und Sanitärversorgung vorstellen. Im Übrigen handelt es sich dabei um sehr reale Forderungen der Menschen, mit denen ich vor Ort in der Türkei und im Libanon reden durfte.
Im Libanon, jetzt also kürzlich im Februar, hatte ich die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Kollegen Mucha und unserem Innenminister vor Ort an der Bekaa-Hochebene ein Flüchtlingslager syrischer Flüchtlinge zu besuchen. Das Erste, was ich festgestellt habe, ist, dass ein gewaltiger Unterschied zwischen den Flüchtlingslagern, die ich aus der Türkei kannte, und im Libanon existiert. Aber jeder Mensch, mit dem wir gesprochen haben, ob das unser Fahrer war, ob das Menschen im Hotel waren, ob das der Sozial- oder der Innenminister waren, ob das Vertreter des UNHCR waren, ob das Vertreter von „Ärzte ohne Grenzen“ waren, ob das der deutsche Attaché war, jeder hat uns gebeten, in Deutschland dafür zu werben, dass der Libanon vor Ort Unterstützung bekommt, dass die Flüchtlinge vor Ort Unterstützung erfahren. Und jeder hat uns gesagt,
Und eine zweite Möglichkeit wäre zum Beispiel die Stabilisierung der Region, Herr Holter hat es angesprochen. Aber auch das sind verschiedene Facetten eines Prozesses. Wir könnten beispielsweise das Thema Demokratisierungsprozess in Tunesien nehmen, wo auch Deutschland sehr aktiv die Wahlen unterstützt hat, um eben in dieser kleinen Region Tunesien schon für Stabilität zu sorgen.
Über allem aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht die Frage der Finanzen. Ich hoffe, dass die Staats- und Regierungschefs am heutigen Tag einen gangbaren Weg finden werden. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass ein Weg – und ich betone: ein Weg, und es handelt sich bei solchen Vorschlägen immer nur um Beispiele, die hinken, da kann zu Recht jeder daherkommen und sagen, da fehlt noch was und da fehlt noch was und da fehlt noch was und das hast du nicht bedacht –, aber ein Weg könnte auch die Verlagerung finanzieller Prioritäten in unserem europäischen Unterstützungsprozess sein.
Ich will Ihnen das mit einigen Zahlen mal vor Augen führen: Der UNHCR gibt einem Flüchtling in einem Flüchtlingslager im Libanon monatlich 17 Dollar. Ursprünglich waren es einmal 27 Dollar, aber diese Mittel wurden aufgrund von Sparzwängen beim UNHCR gekürzt. Nach Angaben des UNHCR ist mit diesen 17 Dollar das Überleben gesichert. Aber ich kann Ihnen versichern, meine sehr verehrten Damen und Herren, mehr auch nicht.
Zitat der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26.09.2014, „eine humanitäre und … politische Großtat“, Ende des Zitats.
Hintergrund ist die Tatsache, dass die Türkei derzeit 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen eine neue Heimat gewährt. Für die Betreuung der Flüchtlinge wendete die Türkei bis dato 3,5 Milliarden Dollar auf. Zum Vergleich: Die Europäische Kommission hat für alle Unterstützungsprozesse 800 Millionen Dollar zugesagt, also da habe ich auch schon die Aufstockung mit eingerechnet. Wie viel davon direkt in die humanitäre Hilfe in der syrischen Region beziehungsweise in der Türkei einfließen, konnte ich in der Kürze der Zeit nicht ermitteln.
In Mecklenburg-Vorpommern werden im Jahr 2015 nach dem Haushaltsplan des Landesamtes für innere Verwaltung, Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten circa 59 Millionen, also fast 60 Millionen Euro aufgewendet. Den größten Teil nehmen dabei die Mittel ein, die an die Kommunen gehen. Also das sind die Mittelerstattungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz SGB II und SGB XII, aber die Spanne reicht natürlich auch bis zur Schaffung neuer Gemeinschaftsunterkünfte und dergleichen. Und Mecklenburg-Vorpommern ist ein kleines Bundesland. Wenn man diese Zahlen im Kontext sieht, beispielsweise mit der Türkei, dann bleibt es dennoch angesichts unserer Wirtschaftskraft im Vergleich zur Türkei noch sehr gering.
