Protokoll der Sitzung vom 05.12.2012

Wie will man da die Umsetzung des eigenen Koalitionspunktes kontrollieren, wenn man feststellt, eigentlich geht das gar nicht. Oder will man es nicht? Dabei wurden bereits Verfahren zur Entgeltüberprüfung entwickelt, zum Beispiel Logib-D, das steht für „Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland“. Die Landesregierung könnte es selbst in den Ministerien und nachgeordneten Behörden anwenden und so auch beispielgebend für die Unternehmen im Land vorangehen. Mit ihrer passiven Haltung stiehlt sich die Landesregierung aus ihrer Verantwortung. Was bleibt, sind Tariftreueerklärungen und Mindestentgeltregelungen, sie enthalten keine Regelungen zur Geschlechtergerechtigkeit, aber das genügt der Landesregierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichstellung muss Querschnittsaufgabe sein und darf nicht einer der vielen

Punkte in einem Superministerium sein, auch oder gerade weil es nur noch eine Abteilung im Sozialministerium gibt und nicht mehr das Amt der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Ministerpräsidenten, der den unverantwortlichen Wegfall des Amtes vergeblich mit Pauken und Trompeten zu übertönen versuchte. Für uns ist das immer noch der gravierendste Einschnitt in die Gleichstellungspolitik des Landes, weil damit Gleichstellungspolitik der Landesregierung eben nicht mehr Chefsache ist.

Der Gleichstellungsbericht stellt „gravierende ge

schlechtsbezogene Unterschiede in den Strukturen des Landesdienstes“ heraus und bemängelt zeitgleich, dass über die Ursachen kaum eine Aussage getroffen werden kann. Und weiter heißt es, ich zitiere: „Die Frage nach Ursachen und Reproduktionsmechanismen dieser Unterschiede ist aus gleichstellungspolitischer Perspektive aber von solchem Gewicht, daß ihr durch weiterführende Analysen nachgegangen werden sollte … Denn wie die Ergebnisse der hier vorgelegten Untersuchung belegen, ist gezielte gleichstellungspolitische Intervention in keiner der Beschäftigtengruppen überflüssig geworden.“ Zitatende, nachzulesen auf Seite 36.

Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, diese Defizite, die im Gleichstellungsbericht beschrieben werden, zu beseitigen und konkrete Maßnahmen dafür in der geplanten Gesetzesinitiative zu treffen.

Bundesweite Umfragen haben ergeben, dass circa die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden ist. Die Gründe sind unter anderem schlechte Arbeitsbedingungen, Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, unterwertige Beschäftigung, schlechte beziehungsweise ungerechte Bezahlung, fehlende Aufstiegschancen, unerwünschte Teilzeitbeschäftigung.

Wichtig ist also, liebe Kolleginnen und Kollegen, bestehende Ungerechtigkeiten auszubalancieren und Wahlmöglichkeiten für die Frauen und Männer zu schaffen, nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Im Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst ist zum Beispiel in Paragraf 8 ein Rechtsanspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz nach einer Beurlaubung zur Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen verankert.

Diese und weitere Regelungen brauchen wir auch in der Privatwirtschaft, in den anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Wir können diese Regelungen nicht nur auf den öffentlichen Dienst beschränken. Deshalb sollen alle Möglichkeiten genutzt werden, Vorgaben zur Gleichstellung auch in den privaten Bereich zu übertragen. So können zum Beispiel Maßnahmen zur Gleichstellung und gezielten Frauenförderung genauso in die Geschäftskonzepte und -bilanzen von Unternehmen integriert werden, wie es bereits bei Maßnahmen und Kriterien zum Umweltschutz der Fall ist.

Die Fraktion DIE LINKE hat bereits im März 2012 einen Gesetzentwurf für eine Novelle des Gleichstellungsgesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf wurde aber abgelehnt und nicht einmal in die Ausschüsse überwiesen. Damit wurde die Möglichkeit zu einer vertiefenden Diskussion und der Arbeit an diesem Thema vertan, aber das kennen wir ja von dieser Koalition. Ich habe deshalb auch diesen Gesetzentwurf zurückgezogen, weil ich nicht die

Lust hatte, mir hier dann anhören zu müssen, dass es seit der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes ja keine neuen Erkenntnisse gegeben habe und man deshalb den Gesetzentwurf auch bei der Zweiten Lesung ablehnen müsse.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir, dass wir hiermit in einen Diskussionsprozess eintreten können und die Erkenntnisse nutzen, um das Schiffchen Gleichstellung nicht mit Mann und Maus beziehungsweise Frau untergehen zu lassen, sondern dass wir Flagge zeigen und volle Kraft voraus gehen können. Die vorliegende Unterrichtung kommt einerseits zu spät, sie enthält andererseits viele richtige Feststellungen, die aber nur dann Sinn machen, wenn sie in den konkreten Gesetzgebungsvorhaben auch endlich berücksichtigt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau FriemannJennert für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat von Flora Wisdorff beginnen, das sie als Kommentar zu einer Onlinestudie der Jobbörse StepStone für „Die Welt“ geschrieben hat: „Wer gerne viel Geld verdienen möchte, kann einiges dafür tun: zum Beispiel Jura studieren, promovieren, für eine große Unternehmensberatung arbeiten – und in Hessen wohnen.“

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und keine Kinder.)

