Dann will ich mal auf einige Dinge eingehen, die Frau Kuder hier angesprochen hat, die Sie teilweise angesprochen haben. Einige Reformen habe ich auch schon mitgemacht und ich weiß, wovon ich rede. Frau Kuder, da müssen Sie mir endlich mal sagen, was Phase ist. Meines Wissens und nach meiner Erinnerung gibt es keine Reform, bei der es nicht um finanzielle Einsparungen geht. Heute haben Sie erklärt, nach 25 Jahren 33 Millionen Euro Einsparung. Vor einiger Zeit war in der Presse zu lesen, es geht nicht um finanzielle Einsparung. Also mich wundert das schon, wie Sie hier agieren. Auf der anderen Seite geht es darum, so haben Sie es zum Ausdruck gebracht, Interessen von Bürgerinnen und Bürgern zu bedienen, ihnen einen Gefallen zu tun. Wa
rum zerschlagen Sie dann die Strukturen? Haben Sie sich mal dafür interessiert, wie lange es dauert, einen Erbschein zu bekommen, und, wenn Sie den Erbschein haben, wie lange es dauert, einen Termin zu bekommen, um die Sache dann zu klären vor Gericht?
Das sind doch die Fragen, die heute Bürgerinnen und Bürger stellen. Und die Menschen, die hier demonstriert haben, können diesen Gefallen, den Sie ihnen angeblich tun wollen, also das Interesse, was Sie irgendwo erforscht haben, erkundet haben bei den Bürgerinnen und Bürgern, nun beim besten Willen nicht erkennen. Nein, die Menschen im Lande wollen diese Reform nicht und sie stemmen sich gegen diese Reform mit Händen und Füßen.
Wir haben immer Reformen gehabt, da wurde heftig diskutiert, Herr Dachner. Aber wir haben hier eine Reform, wo es einen solchen großen Widerstand im Lande gibt, wo ich einfach nur sagen kann, wer nach Gutsherrenart regiert, der braucht sich nicht zu wundern, dass er einen solchen Widerstand erfährt in Mecklenburg-Vorpommern.
Und nun können Sie ja nicht sagen, dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern nicht aufgeschlossen sind für Argumente. Natürlich sind sie aufgeschlossen, aber sie wollen nachvollziehen, worin denn die von Ihnen prognostizierten Vorteile bestehen, und sie können diese Vorteile nicht nachvollziehen. Und diejenigen, die in der Anhörung sprechen konnten, haben das zum Ausdruck gebracht. Ich kann nur empfehlen, diese Anhörungsprotokolle noch mal zu lesen.
Wie ist es denn nun mit dem Sparen? Immer wieder, ich hatte das schon gesagt, haben Sie das Gegenteil beteuert. Aber es stellt sich eben auch die Frage, ob das etwas mit dem Sparen und mit Geldausgeben zu tun hat. Frau Borchardt hatte in der Einbringung schon darauf hingewiesen. Aber inzwischen pfeifen es doch die Spatzen von den Dächern, dass die geplanten Einsparungen in dieser Form nicht zu realisieren sind und dass diese Reform nicht kostenneutral sein wird. Sie wird Geld kosten, und das nicht wenig. Das ist an vielen Beispielen schon mal bewiesen worden und das kann man auch an der laufenden Kreisgebietsreform nachvollziehen. Hier sind erhebliche Kosten entstanden ohne jeglichen Nutzen.
Und wenn Sie erhebliche Kosten produzieren möchten, dann stelle ich die Frage, die ja immer der Opposition, uns, gestellt wird: Wer soll diese Reform finanzieren? Wie viel Geld haben Sie dafür im Haushalt eingestellt? Auch das werden wir in der Haushaltsdebatte ganz konkret erfragen und dann hier, Sie wollen das in der Abschlussdebatte alles hören, in der Abschlussdebatte noch mal auf den Tisch packen.
Und wie ist es denn nun mit der Personalentwicklung? Sie sagen deutlich, durch einen radikalen Stellenabbau in der Justiz möchten Sie sparen. So sieht es doch aus und das ist es doch, worum es am Ende geht. Sie können es nicht so klar formulieren – Sie wissen es, wir wissen es
auch und Sie alle wissen es –, dass das Personal in der Justiz nach einem bundeseinheitlichen Berechnungssystem ermittelt wird, und das richtet sich nach den Geschäftseingangszahlen. Frau Kuder hat darüber gesprochen.
Aber Sie hatten ja gehofft, dass sich mit der demografischen Entwicklung die Geschäftseingänge reduzieren werden. Das ist aber nun durch den erheblichen Anstieg in Betreuungssachen nicht der Fall. Das Gegenteil ist eingetreten. Und wenn die Geschäfte nicht von allein zurückgehen, dann muss man nachhelfen, dann muss man dafür sorgen, dass das eben passiert. Man erschwert den Zugang zu den Gerichten derart, dass viele auf die Justiz verzichten werden, viele darauf verzichten werden und ihren verfassungsmäßigen Anspruch nicht wahrnehmen. Wenn kein Rückgang der Geschäfte da ist, dann wird eben einfach dieser Rückgang provoziert.
