Damals gab es große Broschüren, Zeitungsberichte, das ist das Tolle. Es gab auch ein paar Probleme, aber es war der erste Ansatz, wo auch in der Praxis mal so etwas realisiert wurde. Heute, nach 20 Jahren, kommen wir nun mal alle langsam zu der Erkenntnis, dass das Allgemeingut ist.
Ich kann mich auch, Herr Ritter, daran erinnern, als wir mal die Demminer Verkehrsbetriebe besucht haben, welche Schwierigkeiten dieses Unternehmen hatte, dass die Förderung umgestellt wird von den großen Bussen auf kleinere Busse, weil einfach die Anzahl der Fahrgäste nicht mehr da ist. Also, meine Damen und Herren, das Brett „Die alternde Gesellschaft“ ist wahrlich sehr, sehr dick.
Es wurden Ideenwettbewerbe gefördert, Lokale Bündnisse für Familien initiiert, Seniorentrainerinnen und -trainer im Programm „Weiterbildung älterer Menschen für bürgerschaftliches Engagement“ ausgebildet. Alles richtig, alles unterstützenswert, ich stelle das nicht infrage, sondern ich sage nur, es ist ein Großteil Vorarbeit geleistet worden.
Auch das Bündnis für Arbeit, welches sowohl unter RotRot existierte als auch jetzt in der Großen Koalition existiert, sowohl in der vorhergehenden Wahlperiode wie auch jetzt weiterarbeiten wird, hat seine Ausrichtung geändert. Na ganz klar, weil die Probleme sich anders darstellen. Vor zehn Jahren ging es noch darum, die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Jetzt geht es insbesondere darum, den Fachkräftebedarf zu sichern. Das habe ich nie kritisiert, sondern ich habe gesagt, diese Ausrichtung ist richtig.
Die „Denkwerkstatt Mecklenburg-Vorpommern 2020“, Herr Köster, die ich im Jahre 2000 ins Leben gerufen habe, hat genau den Ansatz gehabt, um Antworten für die demografische Entwicklung zu finden. Ich will daran erinnern, dass die Verknüpfung von Arbeitsmarktpolitik und regionaler Strukturentwicklung, die damalige Existenzgründerkampagne und der Aufbau eines Regionalmanagements auf die Ergebnisse meiner Denkwerkstatt zurückgehen. Es gibt also eine Menge an Daten und Vorarbeiten. Dieser Fundus müsste die Arbeit der neuen Kommission eigentlich erleichtern.
dass die Kommission recht schnell eine fraktionsübergreifende Strategie mit konkreten Handlungsempfehlungen vorlegt.
Was ich nicht möchte, das will ich ausdrücklich betonen, weil ich zu Beginn der Enquetekommission der vergangenen Legislaturperiode dort mitgearbeitet habe, ist, dass in dieser Enquetekommission sozusagen das Kräftespiel der politischen Lage – Koalition gegen Opposition – gespielt wird, sondern hier geht es um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.
Wir, die Fraktion DIE LINKE, erwarten ein Gesamtkonzept für Mecklenburg-Vorpommern, das Antworten gibt, Antworten auf solche Fragen wie beispielsweise: Wollen wir an der Leitvorstellung der gleichwertigen Lebensverhältnisse in allen Teilen unseres Landes festhalten, wie sie im Grundgesetz und der Landesverfassung verankert ist? Wenn das bejaht wird, was ich erwarte, dann müssen wir definieren in der Enquetekommission: Was verstehen wir denn unter den gleichwertigen Lebensbedingungen und wie wollen wir diese herstellen?
Der Koalitionsvertrag der jetzigen Koalition ist in diesem Punkt nicht eindeutig. In Ihrem Punkt 397 heißt es kryptisch, ich darf zitieren: „Die öffentliche Infrastruktur sowie der Personalbestand des Landes und der Kommunen werden an eine geringer werdende Bevölkerungszahl und eine älter werdende Gesellschaft angepasst.“ Was heißt denn das konkret? Bedeutet das einen Rückbau von Einrichtungen und Personal, eine Verlagerung der Schwerpunkte oder einen Ausbau? Wie wird das zentralöffentliche System der Zukunft aussehen? Das sind alles Fragen, die wir so oder so, Herr Heydorn, in der Kommission dann debattieren müssen. Nun weiß ich, dass der Koalitionsvertrag für diese fünf Jahre gilt und die Enquetekommission noch ein Stück weiter in die Zukunft arbeitet, aber es korrespondiert miteinander.
Und genauso, wie Herr Heydorn das angesprochen hat, will ich das auch ansprechen: Wer kümmert sich um die jungen Alten und die Alten jenseits der 80, die Hochaltrigen? Sicherlich die Familie, sicherlich die Nachbarn und die vielen ehrenamtlichen Helfer vom Verein nebenan. Aber wir müssen auch darüber diskutieren, welche professionellen Strukturen wollen und müssen wir als Gesellschaft vorhalten, damit die Seniorinnen und Senioren in Würde leben können.
