Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

der Volkskammer der DDR 1990 beschlossene Landwirtschaftsanpassungsgesetz, an dem ja maßgeblich auch Mitglieder und ehemalige Mitglieder unseres Hohen Hauses beteiligt waren. Dieses Gesetz wurde wegen Geburtsfehlern und verschiedener Gebrechen insgesamt viermal novelliert. Es gab aber auch erhebliche Mängel in der Umsetzung und Anwendung des Gesetzes, sodass es neben Novellierungen auch höchstrichterlicher Urteile bedurfte, um Rechtsklarheit zu schaffen. Das darf niemanden verwundern, denn für die bevorstehende Transformation einer genossenschaftlichen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft gab es nirgendwo auf der Welt ein Vorbild.

Aus den Protokollen des Agrarausschusses in der ersten und auch in der zweiten Legislaturperiode geht her- vor, wie oft und wie intensiv die Debatte um die LPGUmwandlungen im Landtag in dieser Zeit geführt wurden. Auch mein Kollege Hansi Scheringer hat für die damalige Linke Liste/PDS eine Reihe parlamentarischer Initiativen im Sinne der Rechtsstaatlichkeit zur Klärung der komplizierten Rechtsverhältnisse und der Vermögensauseinandersetzungen eingebracht, die teilweise in dem Sinne in die Novellierungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes einflossen. Dazu zählen auch viele weitere Initiativen hier im Landtag in den genannten Legislaturen.

1990 standen fast über Nacht die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vor der Tatsache, dass mit der Währungsunion 1. Juli 1990 die auf dem Acker stehende Ernte nur noch die Hälfte wert war und die Tiere in den Ställen kaum Abnehmer fanden, weil die osteuropäischen Märkte wegbrachen. Zudem geriet man in die gerade laufende Umgestaltung der europäischen Agrarpolitik.

Vielen Betriebsleitern kam das Quoten- und Subventionssystem der Europäischen Union wie ein neues planwirtschaftliches Modell vor. So wurde 1991 beispielsweise in Ostdeutschland die Milchquote eingeführt. Milchviehbetriebe durften danach künftig nur noch 70 Prozent ihrer bisherigen Jahresmenge abliefern. Der Schweinebestand im Territorium unseres Landes verringerte sich in kurzer Zeit von etwa 2,1 Millionen auf seitdem circa 800.000 Tiere. Darüber habe ich in diesem Hohen Hause schon öfter gesprochen.

(Vincent Kokert, CDU: Da sieht doch kein Schwein mehr durch heute.)

Dramatisch war der Rückgang der Arbeitsplätze auf dem Lande. Fast 700.000 Beschäftigte verloren in Ostdeutschland ihre Arbeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der Landtour unserer Fraktion haben wir auch einen Agrarbetrieb in Anklam besucht und neben aktuellen Fragen diese Gründerzeit gestreift. Auch dieser Betrieb ging typischerweise nach der Fusion einer LPG-Tierproduktion und einer LPG-Pflanzenproduktion in die Privatisierung. Die damaligen Abteilungsleiter und heutigen Geschäftsführer sagten uns, dass die einfachere Form für sie die Privatisierung und die Nichtweiterführung der LPG gewesen wäre. Man hätte keine Altschulden übernehmen müssen und viele soziale Verpflichtungen gegenüber der Dorfbevölkerung und den Dörfern wären mit dem Ende der Betriebe dann auch vorbeigewesen.

Anstelle der arbeitskräfteintensiven und risikoreichen Tierhaltung hätte eine reine Feldwirtschaft stehen kön

nen. Man hätte außerdem die ungeheure Kompliziertheit der LPG-Umwandlung, insbesondere der Vermögens- auseinandersetzung mit all ihren Unsicherheiten vermieden. Außerdem hätte man sich nicht mit alten Gebäuden belasten müssen. Dort, wo das so passiert ist, haben wir heute devastierte Flächen und suchen nach Mitteln, um sogenannte Schandflecken in der Landschaft zu beseitigen.

