen, dass es nicht von den Kommunen abhängt, ob Pflegestützpunkte eingerichtet werden. Vielmehr sind die Kranken- und Pflegekassen gesetzlich dazu verpflichtet, auch in unserem Bundesland flächendeckend Pflegestützpunkte einzurichten. Die Landkreise und kreisfreien Städte können sich beteiligen. Als kommunaler Spitzenverband treten wir dem konkreten Vorwurf gegen die Landeshauptstadt und ihrer Verwaltungsspitze entschieden entgegen.“ Zitatende.

Das ist die Meinung eines kommunalen Verbandes zu der immer wieder geäußerten Kritik der Landesregierung gegenüber der kommunalen Ebene.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wer ihm das wohl diktiert hat?! – Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)