Die Freude über den Gesetzentwurf, wie die Landes- regierung ihn vorgelegt hat, hielt bis wenige Minuten vor der geplanten Schlussabstimmung im Bildungs- ausschuss.
der den Anspruch auf Bildungsfreistellung nun wieder erheblich einschränkt. Hatten wir vorher die Einschränkung über den Finanzierungsvorbehalt, gibt es jetzt eine Einschränkung aufgrund der Angestellten, die in einem Betrieb oder in einer, wie Sie es nennen, Behörde ar- beiten.
Ich will noch einmal daran erinnern: 2012 hatten wir nicht einmal 500 genehmigte Bildungsfreistellungen in Mecklenburg-Vorpommern, in Schleswig-Holstein waren es in dem vergleichbaren Zeitraum 7.000. Das lag daran, dass das bisherige Gesetz im Grunde eine Subvention für Unternehmen war, aber eben keinen Rechtsanspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellte, und
Der neue Gesetzentwurf hatte dieses Problem eigentlich erkannt. In der ursprünglichen Fassung war der Anspruch auf Bildungsfreistellung ganz klar geregelt. Er galt nahezu uneingeschränkt, und zwar für alle Arbeitnehmerinnen und alle Arbeitnehmer. Eine Ablehnung durfte lediglich aus wichtigen betrieblichen Gründen erfolgen. Das war aus unserer Sicht eine einfache und vor allem aber eine arbeitnehmerfreundliche Regelung. Ähnliche Regelungen finden wir beispielsweise in Hamburg, Schleswig-Holstein oder auch Bremen. Für die Koalition war das aber zu viel des Guten. Vielleicht hat Sie auch stutzig gemacht, dass wir den Gesetzentwurf unterstützen konnten.
Im Änderungsantrag der Koalition heißt es nun jedenfalls, und ich zitiere: „Die Freistellung kann auch abgelehnt werden, sobald die Gesamtzahl der Arbeitstage, die im laufenden Kalenderjahr für Zwecke der Freistellung nach diesem Gesetz in Anspruch genommen worden sind, das Zweieinhalbfache, in Unternehmen beziehungsweise Behörden mit in der Regel nicht mehr als zwanzig Beschäftigten das Eineinhalbfache, der Zahl der Beschäftigten erreicht hat. Bei Ablehnung aus diesem Grund ist die Gesamtzahl der gewährten Arbeitstage für das laufende Jahr der beschäftigten Person nachzuweisen.“
Sie hören es schon: Während in der Einleitung zum ursprünglichen Gesetzentwurf stand, dass es sich mit diesem Gesetzentwurf auch um eine Entbürokratisierung handeln sollte, ist davon nach diesem Änderungsantrag in dem Gesetz nichts mehr zu merken.
Was bedeutet der Änderungsantrag nun genau? Wenn ein Unternehmen zwanzig Beschäftigte hat, dürfen pro Jahr sechs Personen ihren vollständigen Bildungsurlaub nehmen. Wenn ein Unternehmen jedoch hundert Beschäftigte hat, hat die Hälfte der Belegschaft Anspruch auf Bildungsfreistellung. Das heißt, gegenüber dem ursprünglichen Entwurf wurde der Rechtsanspruch um bis zu zwei Drittel eingeschränkt. Diese Einschnitte halten wir für unnötig und wenig sachgerecht, darum lehnen wir sie auch entschieden ab. Die Einschränkungen gehen auch weit über den Schutz kleinerer Unternehmen hinaus.
Grundsätzlich hätten wir uns in dieser Frage offen gezeigt. Sie erinnern sich vielleicht an unsere Frage im Finanzausschuss, ob entsprechende Ausnahmeregelungen vonseiten der Landesregierung überhaupt geprüft wurden.
Wir hätten uns zum Beispiel vorstellen können, dass die Erstattungen des Landes auf kleinere Betriebe beschränkt werden. Das hätte die Unternehmen geschützt, ohne den Freistellungsanspruch zu reduzieren.
(Torsten Renz, CDU: Das habe ich doch gerade erklärt, Frau Berger. Haben Sie sich die Kriterien mal angeguckt, die da stehen?)
