Auf der anderen Seite haben wir gleichzeitig zu verzeichnen, dass wir in der Bevölkerungsdichte zurückgehen. Die Bevölkerungsdichte lässt nach, es werden weniger Menschen, die Infrastruktur geht zurück, bestimmte Versorgungseinrichtungen gehen zurück. Das ist ein gesellschaftspolitisches Thema, das Älterwerden, was die Menschen auf allen Ebenen beschäftigt – bis auf die NPD, die beschäftigt sich mit anderen Dingen, das haben wir heute wieder reichlich geboten bekommen –,
was bedeutet, dass letztendlich in Mecklenburg-Vorpommern Bevölkerung älter wird, dass die Strukturen zurückgehen
Uns beschäftigt das, solange ich im Landtag bin. Das sind jetzt zehn Jahre. Solange haben wir immer wieder Initiativen ergriffen, die in diese Richtung gehen.
Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir unterschiedliche Zuständigkeiten haben. Wir als Landesebene können bestimmte Dinge im Rahmen unserer Kompetenz regeln. Es gibt die kommunale Ebene, die auch letztendlich für die Menschen in ihren Städten und Gemeinden verantwortlich ist und die die Dinge häufig sehr unterschiedlich angeht.
Es gibt die Kassenärztlichen Vereinigungen, es gibt die Wohnungswirtschaft, es gibt die Verkehrsbetriebe. Alle sind letztendlich in irgendeiner Form mit dem demografischen Wandel beschäftigt und damit, wie man letztendlich darauf reagiert und welche Maßnahmen man ergreift, um hier das Land zukunftsfähig zu machen.
Aber was unseres Erachtens ein Stück weit verbessert werden kann, ist die Zusammenarbeit der Akteure. Die Zusammenarbeit der Akteure muss unseres Erachtens in den Fokus genommen werden
und deswegen schlagen wir Ihnen die Bildung einer Enquetekommission vor. Enquetekommissionen im Landtag – diejenigen, die sich damit beschäftigt haben, wissen das – bestehen auf der einen Seite aus Landtagsabgeordneten und auf der anderen Seite aus externen Experten, die dann quasi zusammenkommen, sich des Themas annehmen und Empfehlungen erarbeiten, die dann letztendlich auch zur Umsetzung gebracht werden können.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Stefan Köster, NPD: Es spricht der Vertreter der ältesten Partei. – Zuruf von Heinz Müller, SPD – Der Abgeordnete Helmut Holter spricht bei abgeschaltetem Mikrofon. – Peter Ritter, DIE LINKE: Mikro!)
Meine Fraktion stimmt der Einsetzung einer Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ zu. Aber: Wie im Vorfeld der Landtagssitzung und auch in der Rede eben von Herrn Heydorn schon deutlich wurde, gibt es da unterschiedliche Erwartungen an diese Kommission. Und der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN macht genau diesen Anspruch deutlich, den auch wir haben. Geht es denn nun um die Alten und die Hochal- trigen in unserer Gesellschaft oder geht es um ein gesamtgesellschaftliches Problem, wo wir alle Bevölkerungsgruppen im Blick haben? Geht es darum, die Bevölkerung im Ganzen zu betrachten und dazu auch entsprechende Strategien zu entwickeln?
Ich meine, wir sollten hier einen umfassenden Auftrag für diese Enquetekommission verabschieden. Wir wollen deswegen dem Änderungsantrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, bitten aber, Frau Präsidentin, den Punkt 5 einzeln abzustimmen, also die Punkte 1 bis 4 gemeinsam und Punkt 5 einzeln, weil wir in dieser Terminsetzung eine andere Auffassung haben.
Zurück zum Thema: Wir halten also eine solche Kommission für notwendig. Die Diskussion, die im Vorfeld geführt wurde, zeigt das Dilemma der bisherigen Politik auf. Die Kommission ist mehr als überfällig. Der Handlungsdruck ist jetzt schon da. Und das haben diejenigen, die in der letzten Legislaturperiode hier mitgemacht und mitdiskutiert haben, auch immer wieder unterstrichen. Es gab immer wieder auch unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Ideen, wie man den demografischen Wandel in Mecklenburg-Vorpommern angehen kann.
Es wundert mich schon, dass die Große Koalition jetzt einen Doppelhaushalt auf den Weg bringt, über Schwerpunkte in der neuen EU-Förderperiode spricht und diese auch vereinbart mit den Sozialpartnern, ohne dass die Koalition eine Gesamtstrategie für die Herausforderungen, die sich aus der demografischen Entwicklung ergeben, selbst hat.
Und es ist nicht neu – Herr Heydorn, Sie haben das gerade beschrieben –, dass sich in Mecklenburg-Vor- pommern, in Ostdeutschland sowieso, aber in Mecklenburg-Vorpommern im Besonderen der demografische Wandel besonders schnell und intensiv vollzieht. Wenn weniger Kinder geboren werden, als Menschen sterben, dann ist ganz klar, dass in 20 oder mehr Jahren weniger junge Menschen hier im Lande leben, die dann eine Familie gründen können und wieder selbst Kinder bekommen. Und wenn in einem Land wie dem unseren seit Jahrzehnten niedrigere Löhne gezahlt werden und wir als Land Mecklenburg-Vorpommern bei dem Armuts- risiko an der Spitze in Deutschland stehen, dann darf man sich nicht wundern, dass junge und mobile Menschen sich auf den Weg in eine Region der Bundesrepublik machen,
um dort zu arbeiten, dort den Wohlstand zu entwickeln. Und das betrifft insbesondere junge Frauen, die unser Land verlassen.
