Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Für ein deutlich stärkeres Engagement des Landes bei der Übernahme von Restschulden müsse sich der Kreistag gegenüber der Landesregierung starkmachen.

(Marc Reinhardt, CDU: Denn man tau!)

Man mag es kaum glauben, aber so hieß es auch vonseiten der CDU-Abgeordneten, bei denen der Zaubertrank umso wirkungsloser wird, je näher sie dem Schweriner Schloss kommen.

(Patrick Dahlemann, SPD: Bei Glühwein.)

Meine Damen und Herren, wenn der Hintergrund nicht so ernst wäre, könnte man das Ganze als Provinzposse abtun und im Übrigen dem CDU-Landesvorsitzenden viel Spaß mit seinen östlichen Kreisverbänden wünschen,

(Vincent Kokert, CDU: Das hat er doch ganz gut im Griff.)

aber es handelt sich hier laut Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage um rund 50 Millionen Euro.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das Innenministerium geht nämlich davon aus, dass trotz 27 Millionen Euro aus der Altfehlbetragsumlage und möglichen Landeshilfen von rund 22 Millionen Euro aus dem Haushaltskonsolidierungsfonds immer noch etwa 50 Millionen Euro als allgemeine Schulden des Landkreises bestehen bleiben. Der hiergegen gerichtete Protest, insbesondere aus der Hansestadt Greifswald, ist dann verständlich, und zwar nur dann, wenn man den Zusagen des Innenministeriums, weitere Hilfen zu leisten, keinen Glauben schenkt.

Meine Damen und Herren, wenn dieses Misstrauen gegen den Innenminister nun ausgerechnet von der CDUKreistagsfraktion entwickelt wird, dann haben wir eine unschöne Situation. Dann wird nämlich notwendige und rationale Kreispolitik durch CDU-interne Machtkämpfe blockiert.

(Marc Reinhardt, CDU: Oha!)

Das gefährdet auch die Haushaltskonsolidierung und das widerspricht dem Interesse von Land und Landkreis gleichermaßen. Deshalb fordere ich einerseits, das parteiinterne Hickhack sofort zu beenden

(Vincent Kokert, CDU: Oh, da erschaudern wir aber, wenn Sie das fordern! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

und gleichzeitig vertrauensvoll, mutig und auch kreativ auf den Landkreis Vorpommern-Greifswald zuzugehen!

(Vincent Kokert, CDU: Da wird mir richtig angst jetzt. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Ob eine rechtsaufsichtliche Anordnung, die Altfehlbetragsumlage sofort zu vollziehen, letztlich der richtige Weg ist, weiß ich nicht. Das Innenministerium würde damit wohl zunächst die CDU-Blockade im Kreistag beenden. Das wäre schon ein Wert an sich. Konstruktiver und sinnvoller wäre jedoch etwas anderes.

Auf meine Frage, unter welchen Umständen die Landesregierung die Möglichkeit sieht, die im Raum stehenden Restschulden zu übernehmen, antwortete das Innenministerium folgendermaßen: „Die Landesregierung kann hierzu gegenwärtig keine Aussage treffen und wird kurzfristig auch keine verbindliche Erklärung abgeben.“ Das, meine Damen und Herren, ist weder mutig noch vertrauensvoll, noch kreativ. Und deshalb fordert unser Antrag ein verbindliches Verfahren.

Ich erinnere abschließend noch einmal an den eingangs zitierten Bericht der Landesregierung zur Umsetzung der Landkreisordnung. Dort wird unter der Überschrift „Vermögensauseinandersetzung“ von der moderierenden Rolle des Innenministeriums berichtet.

(Heinz Müller, SPD: Hier geht es aber nicht um Vermögensauseinandersetzungen.)

Dort wird den Landkreisen für den zu leistenden Wertausgleich an die eingekreisten Städte ein nicht rückzahlbarer Zuschuss in Aussicht gestellt.

(Torsten Renz, CDU: Was macht denn die Kreis-CDU?)

