wo ich manchmal das Gefühl habe, dass der Spruch, der unten am Bauzaun hängt, „Vom Fürstensitz zum Zentrum der Demokratie“ mit einem Fragezeichen und der Bemerkung „und zurück“ versehen werden müsste.
Und, Herr Kokert, das hat etwas mit der von mir eben beschriebenen Fähigkeit zur Selbstkritik zu tun.
(Vincent Kokert, CDU: Ja, wir haben die. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
die Art und Weise des Umgangs miteinander, die Art und Weise der Auseinandersetzung miteinander zu lösen, das wage ich zu bezweifeln,
denn bei der Vorbereitung auf dieses Thema sind mir zunächst zwei Bücher in die Hand gefallen. Eins davon heißt: „Miteinander Reden: Störungen und Klärungen.“, Untertitel: „Allgemeine Psychologie der Kommunikation“. Das war hochinteressant, aber für das Thema letztlich nicht hilfreich.
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da gibt es auch Fortsetzungsbände. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
Das zweite Buch war dann „Der Traum vom besten Staat. Texte aus Utopien von Platon bis Morris“. Das passte schon besser zur Erwärmung auf dieses Thema,
Und schließlich bin ich bei Max Weber gelandet und bei seinem Buch: „Politik als Beruf“. In diesem Aufsatz untersucht Weber verschiedene Typen von Politikern. Seine Ausführungen sind nicht ganz wertfrei, weil das Buch und seine Ausführungen gegen die Revolution gerichtet sind, das ist bei unserem heutigen Thema unerheblich. Aber Weber schreibt: „Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“
Ich möchte ergänzen: Politik ist für mich auch Streit beziehungsweise die Auseinandersetzung mit den Argumenten des Dialogpartners. Das bedingt wiederum die Bereitschaft zum Dialog und die Fähigkeit zur inhaltlichen Debatte, das wiederum bedingt Offenheit und nicht Arroganz der Macht. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, auch mit Rückblick auf meine Erfahrungen, dass ich diese Offenheit in den letzten Jahren in der Debatte ab und an vermisst habe.
Die klassische Gewaltenteilungsidee ist, glaube ich, längst Fiktion. Die politische Grenzlinie liegt auch bei uns im Landtag zwischen der Regierungsmehrheit, den Fraktionen, die die Regierungsmehrheit stellen, die in der politischen Auseinandersetzung natürlich der Regierung vorbehaltlos folgen, einerseits, und der Opposition auf der anderen Seite. Bei uns im Landtag gibt es dann noch eine Grenzlinie, nämlich zwischen der demokratischen Opposition und den Demokratiefeinden. Nach meiner Kenntnis müsste die NPD es sich förmlich verbitten, mit demokratischer Kultur in Verbindung gebracht zu werden.
Insofern wäre es wirklich zielführend gewesen, die Überschrift des Antrages etwas genauer zu formulieren.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch bei den Aufgaben der Opposition ist wenig Platz zum Moralisieren. Die klassische Trias von Kritik, Kontrolle, Alternativen bildet die Grundlage für die Aufgabe der parlamentarischen Opposition auch in unserem Haus. Deshalb, sehr geehrte Frau Justizministerin, entstehen eben typische Oppositionsanträge. Das war Ihr erster Satz beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt, den man, wenn man dann das Protokoll herstellt, eigentlich streichen müsste, nachdem wir eine andere Beschlussfassung zu diesem Antrag herbeigeführt haben.
Unter Alternative hat man sowohl Sach- als auch Personalalternativen zu verstehen. Kontrolle beinhaltet, dass die Opposition die Regierungspolitik auf ihre Verfas
sungs- und Gesetzeskonformität hin überwacht. Und Kritik schließlich darf nicht als bloße Nörgelei im Detail oder als pauschale Distanzierung verstanden werden. Kritik, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte auch die Bereitschaft zu konkreter Mitarbeit, zur Verbesserung von Regierungs- und Mehrheitsvorschlägen umfassen. Sollte!
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle sind wir dann bei der Grundproblematik, nämlich einer kooperativen Opposition,
die möglicherweise dem vorliegenden Antrag zugrunde liegt. Kooperative Opposition bedeutet für mich in diesem Zusammenhang, eigene Vorstellungen nicht nur als Alternative zu Regierungsentscheidungen darzustellen, sondern sie so weit wie möglich durch starkes langsames Bohren dicker Bretter zum Beispiel in konkreten Gesetzgebungsvorhaben und Entscheidungen unterzubringen. Diese kooperative Opposition, so einleuchtend sie auf den ersten Blick auch scheinen mag, bringt Probleme mit sich, und zwar für die Opposition und für die Regierungskoalition gleichermaßen. Die Opposition muss glaubwürdig bleiben, weiterhin Alternativen aufzeigen, und sie darf ihre Chance nicht verspielen, sich den Wählerinnen und Wählern als künftige Regierungspartei zu empfehlen. Die Koalition muss kompromissbereit sein, sich in gewissem Umfang in die eigenen Karten schauen zu lassen.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meinem Verständnis sprechen wir hierbei von Beziehungen zwischen politischen Kontrahenten, die nirgendwo rechtlich geregelt sind. Als gutes Beispiel einer solchen kooperativen Zusammenarbeit nenne ich hier den
Hier ist nichts einklagbar, sondern dies setzt den Willen der Koalition zum Dialog ebenso voraus wie die Bereitschaft der Opposition, den Brandschutz zeitweilig nicht zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung zu machen. Das ist ein gutes Beispiel für kooperative Zusammenarbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Müller! Lieber Kollege Ringguth! Wir kennen uns ja schon einige Tage. Die Fakten belegen eins: Unter Rot-Rot herrschte vergleichsweise ein kooperationsfreudigeres Klima in diesem Landtag als heute.
(Vincent Kokert, CDU: Ich lach mich kaputt, Herr Ritter. Da haben Sie aber eine völlig verkehrte Selbstwahrnehmung.)
Die rot-rote Koalition war sich nicht zu fein für eine Überweisung zahlreicher Gesetzentwürfe oder Anträge der oppositionellen CDU.
(Vincent Kokert, CDU: Ja, nur weil Sie keine Mehrheiten in Ihrer Fraktion hatten. Das war der Grund dafür.)
… allein in der Zeit von 2002 bis 2006 hat die rot-rote Koalition über ein Dutzend Gesetzentwürfe der CDU in die Ausschüsse überwiesen, weil es normaler parlamentarischer Brauch ist.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. – Vincent Kokert, CDU: Und dann? Was war dann, Herr Ritter?)