Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau, genau.)

und das ist beileibe kein Übungsalarm.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

Um was geht es hier? Es geht um einen Stoff, der die Pflanzen nährt und ergrünen lässt, der sich aber in unseren Körpern zu dem giftigen Nitrit umsetzen kann.

(Egbert Liskow, CDU: Kann!)

Ich zitiere hier einmal aus der Wochenzeitung „Zeit online“ vom 18. September 2014, die da titelt: „Das Wasser wird schlecht“. Das Zitat geht jetzt weiter: „Nitrat ist eigentlich ungiftig, kann aber im Magensaft zu Nitrit werden. Das wiederum kann bei Säuglingen dafür sorgen, dass weniger Sauerstoff im Blut transportiert wird und die Kleinen dadurch ersticken.“

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

„Im Körper Erwachsener droht Krebs. Zu diesem Risiko gibt es bisher zwar nur Tierstudien, trotzdem empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, die Nitratzufuhr ,so weit wie möglich‘ zu reduzieren.“ Zitatende.

Wir Bündnisgrünen-Fraktion wollten es einmal genau wissen, wie es mit der Nitratbelastung in unserem Bundesland aussieht, und haben dazu – Kollege Suhr und ich – eine Kleine Anfrage auf der Drucksache 6/2938 eingereicht. Man muss dazu wissen, 50 Milligramm Ni- trat pro Liter sind der Grenzwert. Der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage kann man dann entnehmen, dass an 48 Messstellen im Land dieser Grenzwert überschritten wird.

(Minister Dr. Till Backhaus: Aber nicht im Trinkwasser.)

An 35 Messstellen ist der Wert doppelt so hoch und einmal wird sogar das Zwölffache des Grenzwertes gemessen, das sind 606 Milligramm pro Liter in dem Fall.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Auf die Fläche bezogen sieht es folgendermaßen aus: „In M-V sind … 18 von 49 Grundwasserkörpern aufgrund von Nitrat und Ammonium in den schlechten Zustand eingestuft und der EU gemeldet worden.“ So Dr. Stephan Hannappel auf dem 18. Gewässersymposium im vergangenen Jahr. Er sagt weiterhin, dass „die Quelle des Eintrags also sicher die landwirtschaftliche Flächenbewirtschaftung ist.“

Schauen wir uns die Vorträge zu dem Thema in diesem Jahr an. Auch in diesem Jahr klingt die Bewertung unverändert. Herr Bacher und andere sagen am 30. Oktober 2014, Zitat: „Die Hälfte der Grundwasserkörper mussten … wegen Überschreitung der Schwellenwerte für Nitrat und Ammonium in den schlechten chemischen Zustand eingestuft werden“, Zitatende. Konkret heißt das, in der industriellen Nutztierhaltung, also zum Beispiel in der Schweinemast, entsteht überschüssige Gülle, die dann auf unseren Feldern landet, leider aber auch immer mal zu Zeiten und in Mengen, die die Pflanzen nicht aufnehmen können.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Durch hochgedüngte Maismonokulturen und durch das Ausbringen von Gärresten auf den Pflanzenvergärungsanlagen kommt viel zu viel Nitrat auf die landwirtschaftliche Fläche und landet nach und nach auch im Grundwasser.

(Udo Pastörs, NPD: Ihr wollt doch die Biogasanlagen.)

Nachdem es in den letzten Jahren auch Hinweise für eine leichte Verbesserung in Sachen Nährstoffbelastung der Gewässer in Mecklenburg-Vorpommern gegeben hat, blinkt die Alarmlampe beim Nitrat nach wie vor rot, dunkelrot und tut das an vielen Orten mit steigender Frequenz, weil hier die Nitratwerte immer noch ansteigen. Und ja, es gibt einen Handlungsbedarf nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, die gesamte Bundesrepublik ist betroffen.

Die EU hat mit der Nitrat-Richtlinie die 50-MilligrammMarke als noch tolerierbare Obergrenze definiert. Deutschland wird seit Längerem mit einer Klage bedroht, ihr wird eine Klage angekündigt. Sie wissen das wahrscheinlich, die Vertragsverletzungsklage der EU steht im Raum, steht in der Tür.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Weihnachten steht auch vor der Tür.)

Wie sieht es jetzt aktuell im Dezember 2014 aus? Dazu können wir mal beim Umweltbundesamt hineinschauen. Die Kommission – die haben eine Kommission Landwirtschaft gegründet – sagte im September 2014, ich zitiere: „Die EU-Kommission kam jedoch ,auf der Grundlage aller zur Verfügung gestellten Angaben‘ zu dem Schluss, dass die Verstöße gegen die Nitrat-Richtlinie mit den geplan

ten Änderungen nicht ausreichend behoben würden. Sie richtete daher im Juli 2014 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen aus Teilen der Nitrat-Richtlinie. Die EU-KOM ist der Ansicht, dass nicht nur die derzeit gültige DüV die Nitrat-Richtlinie nicht korrekt umsetzt, sondern dass auch die bisher von der Bundesregierung vorgestellten Verschärfungen nicht ausreichen, um ,die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Ge- wässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen.‘ Deutschland hätte angesichts der bekannten unzureichenden Wirkung seines bisherigen Aktionsprogramms (also der DüV) ,zusätzliche Maßnahmen und verstärkte Aktionen‘ treffen müssen.“ Zitatende.

Meine Damen und Herren, es gibt also von zwei Richtungen her gesehen einen Handlungsbedarf: erstens die tatsächliche Nitratbelastung in weiten Teilen von Mecklenburg-Vorpommern und das damit zusammenhängende Bedrohungspotenzial für uns alle, insbesondere für die Kleinsten von uns, zweitens die drohende EU-Ver- tragsstrafe in dreistelliger Millionenhöhe.

