Protokoll der Sitzung vom 16.05.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, doch jetzt die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Sitzung beginnen können.

Ich begrüße Sie zur 70. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen die Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Landesweites Moratorium für vorhandene Ferienwohnungen bzw. -häuser in Wohngebieten und unbeplanten Innenbereichen. Die hierzu eingereichte Drucksache 6/2936 wird durch die Ihnen vorliegende Drucksache 6/2967 ersetzt.

Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landesweites Moratorium für vorhandene Ferienwohnungen bzw. -häuser in Wohn- gebieten und unbeplanten Innenbereichen – Drucksache 6/2967 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Lück.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung zeigte sich angesichts einer Landesstudie überrascht, dass der Anteil des nicht gewerblichen Ferienwohnmarktes fast genauso hoch ist wie der des gewerblichen Ferienwohnungsmarktes. Die Studie räumt ein, dass der Umfang privater Vermietung noch weit höher sein kann. So wird beispielsweise Kühlungsborn mit gut 400 Ferienwohnungen benannt, tatsächlich sind es 700. Leider spart die Studie eine eingehende Untersuchung der gravierenden Auswirkungen des Urteils völlig aus. Hier wäre eine vertiefende Analyse der baurechtlichen Situation und auch der vorhandenen Daten zu den Vermietungsobjekten unbedingt notwendig. Das sollte durch das Land in Auftrag gegeben werden.

Den meisten Vermieterinnen und Vermietern ist überhaupt nicht bewusst, dass sie etwas Unrechtes tun. Sie gingen bisher davon aus, dass die Vermietung der Ferienwohnungen legal erfolgt, und sind nun völlig überrascht. Beispiel Eigentumswohnungen, für die die Vermietung untersagt wurde: Die Eigentümer zahlten Fremdenverkehrs- abgabe und waren von der Zweitwohnungssteuer befreit. Sie gingen davon aus, dass ihre Eigentumswohnung von der Stadt als legales Vermietungsobjekt anerkannt ist. Makler und Bauherren bestätigen in der Teilungserklärung, dass die Nutzung der Wohnung als Ferienwohnung erlaubt ist.

Ein weiteres Beispiel möchte ich für Bebauungspläne bringen: Laut Begründung zu einem Bebauungsplan in Kühlungsborn, der 2006 in Kraft trat – also vor dem Urteil –, sind Ferienwohnungen als untergeordnete Nutzung zu bezeichnen und in allgemeinen Wohngebieten zulässig. Obwohl im B-Plan für zulässig erklärt, darf dort die Vermietung nicht weiter erfolgen und ist seit dem Urteil illegal geworden. Bei einem anderen B-Plan in Kühlungsborn, der erst im Oktober 2010 in Kraft trat –

also fast drei Jahre nach dem Urteil –, wird ausdrücklich bestimmt, dass die Neuerrichtung von Ferienhäusern und Ferienwohnungen oder der Umbau vorhandener Gebäude zu Ferienhäusern und Ferienwohnungen unzulässig ist. In der Begründung wird erläutert, dass in dem Gebiet Ferienwohnungen vorhanden sind. Diese sind von ihrer Anzahl her als untergeordnete Nutzung zu bezeichnen und in allgemeinen Wohngebieten zulässig. Der Planungswille der Gemeinde wird hier also eindeutig klar: Bestandsschutz für die vorhandenen Ferienwohnungen, aber neue sollen nicht hinzukommen.

Das Urteil war Planern und Verwaltern noch in 2010 offensichtlich nicht bekannt, denn danach ist das Ferienwohnen keine Unterform des Wohnens und in Wohngebieten unzulässig. Sind nun Planer und Verwalter in Haftung zu nehmen oder müssen das die gutgläubigen Vermieterinnen und Vermieter alleine ausbaden? Das frage ich Sie.

Selbst dem Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung war im Mai 2009 das Urteil offensichtlich unbekannt, denn in der Antwort auf meine Kleine Anfrage wurde darauf verwiesen, dass es in der Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur strittig sei, ob Ferienwohnungen zu den Betrieben des Beherbergungsgewerbes zählen. Weiter heißt es: „Wegen der nicht eindeutigen Rechtslage kann eine Beurteilung nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden.“ Hätte das Ministerium mit einem Rundschreiben an die Kommunen auf das Urteil aufmerksam gemacht, wäre das Problem vermutlich jetzt kleiner. So informiert zum Beispiel Bayern regelmäßig über Neues im öffentlichen Baurecht.