„Noch einfacher geht es sogar, wenn man ein Mann ist.“ Nun, das mag ein wenig sarkastisch sein, gemein sein, aber es ist was dran.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist Realität.)

Branche, Wohnort und Geschlecht bestimmen das Einkommen, zu den 10 Flopbranchen für Frauen gehört laut StepStone der öffentliche Dienst. Insofern wusste ich wirklich nicht, ob ich über den vorliegenden Bericht lachen oder weinen sollte. Er stellt für beide Jahre dasselbe fest, eine Entwicklung ist insofern nicht dargestellt. Das Geschlechterverhältnis im Landesdienst Mecklenburg-Vorpommern ist recht verfestigt und wird sich, wenn überhaupt, in aller Regel nur schritt-, ich sage mal schrittchenweise verändern.

Allen Analysen zu diesem Gleichstellungsbericht kann entnommen werden, dass es nach wie vor Geschlechterunterschiede gibt, die überwiegend zulasten der weiblichen Beschäftigten gehen. Selbst wenn die Datenbasis bekanntlich nicht ganz frisch sein kann, es Frauenförderpläne gibt, einen Leitfaden für die sprachliche Gleichbehandlung, das Gleichstellungsgesetz selbst, einen Passus im Koalitionsvertrag, geschlechtersensible Beurteilungsrichtlinien in Kraft getreten sind und eine Länderarbeitsgruppe ins Leben gerufen wurde, ist zu konstatieren, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass drei Ministe

rien von Frauen geleitet werden und noch ein paar Staatssekretärinnen und Abteilungsleiterinnen seit 2011 in den Ressorts arbeiten.

Im Bereich des höheren Dienstes, und da spreche ich bewusst die Dienstposten A 16 an, sieht es auch einigermaßen dünn aus mit der Frauenansiedlung.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, sehr übersichtlich.)

In den Gremien hat sich dagegen richtig was getan. Über die Hälfte der Mandate ist inzwischen von Frauen besetzt, das kann man durchaus lobend erwähnen.

Frauen sind in den Geschäftsbereichen der Landesregierung stärker vertreten als Männer, beamtet sind dagegen deutlich weniger und sie verbleiben auch deutlich länger in den unteren Besoldungsgruppen und Tarifebenen. Aufstiege gestalten sich demnach für Frauen schwieriger und das heißt auch, dass sie weniger verdienen.

Extreme Geschlechterunterschiede zugunsten der Männer zeigen sich vor allem in Beurteilungen, die mit einem beruflichen Aufstieg verbunden sind. Die Frage lautet: Ist das ein Indiz dafür, dass Beurteilungen auch durch ergebnisorientierte personalstrategische Überlegungen

mitbestimmt sind? Spezifische Beurteilungskriterien wie Ausdrucksvermögen, Führungsverhalten und Kooperation sowie Belastbarkeit fielen immer zugunsten der männlichen Kollegen aus.

Die Aufgabe der Persönlichkeitsbeurteilung mithilfe abstrakter Kriterien erfordert ein hohes Maß oder ein hohes Niveau an fachpsychologischer diagnostischer Professionalisierung, steht darin, und ich weiß nicht, ob sich das Land so knallharte Profiler leisten kann und will. Darf bei dem Beurteiler oder der Beurteilerin kein Quäntchen Subjektivität eine Rolle spielen? Es gibt keinen Menschen, der emotions- und vorbehaltlos, frei von Vorur- teilen, Eigeninteressen oder/und personalstrategischen Überlegungen ist.

Im Bericht ist die Rede von einem Objektivitätsanspruch, der sich ins Gegenteil verkehrt. Von Scheinobjektivität ist die Rede, welche sich offensichtlich beim Übergang in höhere Tarifgruppen einschleicht. Solange Regelbeurteilungen beruflichen Aufstieg eher unwahrscheinlich erscheinen lassen, unterscheiden sich die Beurteilungen zwischen den Geschlechtern nicht wesentlich und nicht systematisch. Wird die Grenze überschritten, fallen Beurteilungen zuungunsten der weiblichen Bediensteten aus. Und selbst wenn Frauen gut bewertet werden, fallen die Beurteilungen der Männer einen Tick besser aus.

