Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Wiederbeginn: 15.02 Uhr

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Das Wort hat der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne nicht noch mal von vorn.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut.)

Ich will darauf verweisen, Bezugnahme zu Beginn war die Aktuelle Stunde im Sommer vergangenen Jahres, und ich hatte auf die doch bemerkenswerten Äußerungen vom Bildungsminister verwiesen. Ich zitiere noch mal, da steige ich also ein: „Das ist ein Konzeptentwurf“, er bezog das auf das METRUM-Gutachten, „und alle sind …

eingeladen, eigene Vorschläge zu machen, bessere Vorschläge, und die müssen zwei Kriterien erfüllen: Sie müssen künstlerisch überzeugend sein und sie müssen betriebswirtschaftlich aufgehen. Und wenn andere Vorschläge kommen,“ sagte er, „bin ich der Erste, der bereit ist, da mitzumachen.“ So weit also der zuständige Minister.

Ich hatte vorhin schon die Frage gestellt: Was ist dieses Versprechen wert? Alternativvorschläge nämlich gab es vor und nach jener Zusicherung einige. Schon 2012 hatte meine Fraktion zu den neun METRUM-Modellen die Alternativen 10a und 10b vorgelegt, darin enthalten: Möglichkeiten, wie zukünftig im Land die Spielstätten finanziert werden können. Die Reaktion des Ministers war seinerzeit: Die Sache ist betriebswirtschaftlich nicht machbar.

Auch die diskussionswürdigen Vorschläge der GRÜNEN wurden schlicht abgewatscht, ohne eine inhaltliche Beschäftigung, stattdessen gab es billige Polemik und obskure Vergleiche von tanzenden Hausmeistern in Schleswig-Holstein.

(Vincent Kokert, CDU: Was?!)

Unterm Strich die Reaktion des Ministers: Was die GRÜNEN vorgelegt hätten, wäre betriebswirtschaftlich nicht machbar.

Der Förderverein Landestheater Mecklenburg e. V. und das TheaterNetzwerk Mecklenburgische Seenplatte

haben jüngst ein Solidarmodell zum Erhalt der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz vorgelegt und vorgeschlagen, die TOG als produzierendes Mehrspartentheater zu erhalten. Auch hier ein reflexartiges „betriebswirtschaftlich nicht machbar“ vom Minister.

Pikant daran ist Folgendes: Das Solidarmodell wurde am Donnerstag, am 22. Januar, veröffentlicht. Noch am selben Tag ließ der Minister sein stereotypes „betriebswirtschaftlich nicht machbar“ verlauten. Ich habe das noch im Ohr, wie das über das Radio, über NDR 1 kam. Am Folgetag, Freitag, den 23.01., bekomme ich einen Anruf vom Minister. Er begann mit dem Vorwurf, man könne das Zahlentableau im Solidarmodell nicht gegenlesen, wo denn die Daten her wären. Vom Intendanten und der Prokuristin, antwortete ich, es wären die aktuellen Wirtschaftsdaten der TOG aus dem Dezember 2014. Ich stelle also fest, das Solidarmodell wurde regierungsamtlich bereits in Bausch und Bogen verdammt, bevor man überhaupt wusste, ob es betriebswirtschaftlich auf festem Grund steht. Erfreulicherweise geht der Aufsichtsrat der Theater und Orchester GmbH seriöser mit dem Thema um. Er hat Wirtschaftsprüfer mit einem Variantenvergleich bis Ende März beauftragt.