Ich glaube, anhand der von mir genannten Beispiele wird deutlich, dass ein Umdenken über eine mögliche Hilfe vor Ort durchaus ein richtiger Weg sein kann und dass diese Hilfe vor Ort unter Umständen einen viel größeren Effekt bringen kann, als wir es heute für möglich halten. Europa will helfen und Europa wird helfen, Europa wird anpacken und Europa will insbesondere den kriminellen Sklavenhändlern an den Kragen.
Dazu müssen wir uns aber den Fluchtursachen stellen, Herr Holter. Hilfe muss direkt vor Ort erfolgen. Eine bessere Verzahnung der Außen-, Innen- und Entwicklungspolitik ist notwendig. Wir müssen erreichen, dass sich die Menschen nicht mehr in die unsicheren Boote setzen. Die Menschen brauchen Frieden. Die Menschen brauchen Stabilität. Die Menschen brauchen Bildung, und zwar in ihrer Heimat. Und glauben Sie es mir oder lassen Sie es bleiben, von jedem Flüchtling, mit dem wir gesprochen haben in den letzten zwei Jahren vor Ort, von jedem haben wir das Feedback erhalten,
Ich will einfach nur unterstreichen, welche Bedeutung Hilfe vor Ort nach meiner Auffassung haben kann.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Dann muss die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik vor Ort auch endlich mal aufgestockt werden.)
Der Wille – und jetzt kommen wir zu dem Willen der Flüchtlinge –, der Wille, die Heimat zu verlassen, muss auf einer freien Entscheidung beruhen und nicht angetrieben werden von Hunger, Leid und Tod. Wer Flüchtlingskatastrophen verhindern will, der kann nicht erst auf See damit beginnen. Wer gar nicht erst ins überladene Boot steigt, kann auch nicht ertrinken. Das ist zwar eine einfache Lösung, das Problem ist nur, dass diese Lösung des Gesamtproblems eben nicht so einfach ist und in einer Vielzahl zusammenspielender Faktoren liegt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Im Mittelmeer sind seit Jahresbeginn mehr als 1.800 Menschen auf der Flucht ums Leben gekommen. Bei der bisher tödlichsten Katastrophe in der Nacht am 18. April starben etwa 800 Schutzsuchende 130 Kilometer vor der lybischen Küste.
Auf diese menschlichen Tragödien gibt es keine einfachen Antworten. Festzuhalten ist aber, dass ein Grund für die steigenden Todeszahlen das Fehlen einer ausreichend effektiven und schnellen Seenotrettung ist. Neben der humanitären Hilfe in Kriegs- und Krisengebieten und einer auf Frieden ausgerichteten Außenpolitik ist es zentral, dass die EU geeignete Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben auf dem Mittelmeer auf den Weg bringt. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit. Zu glauben, dass solche menschenrechtlichen Maßnahmen kriminellen Schleppern Vorschub leisten, ist dabei ein Trugschluss. Es ist das Fehlen legaler Einreisewege, was dieses Geschäft überhaupt erst lukrativ macht.
Als Konsequenz aus der Katastrophe vor Lampedusa im Oktober 2013, bei der 366 Menschen ums Leben kamen, hatte Italien die Seenotrettungsmission „Mare Nostrum“ ins Leben gerufen. Dies war nicht zuletzt eine Antwort auf das Ausbleiben einer effektiven, europäisch getragenen Rettungsmission. Auch wenn weitere 3.600 Menschen im Jahr 2014 auf der Flucht über das Meer starben, konnte „Mare Nostrum“ 150.000 Menschenleben retten. Da die EU-Mitgliedsstaaten die monatlichen Kosten dieser Marineoperation in Höhe von 9 Millionen Euro nicht mittragen wollten, wurde „Mare Nostrum“ Ende 2014 eingestellt.
