Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, machen Sie jetzt den Weg frei für ein modernes und innovatives Erwachsenenstrafvollzugsgesetz und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einzelnen Fragen des vorliegenden Gesetzes komme, möchte ich eines feststellen: Eine Sternstunde der Demokratie war der bisherige Verlauf der Beratung des Gesetzentwurfes hier im Landtag und im federführenden Ausschuss nicht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warum denn nicht?)

Während der Debatte zur Ersten Lesung des Gesetzentwurfes habe ich festgestellt, dass das Gesetz eine gute Basis sei. Gleichzeitig habe ich Probleme angesprochen, wo es aus meiner Sicht Nachbesserungen geben müsste. Leider sahen dies die Koalitionäre im Europa- und Rechtsausschuss nicht so. Sämtliche Änderungsanträge der demokratischen Opposition wurden diskussionslos vom Tisch gewischt.

(Michael Andrejewski, NPD: Na so was!)

Nun will ich gleich vorwegsagen: Ja, die Änderungsanträge meiner Fraktion kamen sehr kurzfristig.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach!)

Sie könnten sich nun damit herausreden, dass Sie sich damit nicht auseinandersetzen konnten, aber, und auch das gehört eben zur Wahrheit, 80 Prozent unserer Vorschläge deckten sich mit den Vorschlägen von BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, die Sie früher hatten und alle ebenfalls diskussionslos vom Tisch gewischt haben.

Sie haben es also nicht einmal für nötig erachtet, die Ablehnung zu begründen. Ich hätte es noch verstanden, wenn Sie Anträge, die mit der Bereitstellung von finanziellen Mitteln in Verbindung stehen, abgelehnt hätten, da Sie ja nach wie vor davon überzeugt sind, dass dieses Gesetz kostenneutral umgesetzt werden kann, oder wenn die Anhörung im Ausschuss ergeben hätte, dass das Gesetz im Wesentlichen so übernommen werden kann. Tatsächlich wurden von den Anzuhörenden erhebliche Bedenken geäußert. Es tauchte sogar die Befürchtung auf, Teile des Gesetzes seien verfassungswidrig. Auch deshalb ist es keine Sternstunde des Parlamentes.

In der sachlich fundierten Anhörung zeigten die Sachverständigen den Änderungsbedarf auf, nur in einem Fall wurde dies halbherzig durch Sie aufgegriffen. Das beweisen die von Ihnen eingebrachten Änderungsvorschläge, die sich im Wesentlichen ansonsten auf redaktionelle Änderungen beschränkten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Keine Sternstunde.)

Meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu sagen: Die Anzuhörenden stellen in der Anhörung erhebliche Nachbesserungen in den Raum, untersetzt mit konkreten Formulierungen. Sie greifen diese nicht einmal auf. Die Anträge der Oppositionsfraktionen, die diese Hinweise aufgegriffen haben, wischen Sie ohne Begründung vom Tisch. Tolle Leistung, kann ich hier nur sagen!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Danke.)

Meine Damen und Herren, nun ist es ja nicht das erste Mal. Offensichtlich ist das das Ziel der Koalitionsfraktionen, wie wir nicht nur in diesem Fall erleben durften.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Reden Sie auch mal irgendwann zum Gesetzentwurf oder müssen wir das Geheule noch lange ertragen?)

Erinnert sei an dieser Stelle an die Schlussfolgerung aus der Anhörung zur Volksinitiative für eine bürgernahe Gerichtsstruktur. Es geht hier auch nicht allein um den Umgang mit der Opposition,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, oh, mir kommen gleich die Tränen!)

sondern um den demokratischen Umgang im Parlament und um den Umgang mit den Sachverständigen, die viel Zeit investierten, um uns auf konkrete Mängel hinzuweisen und uns Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Nicht nur aus deren Sicht ist doch zu hinterfragen, warum wir diese Anhörung überhaupt noch durchführen.

Meine Damen und Herren, bei der Überweisung des Gesetzentwurfes bin ich davon ausgegangen, dass wir gemeinsam die Chance wahrnehmen, im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ein vernünftiges Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben wir keins im Sinne der Bürger gemacht? Aha!)

Das Ergebnis ist niederschmetternd. Wer aber von Ihnen der Meinung ist, er bringe hier ein modernes und durchdachtes Strafvollzugsgesetz auf den Weg, der befindet sich gehörig auf dem Holzweg.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah ja!)

Ich habe in der Ersten Lesung die Befürchtung geäußert, dass die Resozialisierung von Straftätern mit diesem Gesetz zum reinen Lippenbekenntnis verkommen würde. Ich muss sagen, nach der Erarbeitung der Beschlussempfehlung im Ausschuss sehe ich mich da deutlich bestärkt. Ich möchte das an einigen ausgewählten Fragen deutlich machen.

Herr Dr. Dünkel, Professor der Universität Greifswald, selbst beteiligt an der Erarbeitung des Mustergesetzes der zehn Länder, hat in seiner Stellungnahme geschrieben: „Nur gut gemeint reicht nicht!“ Das ist genau der Punkt. Ja, es ist zu begrüßen, dass die Resozialisierung in den Vordergrund gestellt wird. Aber sie müssen dann auch organisatorisch und institutionell abgesichert sein. Das ist in diesem vorliegenden Gesetzentwurf eben nicht der Fall, Beispiel: Wohngruppenvollzug.

