Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/206 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/206 abgelehnt mit den Stimmen der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der NPD.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- che 6/175. Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/175 zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/175 mit den Stimmen der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Missbrauch von terroristischen Straftaten in der politischen Auseinandersetzung beenden – Geheimdienstliche Verstrickungen in die Straftaten der Zwickauer Kriminellengruppe konsequent aufklären, Drucksache 6/124.

Antrag der Fraktion der NPD Missbrauch von terroristischen Straftaten in der politischen Auseinandersetzung beenden – Geheimdienstliche Verstrickungen in die Straftaten der Zwickauer Kriminellen- gruppe konsequent aufklären – Drucksache 6/124 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr An- drejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Wer sind eigentlich die Totalversager in Bundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt, Landeskriminalämtern, Verfassungsschutzämtern, BND und MRD, die 13 Jahre nicht in der Lage waren, die dem NSU zugeschriebenen Verbrechen zu verhindern?

Wie lauten die Namen derjenigen Spitzenbürokraten, die nach Einschätzung des Sicherheitsapparates selber verantwortlich dafür waren, dass 13 Jahre in die falsche Richtung ermittelt worden sein soll, dass Behörden, die über Fachpersonal verfügen, über Milliarden an Geldmitteln, über Legionen an V-Männern und modernste Technik, ausgetrickst wurden von einer Gärtnerin, einem Hilfsarbeiter und einem Professorensohn ohne Berufsausbildung?

Wieso müssen sich diese Versager nicht jeden Tag im Fernsehen verantworten und auch vor den Angehörigen

der Opfer, denen das sicher lieber wäre als ein paar unverbindliche Gedenkminuten in Landtagen, die keinem wehtun und in denen die politische Klasse sich auch noch selber feiert?

Wieso werden die verantwortlichen Dilettanten aus Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft und den anderen Vereinen nicht aus ihren Ämtern gejagt, am besten unter Streichung ihrer Pensionsansprüche?

Jeden Tag müsste eine Karriere in Schimpf und Schande enden all derer, die hier versagt haben und ihre Pflicht nicht getan haben. Und genau davor hat man Angst bei Bundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt, Landeskriminalämtern, Verfassungsschutz, BND und MRD. Um ihre Posten und Karrieren zu retten, sind diese Herrschaften verzweifelt bemüht, eine Verbindung des NSU zur NPD zu konstruieren, damit bloß keiner in ihre Richtung blickt.

(Marc Reinhardt, CDU: Stand das bei Ihnen nicht auch im Zeugnis, „hat sich stets bemüht“?)

Dafür ist wirklich kein Mittel zu dumm und zu bösartig. Die „Bild-Zeitung“ vom 14.12.2011 schwingt sich zu ungeahnten Höhen des Schwachsinns auf und bringt einen Artikel mit der Überschrift: „Der Fotobeweis Hier trifft NPD-Apfel auf die Killer-Nazis“. Und die FAZ, der man bislang mehr Hirn zugetraut hätte, schreibt am

14.12.2011: „NPD-Vorsitzender demonstrierte mit Terroristen“ und: „Die Hinweise auf Verbindungen zwischen der rechtsextremen Terrorgruppe ,Nationalsozialistischer Untergrund‘ … und der NPD verdichten sich.“

Hintergrund hierzu: Im Jahre 1996 haben zwei Mitglieder des späteren NSU unter Hunderten anderen Demonstranten an einem Aufzug in Worms teilgenommen, der von Holger Apfel geleitet wurde. Wie wäre es denn zur Abwechslung mal mit folgender Schlagzeile: „Hinweise auf Verbindungen zwischen Holocaustleugnern und dem ehemaligen SPD-Innenminister Otto Schily verdichten sich.“ Der Fotobeweis: Schily neben Horst Mahler, die beide als Rechtsanwälte Angeklagte aus der 68erStudentenbewegung vertreten!