Mit dem Änderungsantrag der Koalition besteht nun auch ein Konflikt zum Gesetz der Landesregierung. Dort heißt es – Herr Renz, hören Sie zu! –: Die bisherigen Beschränkungen der Bildungsfreistellung müssen aufge- hoben werden, weil sich, Zitat, „die Bundesrepublik Deutschland … völkerrechtlich zur Einführung bezahlten Bildungsurlaubs verpflichtet hat“. Sie führen jetzt aber wieder eine Einschränkung in dieses Recht ein. Mich würde interessieren, wie Sie diesen Widerspruch lösen wollen. Offensichtlich legen Sie völkerrechtliche Verpflichtungen hier anders aus als der Bildungsminister mit seinem ursprünglichen Entwurf.
Erwartungsgemäß wird das deutlich abweichen von der Darstellung, wie Frau Dr. Seemann sie vorgenommen hat: Obwohl der Gesetzentwurf im Ausschuss mehrfach und über Monate hinweg beraten wurde, hat die Koalition ihre gravierenden Änderungen gegen alle terminlichen Vereinbarungen unmittelbar vor der Schlussabstimmung im Bildungsausschuss vorgelegt.
Und, Frau Dr. Seemann, unabhängig von dem, was Ihnen familiär passiert ist, gibt es noch drei weitere Abgeordnete Ihrer Fraktion im Bildungsausschuss, gibt es auch einen Obmann, die genau diese Sachen für Sie hätten regeln können.
Daraufhin haben wir als Bündnisgrüne gemeinsam mit der Linksfraktion erklärt, eine Anhörung von Fachexperten und Verbänden zu erwägen,
Sie wissen, dass eine solche Anhörung ein wichtiges demokratisches Recht der Opposition ist. Noch bevor eine Entscheidung darüber überhaupt gefallen ist, verbreitete die SPD-Fraktion schon folgende Pressemitteilung, ich zitiere die Überschrift: „Abgeordnete Berger verhindert Stärkung für ehrenamtliche und politische Bildung“.
wir haben erwogen, wir haben erwogen, eine Anhörung durchzuführen. Ich würde mir wünschen, dass die Koalition die demokratischen Prinzipien dieses Landtags bei kommenden Beratungen im Bildungsausschuss wieder mehr respektiert. Wir hatten bis dahin keine Anhörung beantragt, weil die schriftlichen Stellungnahmen aus der Ressortanhörung ausführlich und weitgehend positiv waren.
Sie haben aber mit Ihren Änderungsanträgen in letzter Minute – genau das habe ich eben gerade dargelegt – grundlegende Punkte des Gesetzes geändert.
die das betrifft, das Recht, dazu angehört zu werden, genau zu Ihren Änderungen. Beratungsbedarf hätte es bei den Änderungen genug gegeben, zum Beispiel zu den handwerklichen Schwächen des Antrags.
Die Einschränkung für die Bildungsfreistellung soll ja nicht nur für Unternehmen gelten, sondern auch für Behörden. Das ist nun wirklich deutschlandweit ein- malig.
Auch im Brandenburgischen Weiterbildungsgesetz, von dem Ihr Änderungsantrag ja abgeschrieben ist, tauchen die Behörden nicht auf. Ich kann mir das nur so erklären, dass es sich um einen spontanen Einfall gehandelt haben muss. Ich prophezeie Ihnen jetzt schon, diese Formulierung wird in Mecklenburg-Vorpommern noch für viel Ärger und vor allem für viel Verwaltungsaufwand sorgen, denn im Gesetz steht zwar „Behörde“, gemeint ist jedoch der öffentliche Dienst, und nicht jeder Teil des öffentlichen Dienstes ist auch eine Behörde.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach?! – Dr. Margret Seemann, SPD: Du lieber Himmel! Das hat der Minister doch eben auch erklärt.)
Es wird aber noch komplizierter. Nach dem neuen Gesetz muss erst mal festgestellt werden, welche Behör- de mehr und welche Behörde weniger als 20 Beschäf- tige hat, denn schließlich hängt davon ab, auf wie viel Bildungsurlaub die Beschäftigten Anspruch haben. Was aber ist nun eine einzelne Behörde? Ist es zum Beispiel eine ganze Stadtverwaltung? Sind es schon einzelne Ämter? Ist es ein Polizeirevier, eine Polizeiinspektion oder vielleicht auch erst das gesamte Polizeipräsidium?