(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Für uns, für uns sprechen die, nicht für sich. – Vincent Kokert, CDU: Sie hatten doppelt so viel.)
Die aktuellen Arbeitslosenzahlen sprechen für sich. Sie haben natürlich Ihre Erfolge verkauft, das ist auch richtig so,
und Sie haben nicht darüber gesprochen, dass in dem letzten Jahr 0,1 Prozent neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen wurden. Das waren 711 in Mecklenburg-Vorpom- mern, während in Schleswig-Holstein 12.000 geschaffen wurden. Das sind die Vergleichszahlen.
Wir haben immer weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit einem Schulabschluss und wir haben mehr ältere Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Wir reden an verschiedenen Stellen darüber in MecklenburgVorpommern: In der Enquetekommission, es gibt die IMAG Demografie, eine Interministerielle Arbeitsgruppe Demografie – für die Zuschauerinnen und Zuschauer –, wir haben beim Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz eine Initiative „Mensch und Land“, wo es um all diese Fragen geht. Aber …
Aber wir kommen nicht zu Ergebnissen. Und diese 711, die Zahl, die müssen Sie sich ins Protokoll schreiben.
Dann habe ich weiter überlegt. Die 90.000 – 90.000 –, das ist ja nicht die wahre Zahl, das sind 122.000. Selbst die Agentur für Arbeit schätzt ein, kein Anlass zur Euphorie, weil es genau um diese 90.000 geht, darum, diese 90.000 in Arbeit zu bringen. Und wenn es um die Fachkräfte geht, dann beginnt die Lösung der Fachkräfteproblematik in der Schule und bei den Berufsschulen. Ich komme darauf zurück. Also es gibt keinen Anlass zur Euphorie.
Und als ich dann die Pressemitteilung vom Wirtschaftsminister Harry Glawe gelesen habe zur landesweiten Fachkräftekampagne und das neue Image, die neue Kampagne, die das Durchstarten ermöglichen soll, habe ich verstanden, was Sie hier eigentlich wollen. Sie wissen, dass ich für Kampagnen stehe, dass ich für Image und auch Marketing stehe und das Land nicht schlechtreden will,
sondern im Gegenteil, ich will Menschen auffordern, sich einzubringen, Ausbildung zu beginnen, erfolgreich abzuschließen und dann auch in Mecklenburg-Vorpommern eine Arbeit aufzunehmen. Aber dafür müssen wir die Probleme erkennen und benennen. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich, Veränderungen herbeizuführen, und darüber sollten wir mal reden.
Und die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden, habe ich mir herausgesucht für meine Rede heute, sollten wir im Einzelnen mal etwas tiefer betrachten. Wie steht es um die Ausbildung im Land? Weit mehr als 3.000 Ausbildungsplätze sind bis heute unbesetzt. Da müssen wir uns doch fragen: Warum ist das so?
Rein rechnerisch muss kein Jugendlicher mehr Mecklenburg-Vorpommern verlassen, um einen Ausbildungsplatz
oder später auch einen Arbeitsplatz zu bekommen. Leider ist das nicht der Fall. Nach wie vor – auch bei dem Saldo, welchen Herr Waldmüller genannt hat –, nach wie vor gehen gerade junge Menschen zwischen 20 und 30 aus Mecklenburg-Vorpommern weg. Das bedeutet, sie verlassen das Land bereits vor ihrer Ausbildung oder wenn sie die Ausbildung abgeschlossen haben. Und so wandern Wissen und Wertschöpfung aus Mecklenburg-Vorpom- mern ab.
Das ist nicht weiter verwunderlich, weil gerade junge Menschen bereit sind, ihre Heimat zu verlassen, ihr Glück woanders zu suchen. Sie schauen ganz genau, wo Bedingungen für ein gutes Leben, wo gute Perspektiven, auch für eine Familiengründung, zu suchen und zu finden sind.
Und deswegen müssen wir über die Rahmenbedingungen, müssen wir über die Angebote, die Lebensqualität und die Perspektiven hier in Mecklenburg-Vorpommern sprechen, um diese Jugendlichen im Land zu halten und so auch die Fachkräftesicherung in den Griff zu bekommen.
Ja, es gibt einzelne, wenige Unternehmen, die sich darauf eingestellt haben, nicht mehr aus einem Heer von Bewerberinnen und Bewerbern die Besten herausfischen zu können. Sie haben erkannt, dass sie aktiv werden müssen und dass sie lukrative Bedingungen für den Nachwuchs anbieten müssen, damit die jungen Leute bei ihnen eine Lehre beginnen. Aber leider ist das die Ausnahme. Beim Gros der Betriebe sieht es ganz anders aus.
Schauen wir uns mal das Friseurhandwerk an. Es gibt dort eine tarifliche Ausbildungsvergütung von 214 Euro im ersten Lehrjahr. Kann man es einem Mädchen oder einem Jungen verdenken, dass sie in die alten Bundesländer gehen, wo diese Ausbildungsvergütung um 150 Euro höher liegt? Immer noch zu wenig, nach meiner Auffassung, aber das ist genau der Punkt.