Paragraf 9 Absatz 1 sieht die Unterbringung in einer Wohngruppe vor. Die institutionelle Absicherung in Paragraf 93 Absatz 3 fehlt aber. Dazu gab es einen Änderungsantrag der Opposition. Wie wir wissen, ist er abgelehnt worden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Die Formulierung zu dessen Einrichtung fehlt im Gesetz. Und genau das ist es, was ich mit den Lippenbekenntnis

sen meine. Wenn der Wohngruppenvollzug nicht als Regel festgeschrieben wird, warten wir sicher ewig darauf, bis er zur Regel wird. Solange entlassen wir eben Häftlinge, die mehrere Jahre unter Verschluss in Einzelzellen verbracht haben. Ob das ihre soziale Kompetenz gesteigert hat, lasse ich jetzt mal dahingestellt sein.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Natürlich befürworten wir ganz klar die Einzelunterbringung von Strafgefangenen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gut, dass Sie das feststellen.)

Allerdings halten wir auch die sozialen Kontakte innerhalb von Wohngruppen für enorm wichtig. Natürlich kostet die Vorhaltung derartiger Baulichkeiten Geld, das ist klar. Allerdings geht es nur um die Schaffung einer Sollvorschrift. Auf die Festschreibung eines Personalschlüssels für den Wohngruppenvollzug, wie es dort Dr. Lesting in der Anhörung forderte, oder die Festsetzung eines Zeitplanes, wie es Professor Dünkel und die Rechtsanwältin Frau Speckin forderten, sind wir hier dabei noch gar nicht eingegangen. Wir haben unsere Forderung also auch mit Bedacht und Rücksicht auf die Landesfinanzen gestellt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, ist ja ganz neu!)

Sie finden sie in unserem Entschließungsantrag wieder. Es besteht aber noch die Chance, dies zu heilen, indem Sie unserem Entschließungsantrag zustimmen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Werden wir nicht tun.)

Schauen wir uns doch den Bereich „offener Vollzug“ an. Mecklenburg-Vorpommern hat im Vergleich zu den süd- lichen Bundesländern den offenen Vollzug gut ausgebaut, liegt aber im bundesdeutschen Vergleich immer noch unter dem Durchschnitt. Wenn wir, wie im Gesetz verankert, den offenen Vollzug als Regelvollzug festschreiben,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann fragen Sie mal den Bürger!)

dann müssen wir auch die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Auch hier setzt unser Entschließungsantrag an. Gleichzeitig sollten wir dann aber auch, wie von Professor Dünkel vorgeschlagen, im Paragrafen 15 Absatz 2 die Regelung des Paragrafen 38 Absatz 2 wortgleich übernehmen. Es ist doch für die Gefangenen nicht einzusehen, warum im Rahmen von Lockerungen zur Erreichung des Vollzugszieles andere Maßstäbe gesetzt werden. Eine Begründung konnte diesbezüglich auch nicht gegeben werden.

Der Gesetzentwurf ist, und auch das habe ich bereits in der Ersten Lesung betont, auch insoweit nicht mutig, weil hier wieder festgeschrieben wird, dass bei Lebenslänglichen die Vollzugslockerungen erst nach zehn Jahren greifen sollen. Andere Länder, wie zum Beispiel Brandenburg und Hamburg, haben hier keine Fristen festgelegt. Das ist auch richtig, denn wenn wir diese Resozialisierung wirklich ernst nehmen, sollte in dieser Entscheidung in erster Linie die Missbrauchsprognose eine Rolle spielen und nicht die Mindestverbüßungszeit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Frau Borchardt, die sitzen doch nicht, weil sie mit Wattebäuschen geschmissen haben! Mann, Mann, Mann, Mann!)

Mit der Resozialisierung sollte doch am ersten Tag der Inhaftierung begonnen werden. Leider haben wir offensichtlich Angst vor der öffentlichen Darstellung in den Medien. Dem hätte man auch mit einer offensiven Argumentation entgegentreten können. Denn eines steht doch fest: Einen Rechtsanspruch haben die Inhaftierten auf die Lockerung weder bei keiner Festlegung noch nach einer Frist von zehn Jahren. Hier ist immer eine Einzelfallprüfung vorgeschaltet.

Kommen wir zum Abschnitt „Arbeitspflicht“. Zunächst war ich etwas irritiert, als ich im Paragrafen 22 des Gesetzentwurfes „Arbeitspflicht“ las. Das las sich zunächst sehr nach Zwangsarbeit. Bei genauerem Hinsehen …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh Gott, oh Gott! Da schießen Sie mal wieder mit Kanonen auf Spatzen.)

Warten Sie doch mal ab! Warten Sie doch einfach mal ab! Sie reden hier dauernd dazwischen, ohne vom Sachverhalt irgendeine Ahnung zu haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das machen Sie doch auch immer bei sich. Ach Gott, oh Gott!)

Ich gehe mal davon aus, dass Sie die Unterlagen überhaupt nicht gelesen haben. Aber Sie haben ja zu allem eine Auffassung und insbesondere zu den Ansagen der Opposition. Bei genauerem Hinsehen …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Also im Gegensatz zu Ihnen war ich schon mal im Anstaltsbeirat.)

Bellen Sie weiter, das kennen wir doch schon alles! Irgendwann …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, mach ich auch, Frau Borchardt.)