(Thomas Krüger, SPD: So ist das, genau so.)

In Anklam fiel die Entscheidung trotz aller Widrigkeiten für die Weiterführung der Milchviehhaltung auf hohem Niveau, auch damit so viele Mitglieder der ehemaligen LPG wie möglich beschäftigt werden konnten,

(Minister Dr. Till Backhaus: Ist ja auch mein Studienfreund, ne?! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

und damit man als Einheimischer seinen Mitbewohnern mit erhobenem Haupte begegnen konnte, so die beiden Geschäftsführer. Auch das dient dem Frieden im ländlichen Raum.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Ich will das ganz deutlich unterstreichen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Heute steht dieser Firmenverbund gut da, hat überdurchschnittlich viele Beschäftigte, die aufgrund der Betriebsgröße und der Arbeitsorganisation schon heute wissen, an welchen Tagen sie in welchen Schichten im Kuhstall arbeiten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE – Andreas Butzki, SPD: Genau. – Thomas Krüger, SPD: So muss das auch sein, Riesenfortschritt.)

Also hier wird das Tierwohl mit dem Wohl für den Menschen verbunden. Und das will ich auch unterstreichen.

Das ist nur eines von vielen Beispielen, so Tanja Busse – ich komme also auf die Autorin zurück –, dass viele ostdeutsche Landwirtschaftsbetriebe den westdeutschen durch ihre Großstrukturen und die hervorragende Ausbildung der Führungskräfte wirtschaftlich überlegen sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: Genau.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich erhebe ich nicht den Anspruch, die Agrargeschichte hier in Mecklenburg-Vorpommern abzuhandeln, und ich bitte nun nachträglich um Nachsicht für meine lange Einlaufkurve für dieses geschichtsträchtige Thema.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war aber sehr interessant.)

Doch nun zu dem Antrag direkt. Meine bisherigen Ausführungen und das, was ich bereits im Laufe des Jahres als Pressemitteilung – ich erinnere an die Pressemitteilungen vom Januar und vom Juli dieses Jahres – deutlich

gemacht habe, zeigen, dass das Vorhaben der GRÜNEN es deutlich macht, dass es hier ein anderes Herangehen in Mecklenburg-Vorpommern an die Fragen der Rechtmäßigkeiten der LPG-Umwandlungen gab, als das beispielsweise im Lande Brandenburg bekannt ist.

Hier, also bei uns wurde das Ergebnis des Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2002 und 2003 intensiv ausgewertet, mit Sachverständigen diskutiert und eventuell betroffene Betriebe umfangreich informiert.

Die in der umfangreichen Veröffentlichung – ich habe ja gesagt, das ist so ein dicker Band von Professor Walter Bayer: „Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989“ – beschriebene Untersuchung beinhaltet für unser Land die Sichtung der 110 Registereintragungen im Registerbezirk Schwerin. Es gab vier Registerbezirke seinerzeit. Auf diesem Gebiet erfahrene Juristen kritisieren, dass die Untersuchungen lediglich meist auf den 1991 verfügbaren Papieren basierten und noch erfolgte Nachbesserungen in der Vermögensauseinandersetzung nicht berücksichtigt werden konnten.

Im Umwandlungsbeschluss war jedem LPG-Mitglied der Erwerb der umgewandelten Arbeit durch die Gesellschaft anzubieten gemäß Paragraf 36 Landwirtschaftsanpassungsgesetz. War einem Mitglied die angebotene Summe zu niedrig, hatte auf seinen Antrag das Landwirtschaftsgericht die angemessene Summe zu bestimmen. Das erfolgte gemäß Paragraf 37 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes. Das hat im untersuchten Registerbezirk Schwerin zu insgesamt 346 Verfahren in der ersten Instanz geführt, in denen es beispielsweise um Auskunftsersuchen, um Zinsforderungen oder um höhere Anteile ging. Viele dieser Verfahren zogen sich über drei Jahre hin. In 132 Fällen wurde ein Vergleich angenommen. 49 Fälle gingen in die zweite Instanz.

