Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Und, Herr Renz, üben Sie sich – na wie soll ich das sagen – …

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ich werde Ihnen noch einiges sagen zu dem Thema und ich würde mich freuen, wenn Sie mir zuhören.

(Torsten Renz, CDU: Ich höre ja gut zu.)

Dann ist gut.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Auch bei der Studienwahl ist das Interesse der jungen Frauen an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz MINT-Fächer – begrenzt. Weniger als ein Viertel der Studienanfänger/-innen im ingenieurwissenschaftlichen Bereich ist weiblich.

(Torsten Renz, CDU: Unglaublich.)

Allerdings gibt es auch Bewegung: In der Humanmedizin und in der Pharmazie stellen junge Frauen inzwischen mehr als die Hälfte der Studierenden dar. Also, da geht was. Und wie geht das?

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Eine Möglichkeit der Veränderung ist die konsequente Ausweitung des Berufswahlspektrums für junge Frauen, denn das Berufswahlverhalten von Mädchen und jungen Frauen hat, wie jeder Entscheidungsprozess, vielfältige Ursachen. Da ist zum einen der Einfluss des nahesten Umfeldes, in erster Linie ist dies die Familie. Ein Korrektiv, um den Horizont zu öffnen und neue Optionen ins Spiel zu bringen, kann und sollte daher die Berufsorientierung und -beratung sein. Doch die Beratenden orientieren sich offenbar selbst immer noch zu stark an traditionellen Geschlechterrollen. Hier tut ein Umdenken not. Und auch bei der Mehrzahl der Personalchefs gibt es sicher noch Potenzial, über den eigenen Tellerrand hinwegzuschauen.

In erster Linie geht es also darum, Mädchen und Jungen Zutrauen in ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten zu geben. Es geht darum, sie so früh wie möglich zu stärken. Eine gendersensible Pädagogik in den Schulen kann den jungen Frauen helfen, ihr Potenzial möglichst breit auszuschöpfen und ein Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Berufen zu finden.

Frühzeitige und adressatinnengerechte Informationen über mögliche Ausbildungs- und Studienwege sind wichtig. Ein GirlsʼDay pro Jahr reicht dazu aber nicht aus. Die Berufswahl entscheidet sich nicht an einem Tag. Vielfältige Aktivitäten in den Schulen und in der Gesellschaft sind und bleiben erforderlich. Der Mädchenaktionstag schärft aber das Bewusstsein für die Ausbildungsplatzwahl und macht vielen Mädchen einfach großen Spaß. Deshalb ist die Bündnisgrünen-Landtagsfraktion wie in jedem Jahr auch Anbieterin.

Ein zweiter und ganz grundsätzlicher Ansatzpunkt für eine Veränderung im Berufswahlprozess ist die gerechte Bewertung von Entgeltregelungen. Die sogenannten

typischen Frauenberufe sind oft gesellschaftlich weniger anerkannt als männerdominierte Berufszweige. Das zeigt sich insbesondere in der Entlohnung und in der Perspektive. Sie sind nämlich gekennzeichnet durch Niedriglöhne und geringe Aufstiegschancen. Das ist ein strukturelles Ungerechtigkeitsphänomen und das müssen wir ändern.

Deshalb brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken und eine veränderte Wertschätzung beruflicher Tätigkeiten. Die Unterbewertung von Frauentätigkeiten beruht häufig auf Vorurteilen und geschlechterbezogenen Stereotypen. Mittelbare Diskriminierung am Arbeitsplatz muss konsequent aufgedeckt und beseitigt werden. Von der Überwindung tradierter und nicht mehr mit unserer Lebenswirklichkeit zu vereinbarenden Rollenbilder profitieren wir alle.

Deutlich wird das am Beispiel von Arbeitsbewertungssystemen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass etwa Tätigkeiten im Erziehungs- und Pflegebereich trotz hoher psychischer und physischer Belastung noch immer deutlich schlechter entlohnt werden als beispielsweise Berufe im Bau- und Baunebengewerbe. So werden Fähigkeiten wie soziale Kompetenzen, Einfühlungsvermögen, Kommunikationsgeist und Teamfähigkeiten zwar im Berufsalltag geschätzt und insbesondere in sozialen Berufen auch gefordert, aber nicht als Anforderung vergütet. „Schwere Arbeit schlecht bezahlt“ – das darf kein Leitsatz mehr für Berufe sein, in denen überwiegend Frauen tätig sind.