Frau Kuder, die Justizministerin, hatte es doch im Europa- und Rechtsausschuss schon angekündigt. Als die Diskussion um die Mindestgröße der Gerichte losging, meinte sie, eigentlich gehe es gar nicht um zehn Richterplanstellen, sondern perspektivisch durch Stellenabbau nur noch um acht. Hatten die da nicht erst was gesagt von einem Schild hier? Hoffentlich nicht „Bis auf Weiteres wegen Krankheit geschlossen!“
Wenn wir davon ausgehen, dass sich das auch auf den nachgeordneten Dienst durchschlägt, plant die Regierung bei den Amtsgerichten einen Stellenabbau von 20 Prozent. Das ist doch der Punkt. 20 Prozent Stellenabbau, das ist eine Einnahme an Finanzen.
Auf Bundesebene wurde bereits mit dem Gesetz zur Prozesskostenhilfebegrenzung ein erster Schritt getan, die Hürden für den Zugang zur Justiz für Geringverdiener deutlich zu erhöhen. Den Bürgerinnen und Bürgern soll aus Kostengründen ganz gezielt der Rechtsstaat vorenthalten werden. Das, meine Damen und Herren, ist aber nichts weiter als die absichtliche Verweigerung von Verfassungsrechten. Mir ist unverständlich, wie Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einem solchen Vorhaben zustimmen. Aber wie ich höre, geht ja wohl die Initiative von den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus für diese Gerichtsstrukturreform.
Lassen Sie mich noch mal zu dem Brief, der hier schon mehrfach diskutiert wurde, zu dem offenen Brief der Bürgermeister aus Vorpommern zur Gerichtsstrukturreform, kommen. Genau genommen ist dieser Brief eine Kritik an der gesamten Strukturpolitik der Landesregierung. Nun sagt Frau Kuder, die Justiz ist nicht zuständig für Strukturentwicklungen, aber ein Amtsgericht in einer Stadt zu haben oder nicht zu haben, hat etwas mit Struktur zu tun. In dem Sinne ist auch die Amtsgerichtsstrukturreform, die Gerichtsstrukturreform Strukturpolitik. Da können Sie sich nicht rausreden, Frau Kuder.
Aber man muss doch mal fragen: Was hat denn die Bürgermeister veranlasst, zu einem derart barschen Ton zu greifen? Sie haben augenscheinlich gar keine andere Möglichkeit gesehen, als sich in dieser Form auszu- drücken,
(Torsten Renz, CDU: Der Ton ist aber in der Sache klar übertrieben gewesen, klar übertrieben, unmöglich. Was bildet sich so ein Galander ein?! Unmöglich!)
das hat man entsprechend zu achten und da sollte man auch mit entsprechendem Respekt von Bürgermeistern in Mecklenburg-Vorpommern reden.
(Torsten Renz, CDU: Deswegen kann er wohl auf seine Wortwahl achten. Das ist eine Katastrophe, sich so zu äußern.)
Der Bürgermeister von Ueckermünde, Gerd Walther, hat es doch in der Anhörung deutlich gesagt: Wenn sich der Ministerpräsident hinstellt und behauptet, eine Abschaffung von mehr als der Hälfte der Amtsgerichte würde zu mehr Bürgernähe führen, dann fragen sich die Bürgerinnen und Bürger doch, für wie dumm sie in Schwerin verkauft werden sollen.
Und das ist genau die Frage. Das habe ich gestern in der Haushaltsdebatte auch deutlich gemacht. Sie fühlen sich einfach verhöhnt.
Und dann sind einige Leute in diesem Landtag pikiert, wenn Bürgermeister Galander aus Anklam in der Anhörung meinte, er glaube, dass die Anhörung im Europa- und Rechtsausschuss nur eine Alibifunktion hat. Natürlich hat er recht. Denn was hat der Innenausschuss gemacht, der Kommunalausschuss? Sie haben die Anhörung noch gar nicht auswerten können, schon haben zwei Ausschüsse, der Innenausschuss und der Finanzausschuss, die unveränderte Annahme dieses Gesetzentwurfes beschlossen, mehrheitlich natürlich.
Aber Sie sind doch im Kommunalausschuss und Sie haben Bürgermeister angehört. Da muss man sich doch mal mit den Argumenten der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beschäftigen.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Heinz Müller, SPD: Das haben wir gemacht. Das haben wir getan. – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber das wird ja alles abgebügelt.)
