(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kommen Sie zum Ende! Die Zeit ist abgelaufen. – Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1756. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1756 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD angenommen.
Die Fraktion der SPD hat eine Auszeit von fünf Minuten beantragt. Ich unterbreche die Sitzung für fünf Minuten bis 10.55 Uhr.
Da es einige Irritationen über den Fortgang beim letzten Antrag gab, muss ich mich korrigieren, was das Abstimmungsergebnis zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1756 angeht. Gibt es dazu Widerspruch oder sollen wir die Abstimmung wiederholen? – Das ist nicht der Fall.
Ich korrigiere noch mal: Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1756 ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt.
Ich rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Für eine Willkommenskultur in Mecklenburg-Vorpommern – Menschen mit Migrationshintergrund bereichern unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben, Drucksache 6/1758.
Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine Willkommenskultur in Mecklenburg-Vorpommern – Menschen mit Migrationshintergrund bereichern unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben – Drucksache 6/1758 –
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD und CDU darauf verständigt, die Zugänge zu Bildung, Arbeit und Erwerbstätigkeit für Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern, sich für eine raschere und unbürokratische Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen einzusetzen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Gleichzeitig setzen Sie sich dafür ein, die gleichberechtigte Teilhabe und aktive Partizipation von Migrantinnen und Migranten in allen Lebensbereichen weiter zu verbessern, die interkulturelle Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger stärker zu fördern und Angebote speziell für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Migrantenfamilien in der frühkindlichen schulischen und beruflichen Bildung weiterhin vorzuhalten und dabei das Erlernen der deutschen Sprache in den Mittelpunkt zu stellen.
Auch wenn unsere Meinungen im Hinblick auf die konkrete Umsetzung auseinandergehen, die Ziele werden von allen demokratischen Fraktionen in diesem Landtag geteilt. Das bringt der Antrag „Für eine Willkommenskultur in Mecklenburg-Vorpommern – Menschen mit Migrationshintergrund bereichern unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben“ zum Ausdruck und das ist sehr zu begrüßen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass uns die von der Koalition vereinbarten Ziele nicht weit genug gehen. Das bedeutet nicht, dass wir diesen Antrag nicht gerne mittragen. Ab und zu ist es wichtig, sich auf gemeinsame Ansätze zu verständigen und diese auch kundzutun.
Das bedeutet aber auch nicht, dass ich darauf verzichten werde, Ihnen in meiner Rede die Position der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nahezubringen, und ich fange jetzt an.
Politisch Verfolgte genießen nicht nur Asylrecht, sie haben darüber hinaus ein Recht auf Leistungen, die ein
menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten. Das Asylbewerberleistungsgesetz hat sich als dafür ungeeignet erwiesen.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene für die Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes einzusetzen. Stattdessen sollte der Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, das ist die Grundsicherung für Arbeitssuchende und die Sozialhilfe, einsetzen und um die bisher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen ergänzt werden.
Die Aufhebung der Residenzpflicht für bestimmte Aufenthaltsbereiche in Mecklenburg-Vorpommern hat sich bewährt. Wir fordern daher die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene für eine vollständige Abschaffung der Residenzpflicht einzusetzen. Mit der Residenzpflicht gilt in Deutschland ein in Europa einzigartiges System der Aufenthaltsbeschränkung, das tief in die Rechte der Flüchtlinge eingreift.
Diese sind nicht nur verpflichtet, ihren Wohnsitz in dem ihnen zugewiesenen Gebiet zu nehmen, vielmehr dürfen sie den ihnen zugewiesenen Aufenthaltsraum, zum Beispiel den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde, auch nicht verlassen, es sei denn mit einer behördlichen Verlassenserlaubnis für eine kurze Zeit.
Diese unnötig restriktive Regelung führt zu einer erheblichen Einschränkung der Freizügigkeit der Betroffenen und oft zu deren weitgehender sozialer Isolation. So wird ihre Teilnahme an kulturellen, politischen und religiösen Veranstaltungen unzulässig eingeschränkt und ihr Zugang zu einer erforderlichen ärztlichen und/oder psychologischen Behandlung wesentlich erschwert.
Es gibt einen dritten Punkt: Es ist in der Tat zu begrüßen, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie gedul- dete Flüchtlinge nach der Konzeption der Landesregierung zur Förderung der Integration von Migrantinnen und Migranten in den Integrationsprozess einbezogen werden, soweit es ungeachtet ihres zunächst vorübergehenden Aufenthaltes geboten ist. Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung dazu auf, dem Beispiel Hamburgs zu folgen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie geduldeten Flüchtlingen eine Teilnahme an einem Integrationskurs zu ermöglichen. Bisher ist diese nur für Ausländerinnen und Ausländer mit dauerhaftem Aufenthalt vorgesehen.
Es gibt einen vierten Punkt: Nach Paragraf 53 des Asylverfahrensgesetzes sollen Asylsuchende in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden,
nur liegen diese Unterkünfte oftmals fernab jeglicher In- frastruktur – Sie erinnern sich an unsere Diskussion zu Horst – und sind häufig in schlechtem baulichem Zustand.
Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern und Kulturkreisen leben auf engstem Raum und unter schwierigsten Bedingungen zusammen. In jüngster Zeit sind die Kapazitätsgrenzen der Unterkünfte häufig erreicht beziehungsweise überschritten worden. Und die lange Dauer der Asylverfahren verstärkt die Unsicherheit und Perspektivlosigkeit ihrer Bewohner.
sich auf Bundesebene für eine Umkehr des RegelAusnahme-Verhältnisses in Paragraf 53 des Asylverfahrensgesetzes einzusetzen und auf Landesebene den ihr eingeräumten Handlungsspielraum voll auszuschöpfen. Asylsuchende sollen in der Regel in Wohnungen untergebracht werden.
Wie lässt sich die Arbeit, die noch vor uns liegt, am besten beschreiben? Vielleicht anhand von Ivonas Geschichte: Ivona Papak stammt aus Bosnien, sie ist als Kind vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen. Rückblickend sagt sie, ich zitiere: „Und ich war ein stures und naives Kind, das sehr viel Wut in mir getragen hat. Und ich wollte nicht Deutsch lernen und ich habe mich geweigert überhaupt irgendwas anzunehmen. Und hab‘ immer gesagt. Ich bin hier gekommen und warte bis Krieg zu Ende ist und dann geh‘ ich nach Hause.“