Damit Arbeit endlich gerecht bewertet wird und Berufe mit hohem Frauenanteil aufgewertet werden können, fordern wir Bündnisgrünen die Entwicklung allgemeingültiger, geschlechtsneutraler Kriterien für die Bewertung von Arbeitsleistungen. Das muss zusammen mit den Sozialpartnern geschehen. Um den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ durchzusetzen, braucht Deutschland ein Entgeltgleichheitsgesetz. Tarifliche und nichttarifliche Entgeltregelungen müssen mithilfe eines analytischen Arbeitsbewertungssystems überprüft und Entgeltdiskriminierungen zügig beseitigt werden. Mit einer solchen Neubewertung wird es dann übrigens auch einfacher werden, männliche Interessierte etwa für den Erzieherberuf oder für die Pflegebranche zu finden.

Gern wird argumentiert, der Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen dokumentiere die Angleichung der Arbeitsmarktchancen. Allerdings ist das so pauschal nicht richtig. Die Kehrseite der Statistik zur gestiegenen Frauenerwerbstätigkeit zeigt, es handelt sich um einen Anstieg, der primär im Bereich der Teilzeitbeschäftigung stattfindet.

(Torsten Renz, CDU: Das ist ja mein Thema jetzt, Arbeitsmarktentwicklung.)

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat die Entwicklung zwischen 1991 und 2014 aufgeschlüsselt und stellt fest, die Zahl der beschäftigten Frauen stieg in diesem Zeitraum um 21 Prozent,

(Torsten Renz, CDU: Teilzeit!)

das von ihnen geleistete Arbeitsvolumen um 4 Prozent. Und es ist mitnichten so, dass Frauen grundsätzlich die Teilzeittätigkeit einer Vollzeitbeschäftigung vorziehen. Drei Viertel der Teilzeitbeschäftigten – ganz überwiegend Frauen – gaben bei einer Arbeitskräfteerhebung an, dass sie gerne mehr arbeiten würden, aber entweder keine Vollzeitstelle finden konnten oder aufgrund von familiären

Fürsorgeverpflichtungen keine Vollzeitstelle ausüben konnten. Gerade bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ist es so, dass sehr oft betriebliche Gründe ausschlaggebend dafür sind, eine ungewollte Teilzeittätigkeit aufzunehmen.

Wer also nur auf die Beschäftigungsquoten schaut, der verzerrt die Wirklichkeit am Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren. Wenn Erwerbstätigkeit mehr sein soll als ein Zuverdienst, wenn Erwerbstätigkeit eine eigenständige finanzielle Absicherung sein muss – auch im Alter –, wenn Berufstätigkeit berufliche Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten umfassen soll, dann dürfen Frauen nicht mehrheitlich und schon gar nicht gegen ihren Willen auf das Teilzeitticket zwangsabonniert werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wo ist die Ministerin für Soziales?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn sie nicht da ist, gehts weiter in der Tagesordnung.)

Herr Brodkorb spricht für die Ministerin? Gut, für die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales redet der Bildungsminister. Bitte schön, Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen die Rede der Sozialministerin präsentieren.

(Heinz Müller, SPD: Sehr schön. – Heiterkeit und Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich zitiere:

Ich freue mich, dass die Fraktion der GRÜNEN dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht hat.

(David Petereit, NPD: Ja, wir alle. Wir alle.)

Der heutige Tag ist ein guter Tag, um sich mit dem, was als Anliegen hinter dem GirlsʼDay steckt, auseinanderzusetzen. Und mir ist dieses Anliegen wichtig.

(Stefan Köster, NPD: Heute ist ja auch „Tag des Bieres“.)

Die Spanne der Berufe, für die der GirlsʼDay Interesse bei den Mädchen wecken will, reicht von B bis Z – von Bauingenieurin über Medientechnologin Druck bis hin zur Zerspanungsmechanikerin.