Die Statistik der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat Fälle bis zum Jahre 2001 betrachtet. Die Klagen der ehemaligen Mitglieder beruhen auf ihren zivilrechtlichen Ansprüchen, ich unterstreiche, zivilrechtlichen Ansprüchen gegenüber LPG-Nachfolgebetrieben.

(Thomas Krüger, SPD: Genau richtig, genau richtig.)

Dieser Rechtsanspruch besteht im Grunde heute noch, wobei es wegen der immer mehr fehlenden handelnden Personen und vor allem der Unterlagen ein schwieriges Unterfangen würde. Dem kann meines Erachtens auch nicht der Landtag hier in Mecklenburg-Vorpommern Abhilfe schaffen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Thomas Krüger, SPD)

Der Versuch, mit diesem Antrag politisches Kapital für die GRÜNEN herauszuschlagen, ist aus mehreren Gründen zum Scheitern verurteilt.

(Torsten Renz, CDU: Zwei Gründe würden wir ja mal gerne hören.)

Zum einen zeigt die geringe Inanspruchnahme der Lis- teneinsicht – Frau Dr. Karlowski sprach im Agrarausschuss von 20 Interessenten, ich habe inzwischen in der neuesten Veröffentlichung in Ihrer Pressemitteilung gele

sen, dass es 50 sind –, sie hält sich doch dann aus meiner Sicht sehr stark in Grenzen.

Auch wenn sich der Landtag an der vergeblichen Aufarbeitung versuchen würde, der Weg der Klage müsste von jedem einzelnen Bürger selbst begangen werden.

(Stefanie Drese, SPD: Ja, genau.)

Der Landtag kann kein Geld auszahlen, das will ich hier noch mal mit aller Klarheit feststellen. Eine große ABM, einige werden noch wissen, was das heißt,

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen wäre angeschoben, die kaum Erfolgsaussichten hätte. Zum anderen finde ich es verantwortungslos, unberechtigte Hoffnungen zu wecken,

(Vincent Kokert, CDU: Da haben Sie völlig recht. Da haben Sie völlig recht.)

Betriebe zu verunsichern und den inzwischen vorhandenen Rechtsfrieden im ländlichen Raum zu gefährden,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Andreas Butzki, SPD: Das stimmt.)

um einen grünen Populismus zu betreiben. Nicht die vielfältigen Folgen der Rechtsunsicherheiten einer wohl einmaligen Epoche sollen mit Ihrem Antrag bereinigt werden, sondern die am Ende erfolgreichen LPGUmwandlungen als Ganzes sollen für ungültig erklärt werden. Und das geschieht nicht mit uns. Das sage ich für meine Fraktion mit aller Entschiedenheit.

(Beifall Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE – Stefanie Drese, SPD, und Thomas Krüger, SPD: Mit uns auch nicht.)

Wie schon gesagt, halte ich gerade die Genossenschaften mit ihren Mehrfamilienbetrieben für ein sehr gutes Modell für die Zukunft.

(Andreas Butzki, SPD: Das stimmt.)

Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Eine letzte Bemerkung ist, eine außerordentlich gute Bilanz konnte auf dem Genossenschaftstag in Sternberg im Sommer dieses Jahres für die Entwicklung der Genossenschaften in unserem Lande gezogen werden. Minister Backhaus hat die Zahl genannt, etwa 800. Genau sind es 776 juristische Personen als Nachfolger der LPG und 3.949 andere landwirtschaftliche Betriebe, natürliche und Personengesellschaften, also GbR existieren in unserem Lande, das sind 4.725 Betriebe. Denen müssen wir eine Zukunft geben und sie nicht mit solchen Verunsicherungen konfrontieren.