Aber da wir gerade bei Zahlen sind: Fünf Monate zuvor hatte sich herausgestellt, dass ausgerechnet die Zahlen im Gutachten der METRUM Managementberatung GmbH erstaunliche Rechenfehler enthielten. Allein dem Theater Vorpommern wurden darin Defizite von 1,8 Millionen Euro angedichtet, was den Minister nicht darin hinderte, öffentlich zu verkünden, das wäre alles nicht wichtig, die im METRUM-Gutachten geplanten Stellen müssten trotzdem abgebaut werden. Das alles lässt tief blicken: das bestellte, fehlerhafte Gutachten als alternativlos anpreisen und eklatante Fehler darin ignorieren, Gegenvorschläge jedoch ohne klare Auseinandersetzung als nicht umsetzbar diffamieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, kommen wir nun zum westlichen Landesteil und damit speziell zum Volkstheater Rostock. Diese komische Einteilung ist ja seinerzeit in der vergangenen Legislaturperiode vorgenommen worden, Rostock dem westlichen Teil zuzuschlagen. Also die Bürgerschaft Rostocks hatte sich ziemlich klar gegen eine Fusion mit dem Mecklenburgischen Staatstheater ausgesprochen und die Theaterleitung hat in Absprache mit den Künstlergewerkschaften einen Vorschlag eingebracht, der sowohl künstlerisch sinnvoll als auch betriebswirtschaftlich machbar war. Grundlage war der Abschluss eines Haustarifvertrages mit allen vier Sparten am Volkstheater Rostock und damit die Rettung des Theaters bis zur versprochenen Dynamisierung der Landesmittel im Jahr 2020. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten also solidarisch füreinander eingestanden. Auch hier hat sich der Minister nicht mit dem Vorschlag an sich und seiner Machbarkeit beschäftigt, sondern Argumente an den Haaren herbeigezogen, die er mit der Einführung des Mindestlohnes durch die – man höre! – SPD begründete und daraus schlussfolgerte, dass sich daher Dumpinglöhne an den Theatern im Land von selbst verböten.

(Torsten Renz, CDU: Hat er das so gesagt?)

Das Absurde daran ist, der Minister pflegt seine Feindschaft zu Haustarifverträgen in der Kulturpolitik nur temporär, denn es erhebt sich die Frage, warum seine Aversionen diesbezüglich nicht für das Schweriner Theater gelten. Schließlich wurde doch am 1. Mai 2014 am Staatstheater Schwerin für Solisten, Tänzer, Chorsänger und Techniker ein Haustarifvertrag abgeschlossen, der bis zum 31. Dezember 2020 befristet ist und einen Lohnverzicht von 9,9 Prozent vorsieht.

Das wiederum führt direkt zu der Frage, welche Lösung der Minister denn nun bevorzugen würde. Auch dazu wurde sich geäußert. Vor zwei Wochen hat die Rostocker Bürgerschaft mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP/UFR und GRÜNEN die Umsetzung eines Kooperationsmodells beschlossen, das eine 2+2-Struktur aufweisen soll. Schauspiel und Orchester sollen eigenständig bleiben. Musiktheater und Tanz sollen mit einem Kooperationspartner realisiert werden. Was heißt das konkret? Nichts anderes als den Abbau von zwei Sparten, den vermehrten Einkauf von Gastspielen und den Abbau von 81 Stellen.

Bei den Verhandlungen über dieses Modell waren neben den vier genannten Fraktionen auch der Rostocker Ober- bürgermeister und der Kulturminister anwesend. Kritiker wie die Linksfraktion waren nicht geladen.

(Vincent Kokert, CDU: Das lag an dem Benehmen.)

All das macht klar, dass, sobald auf kommunaler Ebene unerwünschte Entscheidungen getroffen werden, mit Ausgrenzung gearbeitet, an finanzpolitischen Daumenschrauben gedreht und mit unverhohlenen Drohungen gearbeitet wird. All das ist wenig geeignet, die Glaubwürdigkeit der Aussage, der Minister wäre für andere Vorschläge offen, zu untermauern. Das sehe nicht nur ich so. Auch in den Reihen Ihres Koalitionspartners gibt es durchaus Stimmen, die den Kurs des Ministers zumindest als, ich zitiere wörtlich, „Riesenabenteuer mit ungewissem Ausgang“ titulieren.

Ähnlich äußerte sich auch der Kollege Reinhardt, der den finanziellen Druck, der auf den Theatern lastet, als „politisch gewollt“ bezeichnete und der Theaterpolitik des Ministers bescheinigte, sie habe eines ihrer wichtigen Ziele verfehlt, die Einbindung der Kommunalpolitik. Und ja, er sagte Einbindung, nicht Erpressung.