Der GirlsʼDay schafft dabei zweierlei: Er lenkt die Aufmerksamkeit auf solche Berufe, die in der Minderheit von Mädchen und Frauen ergriffen werden, und sorgt für einen Aha-Effekt nach dem Motto „Dieser Job könnte zu mir passen“. Er gibt den Mädchen auch gleich die Chance, kurz reinzuschnuppern in solche Berufsfelder. Dass es sich beim GirlsʼDay nur um einen Tag handelt, macht doch automatisch klar, dass er eben nur ein Instrument ist, die tradierten Muster von Ausbildungs-, Studien- und Berufswahl aufzubrechen, wenn auch wohl das prominenteste.

Die GirlsʼDay-Koordinierungsstelle wird aber keineswegs nur rund um diesen einen Mädchen-Zukunftstag aktiv, sondern ist Netzwerkpartner vieler Projekte und Organisationen im Land, die sich im Bereich geschlechterdifferenzierter Berufsorientierung engagieren. Sie ist präsent auf Ausbildungsmessen, in den Berufsinformationszentren und sie arbeitet zusammen mit den Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Regionaldirektion Nord der BA.

Künftig soll es in Mecklenburg-Vorpommern GirlsʼDayWerkstätten geben, zuerst modellhaft an zwei Orten im Land, wo Mädchen über das gesamte Schuljahr ihr Interesse und ihre Neugier auf Technik, die Naturwissenschaften und das Handwerk ausprobieren und vertiefen können. Ein solches Angebot ist aus meiner Sicht am besten aufgehoben in einer Ganztagsschule. Schließlich müssen auch und gerade die Schulen den Ansatz verfolgen, das Spektrum der Berufswahl – übrigens für Mädchen und Jungen – zu erweitern.

Meine Damen und Herren, am Ende der Schullaufbahn sollen junge Menschen ihre eigenen Fähigkeiten und Neigungen einschätzen können und sich daran ausrichten, wenn sie sich für eine Lehre oder einen Studiengang entscheiden. Das gehört zu den Zielen, die auch das Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit Mecklenburg-Vorpommern verfolgt. Dessen Leitlinien beinhalten auch eine individuelle geschlechterspezifische Studien- und Berufsorientierung. Eine solche Orientierung zu schaffen, ist ebenso das Anliegen der Arbeitskreise Schule und Wirtschaft. Schulen in Mecklenburg-Vorpom- mern sind in einem solchen Arbeitskreis eingebunden. So entstehen regionale Netzwerke, die die Schulen dabei unterstützen, für ihre Schülerinnen und Schüler passende Orientierungsangebote zu erstellen und von den guten Konzepten anderer zu lernen.

Darüber hinaus fördert das Land die Umsetzung des Projektes „CMP – Cyber-MINT-Partnership“ hier in Mecklenburg-Vorpommern, das junge Frauen ganz praktisch heranführt an Berufe, die sich auf den Feldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik bewegen. Dazu gehört auch der direkte Kontakt zu entsprechenden Unternehmen in den Regionen. Apropos Unternehmen: Auch die stehen in Verantwortung, wenn es darum geht, Mädchen und Frauen für die sogenannten MINT-Berufe zu gewinnen. Schließlich ist auch das ein lohnenswerter Weg, um dem vielbeklagten Nachwuchs- und Fachkräftemangel in einigen Branchen zu begegnen.

Die Landesregierung jedenfalls leistet ihren Beitrag, und das nicht nur am GirlsʼDay. Wie attraktiv ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz am Ende für junge Frauen ist, das liegt aber vor allem in der Hand derer, die ihn besetzen wollen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits 2014 stellte in NRW die Landesregierung, wo die GRÜNEN ja mitregieren, einen Antrag zu dem Thema. Dies spiegelt Ihren Punkt in der Aussprache nahezu wider. Ein bisschen mehr Eigeninitiative hätte ich da schon von Ihnen erwartet.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht doch immer um das Gleiche.)

Zu dem Thema GirlsʼDay kann ich aber mit voller Überzeugung sagen, dass die CDU-Fraktion diesen Tag uneingeschränkt unterstützt. Auch bei mir hat sich wieder ein Mädel gemeldet

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Doch so viele?!)

über die GirlsʼDay-Homepage, das nun in die Arbeit eines Politikers beziehungsweise einer Politikerin und über den Landtag in den IT-Bereich reinschnuppert.

Politik ist weltweit durchaus männlich dominiert,