Und Sie, Herr Ringguth, haben eigentlich mit Ihrer Entschließung zur Volksinitiative, mit der Verhöhnung derer, die gegen diese Gerichtsstrukturreform Stellung bezogen haben, die Verhöhnung begonnen.
Es waren 36.000 Menschen und es ist nur aufgehört worden, Unterschriften zu sammeln. Es wären bedeutend mehr geworden als diese 36.000, das wissen Sie auch, die sich damit intensiv auseinandergesetzt haben.
Also das war schon ein Stück aus dem Tollhaus und Sie wissen ganz genau, dass diese Volksinitiative gegen die von Ihnen geplante Reform gerichtet war. Die Entschließung, die Sie dann hier verabschiedet haben, na ja, da würde ich mal sagen, das gehört in die Kategorie „Volksverdummung“. Das hat Ihnen keiner abgenommen, dass Sie hier in Wirklichkeit die Volksinitiative unterstützt haben.
Das ist Arroganz und so kann man mit den Menschen, mit den Fachverbänden, mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern nicht umgehen, das bringt sie auf die Palme, das bringt diese Menschen auf die Barrikaden.
Anstatt dieses Reformvorhaben – und das hat übrigens Frau Borchardt von Anfang an gefordert, nicht jetzt erst, wie es jemand der Debattenredner sagte – durch ein Expertengremium prüfen zu lassen, um eine vernünftige Reform auf den Weg zu bringen, die in der Tat zukunftsfest ist, halten Sie stur an Ihrem Vorhaben fest und erklären all das ohne Prüfung, all das, was die Anzuhörenden formuliert haben, für Unsinn. Sie wollten von Anfang an diese Reform durchpeitschen, gegen Sinn und Verstand, koste es, was es wolle. Das ist Ihr Stil von Politik, den machen wir nicht mit und ich fordere Sie zur namentlichen Abstimmung auf. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da zu diesem Thema schon fast alles gesagt und wiederholt wurde und auch gesagt und wiederholt werden wird, möchte ich mich auf einen Gesichtspunkt beschränken, der neu ist, noch nicht zu Tode geritten und der von einem der Bürgermeister während der letzten Anhörung vorgebracht wurde.
Der Bürgermeister, ich erinnere mich leider nicht mehr, welcher es von den 13 war, sagte sinngemäß: Meine Stadt ist ein Mittelzentrum und zu einem Mittelzentrum gehört auch ein Amtsgericht, nur ein raumplanerischer Gesichtspunkt. „Mittelzentrum“ ist ein Begriff aus der Raumordnung. Dabei geht es nicht um irgendeine Verwaltungsstruktur, sondern um die Versorgung der Bevölkerung. In einem Unterzentrum muss alles zur Verfügung stehen, was zur Grundversorgung nötig ist, was man also jeden Tag braucht, einen Laden, wo man Brot kauft und
das, was man jeden Tag benötigt. Über das hinaus hat ein Mittelzentrum alles anzubieten, was den periodischen Bedarf ausmacht. Dazu gehören eine weiterführende Schule und eine Berufsschule, ein Krankenhaus und entsprechende Fachärzte, Notare, Rechtsanwälte und Steuerberater und auch kulturelle Angebote, etwa ein Kino, Schwimmbad, ein Einkaufszentrum. All das zusammen sollte ein Mittelzentrum anbieten.
Wenn der eine oder andere Faktor darunter fehlt, ist es vielleicht noch nicht soweit, dass man nicht mehr von einem Mittelzentrum sprechen kann. Aber allzu viel sollte nicht fehlen, sonst können Sie die ganze Raumordnung in die Tonne treten. Man muss sich geistig nicht allzu sehr verrenken, um zu behaupten, dass selbstverständlich auch ein Amtsgericht zu dieser Versorgung gehört. Ein Amtsgericht ist auch klassischer periodischer Bedarf. Man muss glücklicherweise nicht jeden Tag hin, genauso wenig wie ins Krankenhaus, aber manchmal eben doch, und es sollte vorgehalten werden.
Natürlich hat die Justizministerin recht, wenn sie sagt, dass die Gerichtsbarkeit nicht der Entwicklung des ländlichen Raumes dient. Das steht nirgendwo, weder im Grundgesetz noch im Gerichtsverfassungsgesetz. Sie dient natürlich der Rechtspflege, allerdings dient auch ein Krankenhaus nicht der Entwicklung des ländlichen Raumes, sondern es dient der Gesundheitspflege. Aber es sind doch wesentliche Versorgungsinstitute und Institutionen, die unverzichtbar sind für ein Mittelzentrum. Es sind wesentliche Dienstleistungen, derer man bedarf. Dass Anklam keine Berufsschule mehr hat und Ueckermünde lange Zeit keinen Kinderarzt hatte, könnte man schon als Anzeichen der Erosion dieser Mittelzentren betrachten.