Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Lassen Sie mich eins vorwegschicken: Frau Gajek, die Erkenntnis, dass der Datenschutzbeauftragte eine Landesbehörde ist, ist mir neu. Soweit ich weiß, wird er vom Landtag direkt eingesetzt und ist eine unabhängige Behörde. Insofern greift Ihr Argument,
Eigentlich sollte es ja eine Selbstverständlichkeit sein, dass Personen allein aufgrund ihrer Fähigkeiten zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden.
Die Realität sieht leider häufig anders aus. Vor allem Frauen und auch Menschen mit Migrationshintergrund bleiben bei Bewerbungsgesprächen häufig außen vor, obwohl sie die gleiche Eignung mitbringen wie ihre Mitbewerber.
Ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren wäre eine Möglichkeit, die fachliche Eignung in den Vordergrund zu rücken und eine Auswahl ohne Ansehen von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Behinderung zu treffen. Die Landesregierung hat das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes daher aufmerksam verfolgt und den Abschlussbericht interessiert zur Kenntnis genommen.
Vor allem die Chancen von Frauen und Bewerbern mit Migrationshintergrund haben sich demnach durch das anonymisierte Verfahren verbessert. Allerdings waren die Erkenntnisse noch eher vage. Selbst die Wissenschaftler, die die Auswertung vorgenommen hatten, betonen, dass – und ich zitiere – „die kausalen Effekte vorsichtig interpretiert und als Tendenzen angesehen werden sollten“.
Insofern begrüße ich, dass es in einer Reihe von Ländern, etwa in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, weitere Modellprojekte gibt, in denen die Effekte des anonymisierten Bewerbungsverfahrens und der zusätzliche Verwaltungsaufwand auf den Prüfstand gestellt werden. Die Landesregierung beobachtet diese Projekte und wir sind auf die Ergebnisse gespannt.
Ein erstes Fazit ist zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen gezogen worden. Dort ist die Erprobung in acht Ministerien Anfang des Jahres beendet worden und man kam zu dem Ergebnis, dass die Anonymisierung nicht für alle Stellenbesetzungen gleichermaßen geeignet sei. In erster Linie, so die Einschätzung des zuständigen Ministers, sei es bei standardisierten Verfahren, etwa bei Ausbildungsplätzen erfolgversprechend.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, an dieser Stelle will ich aber eines betonen: Aus Gründen der Chan- cengleichheit muss ein solches Verfahren in der öffentlichen Verwaltung nicht zwingend eingeführt werden, denn
im Grundgesetz ist klar geregelt, dass über Zugang zu einem öffentlichen Amt Eignung, Befähigung und fachliche Leistung entscheiden. Eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, des Alters oder anderer nicht die Kompetenz betreffender Kriterien ist damit ausgeschlossen.
im Hinblick auf die Einhaltung dieser gesetzlichen Maßgaben. Ich sage, dies ist Gesetz und dies kann eingeklagt werden. Das ist in der Wirtschaft definitiv ja nicht so der Fall.
Insofern bin ich der Auffassung, dass dieses Verfahren sicherlich große und gute Auswirkungen haben wird im wirtschaftlichen Bereich, wo das Grundgesetz an dieser Stelle nicht greift. Aber wir müssen uns im öffentlichen Dienst auch überlegen, ob es nicht mitunter kontraproduktiv ist.
Nur ein Beispiel: Zurzeit gilt bei uns, bei gleicher Eignung werden bevorzugt Frauen eingestellt. Das entfällt in dem Zusammenhang, wie Sie sich vorstellen können.
Sie sehen also, wir sind interessiert, offen für diese Entwicklung, aber wir sind der Auffassung, dass wir zurzeit noch gar nicht genügend Erkenntnisse haben, um das Ganze für uns zu überrollen.
Die Landesregierung geht daher nicht davon aus, dass die Einführung eines anonymisierten Bewerbungsverfahrens bei uns zu einer Veränderung in der Personalstruktur der Landesverwaltung führt. Gleichwohl – und das haben wir ja auch schon dem Abgeordneten Herrn Foerster in der Antwort auf seine Kleine Anfrage mitgeteilt –
hält die Landesregierung das anonymisierte Bewerbungsverfahren grundsätzlich auch für die Behörden des Landes für übertragbar.
Wir behalten die Erprobung in den anderen Ländern aber im Blick. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst sehr herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN. Sie haben sich in Ihrer weltoffenen und orientierten Art das Modellprojekt unserer Antidiskriminierungsstelle im Bund zum Thema gemacht. Das groß angelegte Pilotprojekt möchte ich nicht noch einmal wiedergeben, aber Sie gestatten mir schon, dass ich den Erfolg der Bundesregierung betone.
Wie wir alle wissen, haben verschiedene Bundesländer sich dem Thema langsam, aber sicher angenähert. Das finde ich toll und ich freue mich darüber. Nun fordern Sie hier in unserem Land ein Modellprojekt. Niemand, keine Fraktion wird hier im Saal abstreiten wollen, dass die anonymisierte Bewerbung deutlich mehr Chancen für Frauen, vor allem für Frauen mit Kindern bedeutet. Auch Menschen mit Migrationshintergrund haben bessere Chancen bei ihrer Bewerbung. Ob diese Bewerber deshalb die jeweilige Stelle am Ende des Verfahrens bekommen, das steht nicht fest. Aber, meine Damen und Herren, erst einmal den Zugang zu erhalten und nicht gleich zu Beginn abgewiesen zu werden, das ist schon ein Erfolg.
Das ist ein wichtiges Anliegen und ein großer Erfolg des Bundesprojektes. Wir wollen aber nicht vergessen, dass es große Unternehmen und Konzerne sind, die eine beträchtliche Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigen. Eine Übertragbarkeit der Erfolge auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen, also auf Unternehmen, die ein kleines Team für ihren Erfolg brauchen, ob das sinnvoll und seriös ist, ich weiß es nicht. Aber das ist ja auch nicht Ihr Begehren. Sie wollen nicht unsere Wirtschaft mit einbeziehen, sondern Sie wollen das Großprojekt Landesregierung in die Pflicht nehmen.
(Henning Foerster, DIE LINKE: Wir wollen mit gutem Vorbild vorangehen. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Nun wissen wir alle, jedes Modellprojekt kostet Geld und soll Erfahrungen freilegen. Wir sollen neue Erkenntnisse
daraus ziehen können. Und nun komme ich zur Kernfrage: Was genau sollen denn die neuen Erkenntnisse sein? Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Erfahrungsgewinn?