Minister Glawe verwies im Ausschuss besonders auf den Schutz des Dauerwohnens, aber Ihre Argumentation der Lärmstörung durch Feiern sowie An- und Abreise mag für den Einzelfall gelten, ist planerisch jedoch nicht haltbar. So gelten für die städtebauliche Planung schalltechnische Orientierungswerte in Abhängigkeit der Schutzwürdigkeit der Gebiete und da sind Ferienhausgebiete den reinen Wohngebieten gleichgestellt. In allgemeinen Wohngebieten darf es sogar etwas lauter sein als in Ferienhausgebieten. Dort gelten tags und nachts um jeweils fünf Dezibel höhere Werte, das heißt, Ferienwohnen ist von der Schutzbedürftigkeit mindestens dem Dauerwohnen gleichgestellt. Lärmschutz ist also an den Haaren herbeigezogen. Zudem ist in fast allen Fällen Rücksichtnahme vereinbart worden.

In Kühlungsborn, am Holmblick, wo eine Bürgerinitiative gegen das Ferienwohnen vorgeht, stehen 111 Häuser – hören Sie gut hin! –, 111 Häuser, davon sind ganze 9 Ferienwohnungen. Das gehört auch zur Wahrheit. Logisch ist auch nicht begründbar, warum in Wohngebieten das Ferienwohnen unzulässig sein soll, während in allgemeinen Wohngebieten beispielsweise nicht störende Gewerbebetriebe und Tankstellen ausnahmsweise zulässig sind.

Die Baunutzungsverordnung ist seit 1990 nur marginal geändert worden, zuletzt im letzten Jahr, um Kitas in reinen Wohngebieten zuzulassen. Die Baunutzungsverordnung spiegelt nach Meinung von Fachleuten immer noch das Planungsleitbild der 60er-Jahre wider, die Nutzungstrennung einzelner Funktionen. Mit der Fokussierung auf die Innenentwicklung ist diese strenge Trennung, beispielsweise von Wohnen und Arbeiten, unserer

Meinung nach nicht mehr haltbar. Auch daraus ergibt sich ein grundlegender Reformbedarf. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern sollte sich aktiv für eine zügige Reform und die vom Landrat Constien eingebrachten Vorschläge einsetzen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Ein wirkliches Argument, das einem Nebeneinander von Wohnen und Ferienwohnen entgegenstehen könnte, ist der ständig wechselnde Personenkreis, was das Gefühl der Überfremdung auslösen kann. Laut der Landesstudie deutet ein Anteil der Ferien- und Freizeitwohnungen an allen Wohnungen etwa ab 20 Prozent auf zunehmende Konfliktpotenziale und Regulierungsbedarfe hin. In den sechs in dieser Studie untersuchten Kommunen – die sechs Kommunen waren Warnemünde, Kühlungsborn, Zingst, Binz, Waren und Heringsdorf – zeichnet sich diese gefühlte Überfremdung bisher noch gar nicht ab, und das sind Hochburgen in unserem Land. Und wir dürfen nicht vergessen, die Vermietung an Gäste ist jahrzehntelange Tradition. Die Menschen in den Urlaubsorten sind damit groß geworden und kennen auch gar nichts anderes.

Kolleginnen und Kollegen, das Ostseebad Kühlungsborn beauftragte ein Gutachten zur bauplanungsrechtlichen Legalisierung von Ferienwohnungen im Bestand. Das wurde von Professor Dr. Karsten Simoneit, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Greifswald, Entschuldigung, aus Wismar, erstellt. Demnach wäre eine Legalisierung vorhandener Ferienwohnungen bedingt möglich, setzt aber eine bestimmte Rechtsauffassung voraus und ist mit Unsicherheiten behaftet. Die Handreichung des Landes sollte die Zulässigkeit einer sogenannten Fremdkörperausweisung klären und die Handreichung sollte auch eine klare Grenze ziehen, bis zu welchem Anteil von Ferienwohnungen eine sogenannte Fremdkörperausweisung in Wohngebieten die landesplanerische Zustimmung finden würde.

Kolleginnen und Kollegen, in anderen Bundesländern wird die Baunutzungsverordnung, obwohl sie bundesweit gilt, nicht so streng gehandhabt. In Brandenburg sind Ferienwohnungen sowie die Nutzung von Einliegerwohnungen und Zimmern für die Fremdenbeherbergung in Wohngebieten eine regelmäßige zulässige Form des Wohnens, die keiner gesonderten Festsetzung bedarf. In Niedersachsen wird davon ausgegangen, dass dem Baugebiet ein Umkippen drohe, wenn der typische Charakter eines allgemeinen Wohngebietes durch eine vermehrte Zulassung von Ferienwohnungen beeinträchtigt werde. Da ist von einem Anteil von ungefähr 25 Prozent die Rede. Von einer bundesweit einheitlichen Handhabung der Baunutzungsverordnung sind wir weit entfernt und die Urteile tun natürlich ihr Übriges. Das Wirtschaftsministerium sollte versuchen, ein weitgehend einheitliches Vorgehen der Verwaltungsbehörden im Land zu erreichen.