Und jetzt wörtlich: „Auf dieser Grundlage zeigen sich die beteiligten Körperschaften derzeit wieder verhandlungsbereit.“ Nach meiner Kenntnis ging es hierbei unter anderem um Nordwestmecklenburg und die Hansestadt Wismar.

Meine Damen und Herren, genau dieses konstruktive Herangehen fordert unser Antrag von der Landesregierung auch im Fall Vorpommern-Greifswald. Und weil dies so wichtig ist, weil uns das so wichtig ist, beantragen wir eine namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Da haben Sie das schärfste Schwert herausgeholt.)

Vielen Dank, Frau Rösler.

Das Wort hat jetzt die Justizministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Kuder.

Ach nein, ich muss ja erst noch was sagen, Entschuldigung. Jetzt habe ich vergessen anzusagen, dass wir im Ältestenrat vereinbart haben, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen, und dagegen gibt es offensichtlich keinen Widerspruch.

Dann, Frau Kuder, haben Sie jetzt das Wort.

(Marc Reinhardt, CDU: Jetzt wirds spannend.)

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich spreche jetzt für den Innenminister.

(Marc Reinhardt, CDU: Sehr gut. – Zuruf vonseiten der Fraktion DIE LINKE: Multitalent.)

Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir angesichts dieses Antrages Sorgen mache. Und diese Sorgen beziehen sich nicht auf den Landkreis Vorpommern-Greifswald – zu dessen in der Tat erheblichen Problemen komme ich gleich –, sondern ich mache mir Sorgen um das Grundverständnis von Demokratie, das die LINKEN hier offenbaren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der CDU- Kreistagsfraktion, wollten Sie sagen.)

Fakt ist, es gibt das Landkreisneuordnungsgesetz, das die Vertreter des Souveräns hier in diesem Hohen Hause verabschiedet haben. Das Gesetz ist vor dem Landesverfassungsgericht bezüglich seiner Regelung zur Altfehlbetragsumlage in Paragraf 25 beanstandet worden. Das Gericht hat jedoch die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und die Regelung für verfassungsgemäß erklärt. Und nun ist es Sache des Landkreises Vorpommern-Greifswald, dieses Gesetz anzuwenden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das sieht die CDU-Kreistagsfraktion offenbar anders.)

Und es ist Sache des Innenministeriums als Rechtsaufsichtsbehörde, die Anwendung dieser Regelung sicherzustellen. Genau das haben wir getan und, ich sage es schon jetzt, von diesem Kurs werden wir uns auch nicht abbringen lassen.

Dies vorangestellt möchte ich noch einmal den Sachverhalt erläutern: Der Landkreis Vorpommern-Greifswald hat bei seiner Neubildung im September 2011 Altfehlbeträge von den Altkreisen Ostvorpommern und Uecker-Randow in Höhe von circa 102 Millionen Euro übernommen. Diese konnten durch die in den Jahren 2011 und 2012 gewährten Strukturbeihilfen auf knapp 93 Millionen Euro reduziert werden, stellen aber damit immer noch eine erhebliche Belastung dar.

Die fehlenden Finanzmittel muss der Landkreis über die Aufnahme von Krediten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit decken. Allein zur Finanzierung der Altfehlbeträge fallen derzeit durchschnittlich etwa 1 Million Euro Zinsen jährlich an. Da die Liquiditätskredite einem hohen Zinsänderungsrisiko unterliegen, würden bei einem Anstieg des Zinsniveaus die Effekte der voranzutreibenden Haushaltssicherung in nicht unwesentlichem Maße konterkariert werden.

Gemäß Paragraf 25 Absatz 2 des LNOG sollen die Landkreise zum Abbau der Altfehlbeträge von den betroffenen Kommunen eine Altfehlbetragsumlage erheben. Den Landkreisen ist zum Handeln eine lange Frist eingeräumt. Sie beträgt zehn Jahre und kann bei Vorliegen einer besonders schwierigen Haushaltslage der betroffenen Gemeinden mit Zustimmung der Rechtsaufsichtsbehörde um bis zu fünf Jahre verlängert werden. Diese Zustimmung habe ich bereits erteilt.