(Vincent Kokert, CDU: So ist es und das ist auch benannt worden. – Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)
Und auch in den gastronomischen Berufen liegt die Ausbildungsvergütung mit 423 Euro trotz Steigerung immer noch um 130 Euro unter dem Westniveau.
Ja, und ich frage Sie, Herr Waldmüller, Sie haben hier im Frühjahr einen Antrag eingebracht, eine Kampagne wollten Sie initiieren, damit die Attraktivität der Berufe in der Gastronomie und Hotellerie gesteigert wird.
Das war ja Ihre Botschaft. Ich habe den Antrag zwar zerpflückt, aber ich habe das vom Grunde her unterstützt. Aber wo ist denn dort eine Kampagne?
(Vincent Kokert, CDU: Sie haben dagegen gestimmt. – Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sind auf dem Weg, Helmut.)
Der Antrag war das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben war, weil er einfach schlecht gemacht war. Das wissen Sie doch, Herr Kokert!
Da haben Sie handwerklich schlecht gearbeitet. Die Zielstellung ist richtig, aber die Zielstellung muss untersetzt werden mit höheren Ausbildungsvergütungen, mit höheren Löhnen in der Gastronomie und der Hotellerie.
Es gibt regelmäßig unbezahlte Überstunden, unfreundliche Arbeitszeiten, weniger Urlaubstage als in anderen Branchen. Selbst die Wohnungsfrage in Bezug auf bezahlbare Wohnungen ist zu einem Problem geworden. Bei 96 Prozent der Beschäftigten liegt die Ausbildungsvergütung unter dem Bundesdurchschnitt und damit macht das Hotel- und Gaststättengewerbe auf sich aufmerksam. Und wenn ich dann noch die Schlagzeilen zu einem Hotel aus Schwerin wie in der vergangenen Woche lese, fehlen mir die Worte, denn das kann nicht gerade dazu dienen, junge Leute hier in Westmecklenburg, vielleicht auch in ganz Mecklenburg-Vorpommern zu motivieren, einen Beruf in der Hotellerie oder im Gaststättenbereich zu ergreifen. Ja, und ich habe darüber gesprochen,
(Vincent Kokert, CDU: Da haben wir doch gar keine unterschiedliche Auffassung. Wollen Sie uns das zum Vorwurf machen, Herr Holter?)
solange der Unterschied, Herr Kokert – und dazu habe ich übrigens auch von der Kanzlerin nichts gehört, auch von Herrn Steinbrück nichts gehört –, solange der Unterschied zwischen Ost und West so groß ist,
(Vincent Kokert, CDU: Herr Gysi äußert sich zu jedem Thema. Ob das immer richtig ist, das ist die Frage.)
wie ich ihn gerade beschrieben habe – und Herr Waldmüller hat ihn auch beschrieben, ich sehe ihn bei 79 Prozent, aber das sei jetzt mal dahingestellt, ob 80 oder 79 Pro- zent: wir haben einen Lohnunterschied –, werden wir die Frage nach den Fachkräften nicht positiv beantworten können.
Wir brauchen einen einheitlichen Lohn in Deutschland, damit dieses Lohngefälle nicht die Menschen motiviert, Mecklenburg-Vorpommern oder den Osten insgesamt zu verlassen.
Junge Leute stellen auch noch andere Fragen. Es geht nicht nur ums Geld. Es geht auch darum, die Freizeit zu gestalten. Es geht um bezahlbaren Wohnraum, der nicht 150 Kilometer und weiter vom Ausbildungsbetrieb entfernt ist. Und es geht auch um eine kostengünstige Erreichbarkeit der Berufsschulen. Das sind alles Argumente, die junge Leute interessieren, die sie bewegen, sich zu entscheiden, hierzubleiben oder wegzugehen.
Und apropos Berufsschulen, da haben wir erhebliche Defizite, weil die Bedingungen nicht stimmen. Die Landesregierung hat es versäumt, an den Universitäten des Landes für das Lehramt an Berufsschulen auszubilden.
Das zieht einen immer größer werdenden Mangel an Lehrkräften nach sich und in der Folge fällt immer mehr Unterricht aus.
Auch der Altersdurchschnitt der Lehrkräfte wird immer höher, was wiederum das Ausfallrisiko erhöht. Statt Vorsorge zu treffen, haben Sie die geringe Anzahl von Berufsschullehrkräften auch noch in das Lehrerpersonalkonzept gedrängt, sodass sie vor 2014 dort gar nicht herauskommen.
Und wir haben einen Zentralisierungsprozess. Schauen Sie sich mal an, wo sich Berufsschulen befinden. Die Rahmenbedingungen für die Jugendlichen haben sich verschlechtert, denn für die Anfahrten steigen die Kosten für die Ausbildung, die bei der miserablen Vergütung auch noch berappt werden müssen.
Das Land muss hier tatsächlich unterstützen. Das war unser Vorschlag in der vergangenen Legislaturperiode. Sie haben ihn dann umgesetzt, aber es ist bisher ein Flop, was den Landeszuschuss betrifft. Die Bilanz nach sechs Monaten: neun Anträge, null davon bewilligt. Und da behaupten Sie, das Land zieht an.