Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, das sollte Sie auch nicht wundern. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber ich möchte mir erlauben, das mal von der anderen Seite zu betrachten. Wenn mehr als 120.000 Menschen das Volksbegehren unterstützen, dann, glaube ich, ist

das in der Geschichte dieses Landes ein sehr einmaliger Beweis für die Frage, welche Bedeutung offensichtlich die Gerichtsstrukturreform und das Volksbegehren dagegen für die Menschen hier haben.

Unabhängig von der Frage, ob es tägliche Berichterstattungen gibt oder nicht – und das ist die grundsätzliche Intention dieses Antrages –, geht es darum, diese Menschen, die dafür unterschrieben haben, die das Parlament dazu auffordern, die Entscheidung, das Gesetzgebungsverfahren oder die Gesetzgebung zu überdenken, die einen konkreten Vorschlag zu einer anderen Gesetzgebung unterstützt haben, ernst zu nehmen. Es geht darum, ihnen die Möglichkeit zu geben, bei einem etwaig auf uns zukommenden Volksentscheid – Sie haben ja gesagt, Sie haben noch keine neuen Argumente gehört, insofern prognostizieren Sie die Ablehnung im Juni – sehr bewusst – und das ist die Hauptintention dieses Antrages – eine Entscheidung treffen zu können, indem sie nämlich alle Argumente, die für oder gegen das Volksbegehren sprechen, abwägen und indem sie in der Lage sind, dann vermutlich im September eine sehr bewusste Entscheidung zu treffen.

(Heinz Müller, SPD: Ja. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Machen wir doch.)

Das, glaube ich, ist ein Ziel im besten demokratischen Sinne, und genau auf dieses Ziel orientiert dieser Antrag.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber dafür brauchen wir den Antrag nicht.)

Und er stellt im Übrigen auch nicht infrage, dass das Prä – so haben Sie es abgeleitet aus dem Grundgesetz – in der parlamentarischen Demokratie, die Entscheidungsfindung der Parlamente, des Bundesparlamentes und der Länderparlamente, etwaig ist. Das stellt doch niemand infrage!

(Heinz Müller, SPD: Frau Borchardt hat das eben anders gesehen.)

Aber ich will daran erinnern, dass wir in der Landesverfassung explizit Regelungen dafür haben, wann auch eine Gesetzgebung des Landesparlaments, mit Mehrheit zustande gekommen, durch die Bürgerinnen und Bürger infrage gestellt werden kann, und dass Sie dafür bestimmte Quoren eingezogen haben –

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

in Mecklenburg-Vorpommern derzeit noch überdurchschnittlich hohe Quoren. In dem Moment, wo wir einen solchen Zustand haben – und nach 25 Jahren haben wir ihn zum ersten Mal! –, muss es doch auch, unabhängig davon, wie man in der Sache steht, das große Interesse dieses Landesparlamentes sein, das ernst zu nehmen,

(Heinz Müller, SPD: Das tun wir doch.)

die Menschen, die Bürger und Bürgerinnen, …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tun wir doch.)

Nein, das unterstelle ich, dass Sie es nicht in dem ausreichenden Maße ernst nehmen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, nennen Sie mal Gründe! Nennen Sie mal Gründe!)

und ich werde gleich, Herr Nieszery, konkret Vorschläge machen, wie Sie das anders tun könnten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Also Herr Müller hat das doch eben ausgeführt, dass wir das ernst nehmen. Jetzt kommen Sie doch nicht mit so einem Kram! – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

… die Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, darüber eine bewusste Entscheidung zu treffen.

Es wäre fatal für meine Begriffe, wenn wir auf der einen Seite, bei Wahlen etwa, permanent darüber diskutieren, dass sich zu wenige Menschen beteiligen – ich bin gespannt, wie das jetzt am Wochenende bei den Oberbürgermeisterwahlen der Fall ist –, wenn wir permanent appellieren, das Wahlrecht wahrzunehmen, und nicht alles dafür tun würden, die Menschen dazu zu bewegen, an einer Abstimmung teilzunehmen, die im September in einer offensichtlich bedeutenden Frage auf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zukommt. Da müssen wir doch, glaube ich, alle gemeinsam, alle Demokraten gemeinsam ausdrücklich dafür werben, dass die Menschen sich an dieser Abstimmung beteiligen. Ich zumindest tue das ausdrücklich.

Der Antrag fordert übrigens dabei nicht, für die eine oder andere Position Werbung zu machen, sondern er fordert, explizit darauf aufmerksam zu machen, dass es einen Volksentscheid gibt, und Sorge dafür zu tragen, dass die Argumente den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land bekannt sind, sodass sie eine bewusste Entscheidung treffen können. Er relativiert mitnichten das Recht, in diesem Parlament demokratische Entscheidungen aufgrund der parlamentarischen Demokratie zu treffen.