Meine Damen und Herren, das kleine Wörtchen „sollen“ bedeutet, dass eine sogenannte intendierte Ermessensentscheidung zu treffen ist. Nur in Ausnahmefällen kann von der Erhebung der Altfehlbetragsumlage abgesehen werden. Als einzig denkbarer Ausnahmefall war hier zu überlegen, ob die betroffenen Gemeinden mangels Leistungsfähigkeit schlicht nicht in der Lage wären, die Altfehlbetragsumlage zu leisten.

(Patrick Dahlemann, SPD: Dann ist doch alles okay.)

In Anlehnung an die Urteile zur Kreisumlage wäre das nur dann der Fall, wenn die Umlage jedes vernünftige und vertretbare Maß übersteigt, der Kreis mit ihr willkürlich und rücksichtslos zulasten der kreisangehörigen Gemeinden seine kreispolitischen Interessen verfolgt und die Altfehlbetragsumlage objektiv geeignet ist, eine unzumutbare Belastung der Gemeinden dergestalt zu bewirken, dass sie jede Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Betätigung verlieren. Diese Situation ist in diesem Fall nicht gegeben.

Aus der Gemeindefinanzanalyse der Landrätin geht hervor, dass die kreisangehörigen Gemeinden überwiegend nur unterdurchschnittliche Hebesätze für die Grund- steuer A, Grundsteuer B und die Gewerbesteuer festsetzen. Die Festsetzung unterdurchschnittlicher Hebesätze versäumt nicht nur Einnahmemöglichkeiten, sondern steht bei problematischer Leistungsfähigkeit auch im Widerspruch zum Runderlass des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2007.

Danach sind Gemeinden in derartigen Haushaltssituationen gehalten, bei der Anpassung ihrer Hebesätze einen Vergleichsmaßstab zu wählen, der über dem durchschnittlichen Niveau der neuen Länder ohne Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und damit über dem durchschnittlich gewogenen Hebesatz des Landes für die jeweilige Steuerart liegt.

Im Ergebnis ist bereits aufgrund des erstgenannten Arguments das Absehen von einer Erhebung der Altfehlbetragsumlage nicht zu rechtfertigen, denn die kreisangehörigen Gemeinden der Altkreise Ostvorpommern und Uecker-Randow können sich nicht auf eine Erdrosselung durch die Kreis- oder Altfehlbetragsumlage berufen, solange sie die eigenen Einnahmeerzielungspotenziale nicht ausschöpfen. Das Ministerium für Inneres und Sport hat deshalb auf der Grundlage des Gesetzes im September die Erhebung der Altfehlbetragsumlage rechtsauf- sichtlich angeordnet. In dem Bescheid wurde die Erhebung eines Umlagebetrages von deutlich über 20 Millionen Euro bis zu 30 Millionen Euro für angemessen erachtet.

Die Kreisverwaltung hatte daraufhin in die Kreistagssitzung im November den Beschlussvorschlag für eine Altfehlbetragsumlagesatzung eingebracht, mittels derer innerhalb des 15-jährigen Erhebungszeitraumes insgesamt ein Volumen von 27 Millionen Euro auf die Gemeinden der Altkreise Uecker-Randow und Ostvorpommern umgelegt werden sollte.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Zu dem Satzungsentwurf ist die Kreisverwaltung zuvor auf Arbeitsebene durch das Innenministerium umfangreich beraten worden. Zusätzlich soll der Landkreis die ihm im Rahmen der beabsichtigten Konsolidierungsver

einbarungen zu gewährenden Konsolidierungshilfen aus dem kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds zum Aufbau der Altfehlbeträge verwenden. Nach vorläufigen Berechnungen könnte der Kreis rund 22 Millionen Euro aus dem Fonds erhalten. Unbestritten verbliebe dann allerdings nach Ablauf der Erhebungsdauer der Altfehlbetragsumlage und nach Auszahlung der Konsolidierungshilfen immer noch ein verbleibender Restbetrag von circa 50 Millionen Euro.

(Egbert Liskow, CDU: Wer bezahlt die?)

Der durch die Kreisverwaltung eingebrachte Satzungsentwurf wurde durch mehrheitliches Votum abgelehnt.