Doch was passiert im Agrarland Mecklenburg-Vorpom- mern? Das Problem wird beschaut, bestaunt, aber gegengesteuert wird nicht. Eine Kehrtwende in Sachen Überdüngung findet nicht statt.

(Minister Dr. Till Backhaus: Völliger Quatsch!)

Sie, Herr Backhaus, stehen quasi tatenlos vor einem Problem, dem sich recht leicht begegnen ließe, denn wenn ich weniger Nährstoffe in das System hineinbringe, kommt ganz einfach auch weniger im Bodenwasser und im Grundwasser an.

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU: Und das von der Verbotspartei hier!)

Vorschläge zu einer wirksamen Nitratreduktion werden aus Ihrem Hause seit Jahren abgewehrt, selbst wenn sie direkt von der EU-Ebene kommen. Leider wurde eine im Begleitausschuss erarbeitete freiwillige Agrarumweltmaßnahme zur Nitratreduktion in der letzten Förderperiode von Ihrem Hause ausgebremst und kam nicht mal bis zur EU-Kommission zur Genehmigung. Ihr Dogma, Herr Backma…, Herr Backhaus,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Burkhard Lenz, CDU: Backmaus?!)

oder das Ihrer Berater ist doch,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

ist doch, eine weitere Ertragssteigerung muss her.

(Vincent Kokert, CDU: Das haben Sie doch in Ihrer Rede gehabt.)

Vorgeblich Ihr Dogma, Herr Backhaus, oder das Ihrer Berater ist doch, eine weitere Ertragssteigerung muss her,

(Vincent Kokert, CDU: Den Minister als Backmaus zu beschimpfen, Frechheit! – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

vorgeblich, damit der Hunger der Welt gestillt werden kann, tatsächlich aber doch, um die Kassen klingeln zu lassen. Und für diese weitere Ertragssteigerung muss ordentlich gedüngt werden.

(Heiterkeit bei Burkhard Lenz, CDU: Ja, uns soll es ja nicht so gehen wie den Dänen.)

Wer sich jedoch mit weiterhin hohen Düngegaben für Ertragssteigerungen einsetzt, die entstehenden Folgekosten aber auf die Gesellschaft abwälzt, handelt verantwortungslos.

(Vincent Kokert, CDU: Herr Minister Backmaus – unglaublich! Ich hätte dafür einen Ordnungsruf gekriegt. Das weiß ich ganz genau.)

Es geht nicht nur um die Kosten der Trinkwasseraufbereitung, auch die drohende EU-Vertragsstrafe in dreistelliger Millionenhöhe wird aus den öffentlichen Haushalten bezahlt und damit aus den Steuerzahlungen zu begleichen sein. Auch wenn das Thema Grundwasserschutz durchaus gewisse Prozesse im Land in Gang gesetzt hat

(Minister Dr. Till Backhaus: Aha!)

und es seit Längerem ein Konzept – ich betone, ein Konzept – zur Reduktion der diffusen Nährstoffeinträge gibt und es auch eine verbesserte Düngeberatung gibt, so ist das bei Weitem nicht ausreichend.

Hier kommt der viel diskutierte Entwurf der Novelle der bundesweit geltenden Düngeverordnung ins Spiel. Diese Novelle ist der Dreh- und Angelpunkt, um die drohenden Strafzahlungen der EU aufzuhalten. Was wir bislang vom Entwurf der Novelle gesehen haben, macht deutlich, diese Novelle in ihrer jetzigen Form wird keinesfalls Entlastung bringen, um endlich beim Gewässerschutz die gesetzten und verpflichtenden Ziele zu erreichen. Sie greift viel zu kurz. Das sind auch die zentralen Botschaften des diesjährigen 19. Gewässersymposiums:

Erstens. Das Nitratproblem ist ein landesweites Problem. Es ist in der Fläche angekommen von Mecklenburg-Vor- pommern.

Und zweitens. Die Novelle der Düngeverordnung wird in Mecklenburg-Vorpommern die Ziele des Gewässerschutzes nicht erfüllen können.

Was wäre also zu tun? Es gibt Beispiele, wo es schon besser läuft. Ein Beispiel kommt aus München. Ich zitiere mal die „Zeit“ vom 18. September 2014, Zitat: „Dort haben die Stadtwerke München sogar Flächen gekauft, um sie an Landwirte zu verpachten – mit der Auflage, die Gewässer dabei zu schonen.“

(Egbert Liskow, CDU: Das gibt es doch gar nicht.)

„Auf diese Weise sei das größte, ökologisch bewirtschaftete Gebiet Deutschlands entstanden, so die Auskunft des Münchner Wasserversorgers. Er hilft den Bauern sogar bei der Vermarktung ihrer Produkte und organisiert Bauernmärkte in der eigenen Zentrale.“ Zitatende.

Oder das Beispiel Leipzig – auch hier wird im Trinkwassereinzugsgebiet ökologischer Landbau betrieben, mit

sehr positiven Ergebnissen. Die Leipziger sagen, die Kosten des ökologischen Landbaus liegen deutlich niedriger als die Kosten, die bei einer aufwendigen Wasseraufbereitung anfallen würden. Auch Mecklenburg-Vor- pommern könnte auf seinen knapp 90.000 Hektar landeseigenen Flächen bei jeder neuen Flächenvergabe entsprechende Vorgaben in die Pachtverträge hineinschreiben.

Wir Bündnisgrüne sehen insgesamt folgende Handlungsansätze: Auf Bundesebene regen wir an, dass es eine Abgabe braucht auf mineralische Düngemittel