Und dann hat mich ein Satz aufhorchen lassen, nach dem es erstmalig Hinweise darauf gibt, dass der Familienstand „verheiratet“ für weibliche Angestellte aus der unteren Tarifebene im Unterschied zu weiblichen Beamten als Aufstiegsbarriere wirken kann. Leider fehlt dazu eine Interpretation, aber ich kann meiner Fantasie so auch freien Lauf lassen.

(allgemeine Unruhe)

Mehrfach betont wird, meine Damen und Herren, dass die Analyse anhand der nutzbaren Datenbasis die Frage nach Ursachen und Repräsentationsmechanismen der

geschlechterbezogenen Unterschiede nicht beantworten kann. Da macht der Datenschutz einen dicken zu respektierenden Strich durch die Rechnung, valide Aussagen können damit gar nicht zustande kommen.

Ferner existieren auch unter Landesbediensteten geschlechterbezogene Klischees und Rollenbilder, wovon das Personal mit Führungskompetenzen nicht ausgenommen ist. Worüber ich schmunzeln musste, war die Feststellung, dass Frauen im Landesdienst noch immer überrepräsentiert sind, sich das Geschlechterverhältnis aber mit der Reduzierung des Personalbestandes zu ihren Ungunsten veränderte. Da hat sich mir die Frage aufgezwängt, was wir denn bezwecken. Mit der Annahme, dass sich das Geschlechterverhältnis in der hohen Tarifebene künftig mit dem gleichen Tempo wie bisher auf den Wert 67 Frauen auf 100 Männer zu bewegen würde, wäre Geschlechterparität – ja, Sie hören richtig – in 27 Jahren erreicht.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Na immerhin, das ist überschaubar.)

Meine Damen und Herren, ich orakle mal, dass wir nie dahin kommen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist ja fast wie mit der Rente.)

Ich denke, das ist auch gar nicht gewollt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.)

Und um noch einen draufzusetzen, verweise ich auf einen Artikel aus dem „Tagesspiegel“ vom 22.11., in dem es um Frauen in Führungspositionen ging. Nach einer Studie des DIW steht der öffentliche Dienst danach bei der Gleichstellung teilweise noch schlechter da als die Vorstände börsennotierter Unternehmen. Nach dieser Studie würde es zum Beispiel in den öffentlichrechtlichen Geldhäusern 792 Jahre bis zur Gleichstellung dauern. Untersucht wurde auch der Frauenanteil in Beteiligungsunternehmen der Länder. Mecklenburg-Vorpom- mern gehört zu den Schlusslichtern.

Neulich wurde uns der Mecklenburg-VorpommernMonitor 2012 vorgestellt. Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, was die 1.000 Teilnehmer zu der Frage, welche Aufgabenbereiche für Mecklenburg-Vor- pommern künftig von Bedeutung sein können, geantwortet haben. Nur drei will ich Ihnen nennen.

An erster Stelle würden 85 Prozent der Befragten weitere zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen sehen wollen, 78 Prozent wollen den Rechtsextremismus bekämpfen und ganz am Ende der Liste möchte nicht mal ein Viertel der Befragten Frauen in Führungspositionen wissen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Es gibt also bestimmt noch viel zu tun, sehr viel. Aufgepasst werden muss im Landesdienst, dass zum Beispiel die Geschlechterabhängigkeit von Beurteilungen durch Quotenregelung nicht verstärkt wird. Die Gefahr besteht tatsächlich. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Friemann-Jennert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Bericht der Landesregierung über die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes beweist einmal mehr, zwischen der rechtlichen Gleichstellung und der tatsächlichen Gleichstellung können mitunter Welten liegen. Aber damit die Welten zueinanderfinden, reicht eines nicht: bloßes Bemühen.

Wer Gleichstellung ernst nimmt, setzt klare Rahmenbedingungen, sensibilisiert, macht Gleichstellungsprozesse verbindlich und erhöht die Genderkompetenz. Denn wer erkennt, dass Gleichstellungspolitik Innovationspolitik ist, gibt sich nicht damit zufrieden, dass allen Förderplänen – ich zitiere aus der Unterrichtung – entnommen werden kann, Zitatanfang, „dass die Behörden bemüht sind, die Vorgaben für die Erstellung eines Frauenförderplans im Sinne von § 3 GIG M-V umzusetzen“, Zitatende. Wer erkennt, dass Gleichstellungspolitik Innovationspolitik ist, braucht keine Analyse, um festzustellen, dass es nicht ausreicht, ins Zitat wieder, „die Besetzung der Bereiche in der jeweiligen Dienststelle lediglich zahlenmäßig zu erfassen“, Zitatende.

Wer erkennt, dass Gleichstellungspolitik Innovationspolitik ist, sorgt dafür, dass sprachliche Gleichstellung nicht bei der Erstellung eines Leitfadens aufhört. Und wer erkennt, dass Gleichstellungspolitik Innovationspolitik ist, braucht nicht Jahre, um von der Erkenntnis, dass das gegenwärtige Beurteilungssystem Geschlechterunter