Ich will Ihnen Beispiele nennen, wie andere Länder dies regeln, wenn ein Volksentscheid auf sie zukommt. Ich möchte ganz konkret einfach drei Bundesländer benennen, die in unserer unmittelbaren Nachbarschaft sind. Ein erster Schritt, der aus meiner Sicht notwendig wäre, und das haben wir im Volksgesetzgebungsverfahren nicht in ausreichendem Maße gelöst, ist die Information über den Volksentscheid, also die Information über die Argumente, die gegen oder für die jeweilige Position sprechen.

Mit der Bekanntmachung des Gegenstands des Volksentscheids – das werden wir ja dann vermutlich irgendwann tun – und des Abstimmungstages können die Landesregierung und der Landtag gemäß Paragraf 19 Absatz 1 des Volksabstimmungsgesetzes – dort ist es geregelt – in bündiger und sachlicher Form ihre Auffassung zum Gesetzentwurf darlegen. Das ist ihr Recht.

(Andreas Texter, CDU: Eben.)

Die Volksabstimmungsgesetze anderer Länder, oder … Entschuldigung, ich habe etwas vergessen. Ihre Argumentation war gerade, na ja, dann werden wir eine Situation haben, wo die Menschen oder wo die Initiatoren für ihre Position werben und wo auf der anderen Seite möglicherweise in sachlichem Vortrag die Position und die Argumentation der Landesregierung vorgetragen wird. Andere Länder regeln das aus meiner Sicht im Sinne von Bürgerinnen und Bürgern besser.

Nach dem Berliner Abstimmungsgesetz erhält jede stimmberechtigte Person eine Information in Form einer

amtlichen Mitteilung, in der neben dem Wortlaut des Volksentscheides – das machen wir hier auch – und des Gesetzentwurfes oder des sonstigen Beschlusses jeweils im gleichen Umfang die Argumente der Trägerin einerseits sowie des Senats – in dem Fall ist es ja der Senat als Landesparlament – und des Abgeordnetenhauses andererseits darzulegen sind und in der auf weitere Informationsmöglichkeiten hingewiesen wird. So regelt Berlin das.

In Bremen erhalten die Stimmberechtigten vor der Abstimmung ein von der Bürgerschaft erstelltes Informationsheft, in dem die Bürgerschaft und die Initiatoren des Volksbegehrens in gleichem Umfang Stellung nehmen. Die Bürgerschaft nimmt als ganze oder nach Fraktionen getrennt Stellung. Der Anteil der Stellungnahmen der Fraktionen an der gesamten Stellungnahme der Bürgerschaft entspricht der Sitzverteilung im Parlament. Auch das halte ich für ein gutes, für ein angemessenes Verfahren bei Fragestellungen, in denen das Parlament nicht einer Meinung ist.

In Hamburg erhält jede wahlberechtigte Person mit der Abstimmungsbenachrichtigung ein Informationsheft,

welches allgemeine Hinweise enthält und in dem die Initiatoren der Volksinitiative und die Bürgerschaft auf jeweils bis zu acht Seiten Stellung nehmen können. Die Bürgerschaft nimmt als ganze oder nach Fraktionen getrennt Stellung. Der Anteil der Stellungnahmen richtet sich wiederum nach dem Anteil der Sitze im Parlament. Auch das halte ich für einen absolut geeigneten Weg.

Diese drei gerade beschriebenen Beispiele unterscheiden sich von der vermutlich zu erwartenden Praxis in Mecklenburg-Vorpommern im Wesentlichen dadurch, dass Bürgerinnen und Bürgern die Argumente für die jeweils unterschiedlichen Positionen dargelegt werden können, übrigens in absolut sachlicher und der Bedeutung dieses Verfahrens angemessener Form. Was dann noch zusätzlich an Werbung beschrieben oder betrieben wird, steht auf einem anderen Blatt. Auch da haben wir – kleiner Nebenaspekt – aus meiner Sicht erheblichen Nachholbedarf, weil die Frage, wie die Finanzierung dieser Informationen erfolgen soll, auch in unserem Volksabstimmungsgesetz nicht geregelt ist. Wenn man mal nach Hamburg guckt und sich zum Beispiel dort die Auseinandersetzung um die Rückübertragung der Netze anschaut, wo ein Unternehmen wie Vattenfall in hoher sechsstelliger Summe diejenigen unterstützt hat, die dagegen waren, und es da überhaupt nicht zu einer Chancengleichheit kam, wird deutlich, dass wir hier eigentlich auch dazu Regelungen treffen müssten.