Auch hier stellt sich die Frage: Wie viel Geld wollen wir als Gesellschaft aufwenden? Ich will hier gerne den Begriff des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors in die Waagschale werfen.
In Punkt 400 des Koalitionsvertrages heißt es, dass „Pilotprojekte“ in wirtschaftlich leistungsfähigen Kommunen erprobt werden sollen, um die bestehenden Strukturen der wohnortnahen Grundversorgung zu stabilisieren. Pilotprojekte kann man immer machen und Pilotprojekte verschiedener Art hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben.
Das alleine kann aber nicht die Antwort sein, denn so schön die Einrichtung einer „Neuen Dorfmitte“ ist, für ausgewählte Gemeinden stellt sich die Frage: Was wird aus den Menschen, die in diesen Gemeinden eben nicht leben, also in Gemeinden, die nicht so leistungsfähig sind wie die, die diese Pilotprojekte dann realisieren sollen? Und was wird übrigens aus den Bürgerinnen und Bürgern, die in abgelegenen Gemeinden wohnen, die nur über, na ja, nicht so gute Straßen, um nicht zu sagen, Holperpisten erreichbar sind, wo auch kein Bus mehr fährt? Was wird aus jenen Bürgerinnen und Bürgern, die überwiegend betagt und einkommensschwach sind? Heißt das – das könnte ich jetzt an einem ganz persönlichen familiären Beispiel erläutern –, dass die Älteren und die Hochaltrigen aus ihrer angestammten Wohngegend, aus dem Dorf auf dem Lande dann nach 50, 60 Jahren umziehen?
Es geht also um mehr, als nur zu analysieren, sondern es geht um Antworten. Und dann geht es auch um die Frage der gleichwertigen Lebensverhältnisse genau für diese Personengruppe. Deswegen müssen wir, nach meiner Auffassung, das ganze Land im Blick haben und nicht nur Städte und größere Dörfer, die wir jetzt mal als Zentraldorf bezeichnen würden.
Wir haben uns als Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode mit Wissenschaftlern und anderen Spezialisten aus Wirtschaft und Politik, mit Praktikerinnen und Praktikern genau mit diesen Fragen beschäftigt. Wir haben unser Leitbild für Mecklenburg-Vorpommern für die Zeit nach 2020 entwickelt. Das Leitbild trägt den Namen Leitbild „Mecklenburg-Vorpommern 2020 +“. Hier geht es um ein Diskussionsangebot, um gar keinen Pragmatismus, den wir hier formuliert haben. Es geht hier um kreative Lösungsansätze. Es geht auch um neues Denken. Es geht darum, wie Lebensqualität in den nahen Lebensräumen für die Menschen gestärkt werden kann und wie auch die regionale Wertschöpfung ausgebaut werden kann. Wir wollen dieses Dokument gerne auch in die Enquetekommission einbringen und stellen es damit zur Verfügung.
Wir werden auch nicht an der Frage vorbeikommen, wie wir es denn erreichen wollen, dass junge und gut ausge
bildete Männer und Frauen im Lande bleiben, wie wir erreichen können, dass sie sich hier wohlfühlen und eine Familie gründen. Selbstverständlich hat das was mit anständigem Lohn – gute Arbeit, gute Löhne, wie die Gewerkschafter sagen – zu tun. Wir müssen weg von dem Niedriglohnimage, und nicht nur von dem Image, sondern tatsächlich von dem niedrigen Lohnniveau, welches in Mecklenburg-Vorpommern gezahlt wird, denn von der schönen Landschaft, von der sauberen Luft und nur von der Liebe kann man sicherlich nicht leben.
Wir brauchen aber nicht nur bessere Löhne, sondern wir brauchen auch bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Das hat was mit den Kindereinrichtungen zu tun, mit flexiblen Öffnungszeiten. Es hat etwas damit zu tun, ob es barrierefreie Mobilität, Kommunikation und den Zugang zu Kunst und Kultur für alle gibt. Und das ist nämlich genau der Punkt: Haben wir den Anspruch für alle oder für Ausgewählte? Meine Fraktion sagt, wir müssen alle im Blick haben und können nicht Bedingungen für ausgewählte Gruppen der Bevölkerung schaffen.
Und in dem Sinne erwarten wir, dass die Arbeit der Enquetekommission auch eine Einladung ist, eine Einladung an die Menschen im Land, aber sicherlich auch an diejenigen, die überlegen oder mit uns liebäugeln, hier ihren Wohnsitz zu nehmen, vielleicht auch hier arbeiten wollen. Entscheidend ist doch, dass wir das Land für die Menschen attraktiver machen. Deswegen brauchen wir die von mir erwähnte gesamtgesellschaftliche Strategie. Wir brauchen eine Strategie, die sachgerecht ist und nicht parteipolitisch. Das ist unser Anspruch an die Enquetekommission.