Kritik gibt es auch aus der Sozialdemokratie. Am 19. Februar kam Post vom SPD-Kulturforum. Absender war Dr. Wolfgang Thierse, der im Namen der SPD- Kulturpolitiker warnte,

(Torsten Renz, CDU: Ist er noch irgendwo im Amt? Ist er noch irgendwo im Amt?)

ich zitiere auszugsweise: „Kultur als“ öffentliches Gut ist „Pflichtaufgabe... Die Sanierung“ der Haushalte darf „nicht zu Lasten der Kultur gehen.“

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

„Kultur ist eine Investition in die Zukunft … Die ostdeutsche Theaterlandschaft“ ist ein einzigartiges „Juwel“, und so weiter.

Ich merke schon, Sie stimmen mir zu.

Thierses Schreiben gipfelte in dem Satz, dass die „Enttäuschung über“ die „sozialdemokratische Kulturpolitik … für die“ SPD im Bund „zu einem Problem“ werde.

(Torsten Renz, CDU: Ich habe den Artikel auch vollständig gelesen.)

Herr Ministerpräsident, danke, dass Sie zurückgekommen sind,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nur auf Druck! Nur auf Druck! – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU)

da wende ich mich an Sie: Ihre Kulturpolitik, Ihr Kulturminister und sein Agieren sind ein Problem, bescheinigt Ihnen jedenfalls die eigene Partei auch,

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Hat die SPD nur noch ein Mitglied, oder was?)

und nicht nur Herr Thierse, auch ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD aus Rostock und so weiter,

(Torsten Renz, CDU: Aber die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft hat doch eine klare Position bezogen.)

auch und gerade deswegen, weil die Landesregierung eben nicht, wie zugesagt, offen gegenüber Alternativvorschlägen ist,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

sondern ihr offensichtlich nur daran gelegen ist, ihre Vorstellungen durchzudrücken, auch wenn sie, wie am Beispiel des Volkstheaters Rostock dargelegt, auf äußerst dubiose und undemokratische Weise zustande kommen.

(Vincent Kokert, CDU: Wieso sagen Sie immer „undemokratisch“? – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich appelliere noch einmal an die Landesregierung, diesen kulturellen Kamikazekurs endlich zu stoppen! Was hier in den letzten Monaten betrieben wurde, ist ein ganz dunkles Kapitel in der Kulturgeschichte nicht nur unseres Landes, sondern auch der Bundesrepublik. Ich fordere Sie hiermit auf, sich endlich an die Aussagen Ihres eigenen Ministers zu halten

(Heiterkeit und Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

und Alternativen wirklich zuzulassen, statt Mitbestimmung vorzugaukeln! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun in Vertretung für den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse. Bitte.

(Vincent Kokert, CDU: Dass sie sich über das Thema freut, das sieht man ihr förmlich an.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, an dieser Stelle die besten Genesungswünsche an den Minister zu senden. Wir hoffen, dass er bald wieder fit ist und sein Amt wieder antreten kann.

(Vincent Kokert, CDU: Die Hochschulmillionen hat er gestern noch schnell verteilt. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Zum Antrag: Die Theater und Orchester unseres Landes vertreten lange Traditionslinien und ein besonderes historisches Erbe. In keinem anderen Land wird Theaterliteratur so vielfältig und in hoher Dichte aufgeführt wie in Deutschland und wohl in keinem anderen Land werden Theater so hoch subventioniert wie in Deutschland. Das zeigt auch Mecklenburg-Vorpommern. Etwa 15 Prozent ihrer Kosten decken die Theater in unserem Land selbst, während 85 Prozent vom Steuerzahler getragen werden. Der Betriebszuschuss pro Besucherin beziehungsweise Besucher liegt bei rund 105 Euro. Der durchschnittliche Erlös pro Gast liegt bei etwa 18 Euro. Die Theater und Orchester werden also in hohem Maße subventioniert. Das mag auch daran deutlich werden, dass die Landesregierung rund die Hälfte aller Ausgaben in der Kultur für die Theater und Orchester im Land trägt, die sich im Übrigen in Trägerschaft der Kommunen befinden. Mecklenburg-Vorpommern verfügt damit je Einwohnerin und Einwohner über deutlich höhere Ausgaben für Theater und Musik als andere Länder.

Die Förderung der Theater- und Orchesterlandschaft hat aber einen so hohen Stellenwert, dass trotz sinkender Einwohnerzahlen die Summe in Mecklenburg-Vorpom- mern konstant gehalten wird.