Ich kündige an, dass wir dieses Thema für den Fall aufmachen werden, dass wir in dieser Legislatur noch zu einer vielleicht unter den Demokraten gemeinsam verabschiedeten Landesverfassungsänderung kommen, wo wir auch die Quoren verändern. Hier geht es aber darum, die Bürger und Bürgerinnen umfassend und gleichberechtigt mit Argumenten auszustatten, damit eine bewusste Entscheidung möglich ist, und vor allem, dass sie sich an dieser Abstimmung auch bewusst beteiligen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Texter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der gestrigen Landtagssitzung haben wir uns ja mit der Zweiten Lesung des Gesetzentwurfes zur Änderung der Gerichtsstruktur beschäftigt. Heute nun steht der Antrag der Opposition auf der Tagesordnung, in dem die Landesre- gierung aufgefordert wird, für die Beteiligung am Volksentscheid zu werben. Inhaltlich soll durch den Landtag zunächst festgestellt werden, dass das Erreichen des Quorums für das Volksbegehren ein großer Beweis für eine lebendige Demokratie ist. Dieser Punkt kann und wird ohne Zweifel durch die CDU-Landtagsfraktion unterstützt, das habe ich schon in der Märzlandtagssitzung zum Ausdruck gebracht und habe dort gesagt, dass der Gesetzentwurf des Volksbegehrens ein deutlich lebendiger Ausdruck für direkte Demokratie ist. Auch auf den historischen Moment habe ich hingewiesen, der durch das erstmalige Erreichen des nach unserer Landesverfassung erforderlichen Quorums für ein Volksbegehren in die Geschichte unseres Bundeslandes eingehen wird.

Die Ausführungen in der Begründung zum Antrag, dass die Koalitionsfraktionen diesen historischen Moment nicht ausreichend gewürdigt hätten, kann ich deshalb nicht ganz nachvollziehen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir auch nicht.)

da zumindest ich für die CDU-Landtagsfraktion auf die historische Bedeutung dieses Moments eingegangen bin. Dass dieser Umstand vielleicht nicht in Ihre Argumentationslinie passt, meine sehr geehrten Damen und Herren Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, darf jedoch nicht dazu führen, tatsächliche Geschehnisse in der Öffentlichkeit anders darzustellen.

(Egbert Liskow, CDU: Nee, das sollten wir nicht.)

Zur Ziffer 1 Ihres Antrages: Ich bin der Meinung, es handelt sich hier um einen reinen Luftschlossantrag, da er mit keinerlei Rechtsfolgen verbunden ist. Die Produktion derlei folgenloser Willensbekundungen gehört im Grunde nicht zu den Kernaufgaben des Landtages, meiner Auffassung nach, kostet diesen unnötig Zeit und frönt allein dem Populismus.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber schadet doch auch nicht wirklich.)

Im Übrigen bedarf es unter den demokratischen Parteien ja wohl nicht des Beschlusses, dass eine hohe Wahlbeteiligung angestrebt wird. Ich denke, das liegt in der Natur der Sache, das ist selbstverständlich. Die Förderung dieses Zustandes obliegt allen politischen Akteuren und im Lichte von Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz sogar zuerst den Parteien, meiner Meinung nach.

An dieser Stelle wollte ich ebenfalls auf Paragraf 19 Absatz 1 Satz 2 im Volksabstimmungsgesetz verweisen. Herr Suhr hat das bereits gemacht. Hier wird ja darauf abgestellt, dass mit der Bekanntmachung im Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern – Herr Suhr hat das gerade vorgelesen, das will ich nicht noch mal machen – der Landtag und auch die Landesregierung zum Gesetzentwurf oder zu den Entwürfen Stellung nehmen kann. Gehen Sie bitte alle davon aus, dass das auch erfolgen wird!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist doch selbstverständlich.)

Wir werden uns doch ganz sicher, wahrscheinlich schon im nächsten Europa- und Rechtsausschuss, mit einer Stellungnahme dazu beschäftigen müssen und auch die Landesregierung wird dies tun.

Herr Suhr, erlauben Sie mir an der Stelle die Anmerkung, Sie haben hier ganz ausführlich darüber berichtet, wie das in anderen Bundesländern und insbesondere in den Stadtstaaten ist. Status quo ist aber, Fakt ist, dass bei uns der Wortlaut des Volksabstimmungsgesetzes jetzt so ist, und wir werden,

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir hätten die Möglichkeit, das anders zu gestalten.)

wir werden ja nicht umhinkommen, danach zu verfahren. Das, was Sie hier gesagt haben, ist jedenfalls „Wünsch dir was“. Das ist nicht die derzeitige Situation und insofern, ja, kann man darüber gerne debattieren, dann müsste man es ändern. Wer kann es ändern? Das Parlament. Aber wir werden nicht umhinkommen, wenn es denn zur Volksabstimmung kommt – und davon gehen wir ja nun mal alle aus –, dann werden wir uns nach dem Volksabstimmungsgesetz, hier Paragraf 19, richten müssen. Das ist so.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag soll die Landesregierung für eine Beteiligung am Volksentscheid werben, so, wie Sie es in Ziffer 2 Ihres Antrages fordern. In der Begründung zu Ihrem Antrag gehen Sie selbst auf das verfassungsrechtliche Verbot für Regierungen ein, Werbung für oder gegen das Anliegen des Volksentscheides zu betreiben. Frau Borchardt ist darauf auch ausführlich eingegangen.

Herr Texter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Suhr?