Und das Ergebnis der Arbeit dieser Enquetekommission, also dieser Strategie, die da entstehen soll, sollte nach unserer Auffassung auch Wahlen und damit Wechsel von Koalitionen, von Regierungen, auch der Zusammensetzung des Parlamentes überstehen und überdauern. Sie muss schließlich von den Einwohnerinnen und Einwohnern getragen werden. Eine Enquetekommission, die sich nur mit den Fragen selbst beschäftigt und nicht transparent nach außen arbeitet, wird nicht den Erfolg erzielen können. Deswegen brauchen wir dauerhafte und verlässliche Entscheidungen aus dieser Enquetekommission, die wir sicherlich dann auch im Landtag in geeigneter Weise hier debattieren werden.
Ich plädiere am Ende einer solchen Arbeit für einen neuen Vertrag zwischen den Generationen, in dem Jung für Alt und – umgekehrt – Alt für Jung steht. Eine solche Strategie erwarten wir von dieser Enquetekommission. Wir wollen ein parteiübergreifendes Konzept. Wir er-
warten, dass dann die Entscheidungsträger nach den Empfehlungen der Enquetekommission die Kraft und die Ausdauer haben, diese Empfehlungen auch umzusetzen. Das ist das Entscheidende, umzusetzen. Und ich sage ganz deutlich: Eine Enquetekommission, deren Anspruch geringer ist, brauchen wir nicht. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, stimmen wir für die Einsetzung der Enquetekommission mit der Ergänzung, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier eingebracht hat. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mal in die Parlamentsrunde: Möchten Sie alt werden?
Die Antwort mag unterschiedlich ausfallen, doch, liebe Kollegen, da das Elixier ewiger Jugend noch nicht erfunden worden ist, werden wir nicht darum herumkommen, uns früher oder später, jeder für sich, damit zu befassen.
Doch damit wird es sich nicht haben, schauen wir auf unsere Altvorderen und auf die, die uns nachfolgen. Der lange unter dem Begriff „Jugendwahn“ kursierende Begriff für die Ausrichtung des Marktes auf junge Leute, Schnee von gestern. Schlagzeilen wie „Die Alten sind auf dem Vormarsch“, „Die Zukunft sieht alt aus“ oder „Altersmedizin statt Kreißsaalbetten“ zeigen uns deutlich, was uns in allernächster Zeit erwartet, in MecklenburgVorpommern sogar viel eher als anderswo. Deshalb muss die Frage anders gestellt werden, nämlich: Wie wollen wir alt werden? Gesund altern, klar. Wenn dies aber nicht eintrifft: Kann ich mich ohne Ängste in Pflege begeben? Was geht zu Hause? Kann ich mir das leisten?
Wir wissen alle, dass diese Systeme, die wir kennen oder wie wir sie kennen, überarbeitungswürdig sind. Die Zahlen sind bekannt und nachlesbar in schon gut strukturierten Papieren wie den Dokumenten der Altenparlamente, aus denen auch Forderungen, wie altersgerechtes Wohnen beispielsweise, in den Enqueteeinsetzungsantrag übernommen wurden. Auf den Punkt bringt es eine konzeptionelle Vorarbeit des inzwischen verstorbenen Dr. Trommer: „Ressourcen und Potenziale des Alters nutzen und stärken“. Ich bin gespannt, ob es ein Stück weit deckungsgleich mit dem für das Frühjahr angekündigte Demografiestrategiepapier der Bundesregierung ist.
Gestern wurde uns an der Schweriner Hochschule der Bundesagentur für Arbeit ein Arbeitsmarktmonitor vorgestellt. Wie in der Broschüre „Perspektive 2025“ sind darin Fakten aufbereitet, die auch unser Thema beleuchten. Wir alle wissen, ich wiederhole es, dass diese Systeme, die wir kennen, überarbeitungswürdig sind. Teilhabe und Versorgungsansprüche sind die eine Seite, die Umsetzung die andere. Genau das soll die Enquetekommission untersuchen, Anpassungsmaßnahmen und Zeitkorridore vorschlagen.
Ich stelle mir das Altern gerne so vor: Geborgenheit, Fürsorge, fachliche Pflege und nette Menschen, die einem
helfend zur Seite stehen, mit denen man reden und lachen kann, die einen auch mal ohne Worte verstehen. Aber ich weiß auch, dass die Realität bisweilen völlig anders aussieht. Es sollte nicht zu beschwerlich sein im Alter, Einkäufe zu erledigen. Ich meine damit gewiss nicht den Weg zum mobilen Brot- oder Fleischerwagen einmal in der Woche. Das ist etwas zu wenig. Der Weg zum Arzt möge kurz sein, wenigstens der zum Hausarzt.
Ich rede also von Servicenetzwerken, die wiederum Arbeitsplätze mit sich bringen. Ich sage das im Hinblick auf eine nicht zu unterschätzende Gruppe der Bevölkerung: die arbeitenden Alten. Was kann man den 50- bis 67Jährigen dauerhaft zumuten? Ich rede auch von seniorengerechten Produkten und von Dienstleistungen. Selbst Banken und Sparkassen stellen sich inzwischen diesbezüglich Fragen. Denken Sie mal an das Onlinebanking.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Aber das mit den 50-Jährigen hättest du dir klemmen können! – Zurufe von Heinz Müller, SPD, Jochen Schulte, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)