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Solche Fotos gibt es auch. Darauf würde Schily mit Recht antworten: Wie sollte ich denn 1970 ahnen, dass Horst Mahler 30 Jahre später einen ganz anderen Weg einschlagen würde? Und in welcher Kristallkugel soll Holger Apfel denn vorausgesehen haben, dass zwei Teilnehmer an dieser Demonstration zwei Jahre später erst eine Terrorzelle gründen würden, wenn sie es denn getan haben?

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abgesehen davon, dass man von einem Versammlungsleiter ja kaum verlangen kann, jeden einzelnen Demons- tranten persönlich zu kennen, am besten noch mit Handakte und Lebenslauf, mit Vorwürfen dieser Güte könnte man vielleicht in einem Hexenprozess im 17. Jahrhundert punkten, aber heute klingt das doch sehr nach Verzweiflung und weist darauf hin, dass die Behörden rein gar nichts in der Hand haben außer heißer Luft und dem Lärm, den sie machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Genauso sieht es aus bei der vom NDR herausposaunten Terrorverbindung nach Mecklenburg-Vorpommern. Die soll darin bestehen, dass der Rechtsanwalt Hans Günter Eisenecker – mittlerweile verstorben –, der auch NPD-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern war, im Jahre 1999 die verdächtige Zschäpe vertreten und für sie Akteneinsicht beantragt haben soll. Hierzu mal einen Blick in die zivilisierte Welt, von der diejenigen, die darin eine Terrorverbindung sehen, wohl Lichtjahre weit entfernt leben:

Die Vertretung eines Mandanten, dem eine Straftat vorgeworfen wird, und selbst eines in Haft befindlichen verurteilten Straftäters durch einen Rechtsanwalt ist keine Mittäterschaft. Das ist es vielleicht nach der Strafprozessordnung von Nordkorea, aber nicht hier in Deutschland. Sonst würden Schily und Ströbele als Terrorhelfer gelten, weil sie Baader/Meinhof verteidigten. Aber das waren sie nicht, genauso wenig wie Dr. Eisenecker. Das waren Anwälte, die ihren Job und ihre Pflicht getan haben, und keine Abziehbilder, wie die DDR-Anwälte, wie Wolfgang Schnur, die sich als Erfüllungsgehilfen der SED ansahen und ihre Mandanten verraten haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Schily würde ich sonst was vorwerfen, aber nicht, dass er mit aller Kraft und Energie Baader/Meinhof vertreten hat. Das ist seine Pflicht als Anwalt, das ist eine Grundfeste der Zivilisation, dass jeder einen Anwalt haben muss, der sich für ihn einsetzt. Und das als Terrorhilfe zu denunzieren, ist nämlich das Letzte und weist darauf hin, auf eine totale Ferne von jeder Rechtsstaatlichkeit.

Und eine weitere Terrorverbindung soll darin bestehen, dass …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na?! Wohl verrutscht, der Terrorist?!)

Einen Augenblick.

Ja, eine weitere Terrorverbindung, das Kronzeugenstück in der Beweiskette der Sogenannten, soll bestehen in dem Fall Ralf Wohlleben, ehemaliger stellvertretender NPD-Landesvorsitzender von Thüringen, der unter großem Getöse als Unterstützer des NSU festgenommen wurde und dem vorgeworfen wird, er habe eine Waffe mit Munition an die NSU-Verdächtigen geliefert. Daraus macht die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles klare Kontakte der NPD zu Rechtsterroristen. Hier muss Frau Nahles mit einem für sie neuen Begriff bekanntgemacht werden, den sie wohl in der Schule verpasst hat, der nennt sich „Unschuldsvermutung“. Ralf Wohlleben ist verdächtig, mehr nicht. Falls er angeklagt werden sollte, kann das durchaus mit Freispruch enden. Das soll vorkommen in rechtsstaatlichen Verfahren und es kommt auch vor.