Was bringt die unteren Bauaufsichtsbehörden dazu, so rigoros vorzugehen? Warum wird in jüngster Zeit nur noch sofortiger Vollzug angeordnet, mitten in der Saison? So greift bei Einlegen eines Widerspruchs keine aufschiebende Wirkung. Und warum vergehen zwischen Anhörung und Nutzungsuntersagung nur zwei Wochen? Warum wird die Nutzung nicht geduldet? Denn die Behörde muss nur einschreiten, wenn Beschwerden vorliegen, ansonsten kann sie einschreiten laut Paragraf 80

Absatz 2 der Landesbauordnung. Anstatt die unteren Baubehörden zum Handeln auf Biegen und Brechen zu zwingen, sollte die Fachaufsicht – also das Ministerium – Handreichungen oder Rundschreiben nutzen und Ermessensspielräume ausdrücklich zulassen. Was sind die Folgen des Greifswalder Urteils und weiterer Urteile wie das des Verwaltungsgerichtes Schwerin?

Die Verunsicherung bei Vermieterinnen und Vermietern ist sehr groß, sie ziehen sich zurück aus dem Internetportal, aus Werbeprospekten und können eben nicht die Angebote tätigen, die zu tätigen sind. Es werden sogar …

Frau Lück, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

… Strafen ausgesprochen. Und ich meine …

Frau Lück, bitte!

… wir sollten uns deshalb diesen …

(Rainer Albrecht, SPD, und Egbert Liskow, CDU: Na?! – Die Abgeordnete Regine Lück beendet ihre Rede bei abgeschaltetem Mikrofon. – Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zwischen den Fraktionen bestand Einvernehmen, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst in Vertretung des Ministers für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus die Justizministerin Frau Kuder.

(Vincent Kokert, CDU: Na, das ist ja ein tolles Thema, um zu vertreten.)

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich hier um einen typischen Oppositionsantrag.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nein, nein, Frau Kuder, da haben Sie nun wirklich unrecht.)

Herr Holter, Sie als ehemaliger Bauminister müssten es besser wissen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rainer Albrecht, SPD)

Und, Herr Suhr, wer sich dem Antrag angeschlossen hat, kann es vielleicht nicht besser wissen.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –

Der weiß

einiges nicht genau, tut aber so. –

Zurufe von Helmut Holter, DIE LINKE,

und Johann-Georg Jaeger,

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Justizministerin hat das Wort und jeder Fraktion steht noch Redezeit zu. Ich bitte also, der Justizministerin jetzt zuzuhören.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gute Einführung, Frau Justizministerin. – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, jetzt hören wir zu.)

Dem vorliegenden Antrag kann man nicht zustimmen, aber dazu im Einzelnen.

(Stefan Köster, NPD: Können schon. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Mecklenburg-Vorpommern ist ein Land, in dem es sich gut leben lässt. Das haben nicht zuletzt diejenigen entdeckt, die insbesondere nach der Wende neu gebaut haben. Es sind gerade in landschaftlich und touristisch reizvollen Gemeinden zahlreiche Häuser und Wohnungen entstanden. Viele von ihnen dienen dem Wohnen, andere zum Erholen.

Die Gemeinden haben in der Regel Bebauungspläne aufgestellt. Damit wollten sie die planungsrechtlichen Vorschriften einhalten und für eine geordnete gemeindliche Entwicklung sorgen. Dass Ferienwohnungen in einem Sondergebiet Ferienwohnen zulässig sind, leuchtet ein. Nun haben die Gemeinden jedoch zuallererst reine und allgemeine Wohngebiete festgesetzt. Hiermit haben sie die zulässige Art der baulichen Nutzung bestimmt. Es hat sich allerdings Folgendes gezeigt: Insbesondere dort, wo Dauerwohnen vorgesehen war, gibt es nunmehr zum Teil oder gar überwiegend Ferienwohnnutzung.

Das Oberverwaltungsgericht Greifswald und inzwischen auch das Bundesverwaltungsgericht sagen, diese beiden Nutzungsarten vertragen sich nicht miteinander. Die Folgen sind, in einem Wohngebiet ist eine Ferienwohnnutzung nicht erlaubt und damit ausgeschlossen. Viele Dauerwohner fühlen sich gestört. Es gibt An- und Abfahrtsverkehr, Stellplatzlärm und nicht zuletzt das Freizeitverhalten der Gäste. Da wird schon einmal die Nacht zum Tag gemacht.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, Ballermann lässt grüßen! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und nun sind die unteren Bauaufsichtsbehörden bei den Landkreisen eingeschritten beziehungsweise haben an- gekündigt, dies zu tun,