Weniger Kinder und mehr Seniorinnen und Senioren heißt aber auch nichts anderes, als dass die Erwerbsbevölkerung absolut und relativ abnimmt. Das ist nicht nur eine Frage nach Fachkräften, sondern das ist auch eine Frage, wie viel Geld in Mecklenburg-Vorpommern selbst erwirtschaftet wird.
Ich sage bloß, was über Ihrem Koalitionsvertrag steht: „Zukunft aus eigener Kraft“. Wie viel Kraft haben wir denn noch selbst, um unsere Mittel, die wir für ein eigenständiges Mecklenburg-Vorpommern benötigen, zu erwirtschaften? Dieser Prozess und andere sind bereits mehrfach beschrieben. Ich will das auch gar nicht kritisieren, sondern ich will nur noch mal feststellen, in welcher Situation, in welcher Ausgangssituation wir uns für diese Enquetekommission befinden. Das hat sowohl der Landtag getan, das haben auch die jeweiligen Landesregierungen getan.
In Rostock gibt es das Max-Planck-Institut. Dort arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich ausschließlich mit der Bevölkerungsentwicklung weltweit, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen. Wir wissen auch, dass der Bund, das zuständige Ministerium, die sogenannte MORO-Studie angeschoben hat. Auch hier in Mecklenburg-Vorpommern, konkret an der Mecklenburger Seenplatte, gibt es Ergebnisse, die in einem Katalog zusammengestellt sind, wo sich die Wissenschaftler und die Praktiker, die sich damit beschäftigt haben, sehr dezidiert zum öffentlichen Personennahverkehr, zur medizinischen Versorgung, zu Bildungsfragen und vielen anderen Dingen, die eben unter der Daseinsvorsorge zu verstehen sind, äußern. Ideen, Vorschläge gibt es für den jetzigen Landkreis – damals und heute Planungsregion –, aber eben auch für den alten Landkreis Ostvorpommern. Wir müssen also das Fahrrad als solches nicht neu erfinden.
Was ich feststellen möchte, ist, dass in der Vergangenheit vieles parallel gelaufen ist. Der Wettbewerb, die Idee ist sehr gesund, und es soll uns auch immer auszeichnen, dass wir darüber diskutieren und progressiv streiten, aber so richtig zusammengeführt wurden die verschiedenen Analysen und Vorschläge in der Vergangenheit eben nicht. Ich will exemplarisch bewusst ein Beispiel herausnehmen, welches aus der Zeit der 4. Legislaturperiode stammt:
Im November 2001 gab es einen Antrag der SPD und PDS, der da hieß: „Demographische Entwicklung – Herausforderung für ein zukunftsorientiertes Land“. Das war die Drucksache 3/2396, also 3. Legislaturperiode, Entschuldigung. Die CDU-Fraktion konterte
Darum geht es mir gar nicht. Das will ich gerne tun, noch mal nachlesen. Ich will bloß deutlich machen, dass wir damals und auch in den folgenden Legislaturperioden bis heute es nicht geschafft haben, einen fraktionsübergrei
fenden – die Fensterfraktion lasse ich außen vor – Konsens zu finden, wie wir denn gemeinsam die verschiedenen Ideen in eine Landesstrategie einbringen.
Ich will daran erinnern, dass die Agentur „mv4you“, weil Herr Köster hier auch meine Zeit als Arbeitsminister ansprach,
damals belächelt und verschmäht wurde. Heute wird sie gern als Beispiel herausgestellt. Ja, wir haben zahlreiche Papiere beschrieben: Landtag, Landesregierung, Wissenschaftler,
Institute, Büros et cetera. Die Analysen waren in der Regel zutreffend, von den konzeptionellen Ideen war es eher dürftig.
Wir haben darüber debattiert, ob Wohnungen altengerecht oder barrierefrei sein sollen. Ich gebe zu, auch ich habe hier einen Lernprozess durchgemacht. Getroffene oder ausgebliebene Entscheidungen zu Schulstandorten oder zur Berufsschullandschaft haben unsere Gesellschaft regelrecht zerrissen. Das waren, Herr Ringguth, heiße Debatten, die wir querbeet durch die Parteien und die Fraktionen im Übrigen hier geführt haben. Das erste Projekt für einen Bürgerbus gab es wo? In Molzow, im Müritz-Kreis, Mitte der 90er-Jahre.
Damals gab es große Broschüren, Zeitungsberichte, das ist das Tolle. Es gab auch ein paar Probleme, aber es war der erste Ansatz, wo auch in der Praxis mal so etwas realisiert wurde. Heute, nach 20 Jahren, kommen wir nun mal alle langsam zu der Erkenntnis, dass das Allgemeingut ist.