Ich erinnere an das Verfahren gegen den ehemali- gen NPD-Landtagsabgeordneten Raimund Borrmann, dem Sozialbetrug vorgeworfen wurde. Da gab es ja jede Menge Häme wegen Sozialbetrug, national und so weiter. Als es zum Prozess kam, hat die Staatsanwaltschaft selber Freispruch beantragt, weil sich die Anklage als völlig haltlos erwiesen hat. Ziemlich ungünstig, wenn man auf so etwas ein Parteiverbotsverfahren aufgebaut hat.

Oder ein anderes Beispiel, die Gerichtsverhandlung, die hier im Schloss stattfand, ganz in der Nähe des Plenarsaals im dritten Stock, gegen zwei unserer Fraktionsmitarbeiter, die am 27.01.2009, am Holocausttag, eine Palästinaflagge an einer Balustrade eines Schlossturmes befestigt haben sollten. Die Anklage vertrat in einer Ordnungswidrigkeitssache ein leibhaftiger Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft. Strafverteidiger war ich und die Sache endete mit Freispruch, obwohl sich die Landtagsverwaltung ihrer Sache so sicher war und ihrer Beweise, aber sie hatte nichts in der Hand. Wenn Sie weitere Informationen wollen, fragen Sie Herrn Tebben, der kann Ihnen das alles erzählen. Das hat er wohl vergessen, Ihnen mitzuteilen.

Gegen David Petereit gab es Ermittlungsverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, großes Getöse, Hausdurchsuchung mit Spezialeffekten und NDRBegleitung, alle möglichen – eingestellt.

Gegen Jörg Heyder in Sachsen-Anhalt, den ehemaligen Spitzenkandidaten der NPD, auch ein Ermittlungsverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten – eingestellt, und so weiter.

(Katharina Feike, SPD: Und wie viele wurden nicht eingestellt?)

Es gibt eine ganze Menge Fälle von dieser Sorte und …

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie auch noch die erfolgreichen Fälle!)

Ja, ich muss ja ein bisschen Gegengewicht aufbauen zu dem, was Sie immer erzählen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist aber ganz schön schwach, Ihr Gegengewicht.)

Das ist nicht schwach.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Doch, doch, doch! Sie sehen uns zutiefst beeindruckt von Ihrer Rede.)

Sie sind schon so oft, schon so oft sind Sie hier gestartet, so oft sind Sie hier gestartet und haben im Brustton der Überzeugung erklärt, da ist ein krimineller NPD-ler, und dann fiel das alles in sich zusammen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich. Gucken Sie sich doch an, wie sie dasitzen!)

Wenn Sie Strafverfahren in einen Parteiverbotsantrag einbauen wollen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dann müssen diese Strafverfahren erst einmal abgeschlossen sein, inklusive Revisionsverfahren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das ist Rechtsstaatlichkeit, ansonsten können Sie mit denen nichts anfangen. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass Wohlleben in U-Haft genommen, also dringender Tatverdacht zugrunde gelegt wurde. Dringender Tatverdacht heißt zwar, so die Lehrbuchdefinition, dass nach dem gesamten bisherigen Ermittlungsergebnis ein hoher

Wahrscheinlichkeitsgrad dafür besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat, jedoch haben wir im Fall Sebnitz, den Sie wahrscheinlich schon verdrängt haben, gesehen, wie gering zuweilen die Anforderungen der Staatsanwaltschaften an die Voraussetzung für die Annahme eines dringenden Tatverdachtes sind, wenn denn die Presse und die Politik mal wieder einen hysterischen Anfall erleiden.

Damals waren drei völlig Unschuldige dringend verdächtigt, den kleinen Joseph Kantelberg-Abdulla in einem Schwimmbad ertränkt zu haben, und Hunderte sahen zu und taten nichts. Drei Tage saßen diese Leute in Haft. Einer der Beschuldigten war nachweislich am Tag der angeblichen Tat noch nicht einmal in dem Schwimmbad. Aber das war egal, erst mal wegverhaften, gute Schlagzeilen kassieren und hinterher, wenn es ein Fiasko für die Justiz gibt, dann hofft man darauf, dass das schnell vergessen wird, genau wie im Fall Mannichl, genau dasselbe.

Zudem muss daran erinnert werden …