Die Zeit seit 1990 war eine sehr bewegte. In Deutschland, in Europa, in der Welt hat sich viel verändert. So haben die Einheit, der Euro, die wirtschaftlichen und politischen Krisen die Gesellschaft und das Leben der Menschen tief greifend verändert. Nun sind historische Vergleiche sicherlich nicht angebracht, aber wann seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat es solche tief greifenden Veränderungen gegeben?
Wir wollen heute, wenige Tage vor dem 22. Jahrestag der Deutschen Einheit, die Anstrengungen und Leistungen der Menschen vor und nach der Wiedervereinigung würdigen.
Wir wollen aber auch Bilanz darüber ziehen, ob tatsächlich zusammengewachsen ist, was zusammengehört.
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Renz, CDU: Ja, das ist der Witz der Geschichte.)
Und wir haben nicht vergessen, was in der DDR passiert ist. Deswegen sagen wir, die Anstrengungen und Leistungen der Menschen vor der Vereinigung und nach der Vereinigung sind zu würdigen.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Hat denn jemand was anderes gemacht?)
Am 3. Oktober trat die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland bei. Für viele Menschen ist dies ein historisches Ereignis und nicht nur mit positiven, sondern auch mit schmerzlichen Erfahrungen verbunden, denn viele standen vor einem Scherbenhaufen ihrer Existenz. Lebensleistungen der Bürgerinnen und Bürger aus der DDR wurden nicht anerkannt. Viele fühlten und fühlen sich noch als Bürger zweiter Klasse. Hinzu kamen – das dürfen Sie doch nicht vergessen, Herr Renz – Unsicherheiten und Zukunftsängste.
Herr Renz, ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass DIE LINKE den entscheidenden Beitrag leisten wird, dass die Deutsche Einheit vollendet wird. Und wir sind die einzige Fraktion, die einen Antrag zur Deutschen Einheit hier stellt in dieser Landtagssitzung.
Die Anstrengungen und die Leistungen der Menschen, die sich nach der Wiedervereinigung in einem gänzlich anderen Rechts- und Wirtschaftssystem wiederfanden,
In den 22 Jahren hat sich in Mecklenburg-Vorpom- mern und im gesamten Osten Deutschlands vieles geändert. Ja, vieles hat sich zum Positiven verändert und viele von uns waren daran beteiligt. Ich meine jetzt ausdrücklich die demokratischen Fraktionen und die Menschen im Land. Beispielhaft will ich die Infrastruktur, den Umweltschutz, die Entwicklung der Städte und Dörfer nennen. Im Positiven wie im Negativen hat der Osten dem Westen viele Erfahrungen voraus. Nicht von ungefähr sprechen ja einige vom Experimentierfeld Ost. Ich spreche lieber vom Erfahrungsvorsprung der Ostdeutschen.
Aber wer Bilanz zieht, darf auch die Augen nicht vor den Realitäten verschließen. Und deswegen müssen wir heute auch über die Probleme und die künftigen Entwicklungen und damit die Herausforderungen für die ostdeutschen Länder sprechen.
Dabei ist es im Übrigen nicht sinnvoll, wenn einige Länder ihre Solidarität aufkündigen und behaupten, der Aufholprozess der ostdeutschen Länder sei bereits abgeschlossen. Es wird immer wieder das Argument ins Feld geführt, dass bereits mehr als 1,4 Billionen Euro in den Osten gesteckt worden seien und dies doch wohl genug sei. Die neueste Studie von Roland Berger Consultants zeigt allerdings, dass von dieser Summe lediglich 20 Prozent für sogenannte ostspezifische Leistungen eingesetzt wurden.
Ich will die Unterstützung der anderen Bundesländer überhaupt nicht kleinreden, aber eine weitere Unterstützung zu verweigern, ist unsolidarisch. Da gab es, Herr Renz, auch hier immer einen Konsens in diesem Hohen Hause.
Und deswegen spalten wir nicht, sondern wir leisten einen Beitrag zur Entwicklung in Ostdeutschland.
Genau das wäre ein denkbar schlechtes Signal. Denn das, was einige Westländer fordern, dass das Realität wird, das nenne ich ein denkbar schlechtes Signal für das Zusammenwachsen der deutschen Nation.
Es ist nicht hilfreich, sich die Daten und Fakten schönzureden, gerade in den ostdeutschen Ländern. Und während Minister Glawe, wie ich das schon erfahren konnte, heute über die wirtschaftliche Situation sprechen will, wollen wir nicht ausschließlich über die wirtschaftliche Entwicklung sprechen. Wir sehen das als gesamtgesellschaftlichen Prozess. Wenn aber Minister Glawe zu berichten weiß, dass sich Mecklenburg-Vorpommern auf Rang 5 im Dynamikranking befindet, dann unterschlägt er das niedrige Niveau, auf dem wir uns befinden im Vergleich zu den anderen Bundesländern.
Im Gegenteil, die wollen wir unterstreichen, selbstverständlich. Aber es ist wichtig, sich den Tatsachen zu stellen und alle Fakten auf den Tisch zu legen. Und dazu gehört, dass die Wirtschaftsleistung in den neuen Ländern auch nach 22 Jahren Wiedervereinigung lediglich bei 67 Prozent liegt. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Entwicklung stets schlechter ausgefallen als im Bundesdurchschnitt.
Das Bruttoinlandsprodukt ist in Mecklenburg-Vorpom- mern mit 21.363 Euro pro Person das niedrigste überhaupt im deutschen Vergleich. Und die Produktivität der ostdeutschen Länder liegt bei 71 Prozent des westdeutschen Niveaus.