Es war ein Fehler, dass die Rettungsaktion „Mare Nostrum“ auch und gerade auf Betreiben der Bundesregierung eingestellt worden ist. Und es war ein Fehler, dass die Bundesregierung bis zuletzt das Ende von „Mare Nostrum“ gerechtfertigt hat. Dadurch wurden Zeit und Ressourcen vergeudet, die zur Rettung Tausender Menschen dringend benötigt worden wären. Die an ihre Stelle getretene und durch die EU-Grenzschutzagentur „Frontex“ organsierte Mission „Triton“, die aus acht Booten, drei Flugzeugen und lediglich einem deutschen Rettungshubschrauber besteht, hat jedoch nur ein Drittel dieses Budgets und einen sehr viel geringeren Rettungs
radius. „Triton“ ist zudem bisher nicht primär darauf ausgerichtet, Leben zu retten, sondern darauf, die Grenzabwehrmaßnahmen zu verstärken.
Ich hätte mir gewünscht in der Debatte, dass auf die aktuellen Statements eingegangen worden wäre, denn es gab gestern einen offenen Brief an den EU-Parlamentspräsi- denten Martin Schulz von Michel Reimon, grüner EUAbgeordneter aus Österreich. Dem haben sich bislang 60 Mitglieder des Europäischen Parlaments angeschlossen, und zwar aus sechs Fraktionen und 18 Mitgliedsstaaten. Und ich würde gerne einen Teil aus dem Brief zitieren: „Die besonders hohe Anzahl von Toten in diesem Frühling liegt auch daran, dass das von Italien allein finanzierte Rettungsprogramm ‚Mare Nostrum‘ eingestellt wurde und das EUfinanzierte Frontex-Programm ‚Triton‘ nur die Grenze abschotten soll, aber keine Menschenleben retten. Der Kostenunterschied liegt in einer Ersparnis von geschätzten 70 Millionen Euro.“ Wir hören wieder hier den Geldbetrag.
Wer heute Morgen Radio gehört hat, wird gehört haben, dass Martin Schulz dazu ein Statement abgegeben hat und dort gesagt hat, dass „Mare Nostrum“ wieder neu aufgelegt werden soll. Das haben ich und meine Fraktion sehr, sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen und da wollen wir ihn unterstützen. Und auch der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat heute doch laut darüber nachgedacht, „Mare Nostrum“ wieder einzusetzen. Also ich denke, da ist vieles in Bewegung.
Aber heute treffen sich die EU-Chefs und sie werden einen Maßnahmenplan, einen 10-Punkte-Plan möglicherweise verabschieden. Dieser basiert aber auf einer anderen Logik, denn der stärkt nach wie vor die Operationen „Triton“ und „Poseidon“. Diese zehn Punkte hätte ich gerne mit Ihnen noch mal weiter diskutiert, weil auch hier – das ist ja das auch, was durch die Presse gegangen ist – der Blick sehr stark auf die Schlepper fokussiert ist.
Das halte ich nicht für richtig, Herr Caffier. Aber die Diskussion werden wir weiter führen, Sie kennen unsere Position. Wir haben hier nicht das erste Mal den Antrag gestellt. Aber ich denke, auch bei Ihren Parteigenossen ist ja jetzt ein Stück weit Umdenken da.
Und wenn „Mare Nostrum“ wieder mit aufgenommen wird, auch von der EU-Ebene, dann können wir das nur unterstützen. Aber der 10-Punkte-Plan hat eben nicht wie „Mare Nostrum“ die Rettung zum Inhalt, sondern er hat auch nach wie vor den Fokus auf die Abschottung.
Wenn dieses Vakuum humanitärer Verantwortung aber nicht geschlossen wird, drohen die Todesopfer zuzunehmen. Als Reaktion auf die neuen Flüchtlingskatastrophen haben die Regierungen von Italien und Malta schnelle europäische Unterstützung eingefordert, zu Recht, denn was auf dem Mittelmeer geschieht, kann nicht allein in der Verantwortung einzelner Mitgliedsstaaten liegen. Die EU-Staats- und Regierungschefs dürfen es bei ihren Beratungen eben nicht bei Ankündigungen belassen, sondern müssen durch kurz- und langfristige Maßnahmen verhindern, dass sich weitere Flüchtlingskatastrophen auf dem Mittelmeer wiederholen.
Ich denke, wir wollen alle, dass Menschen sich gar nicht erst auf die Flucht begeben. Aber ich denke, wir haben hier heute einen Anlass, über den aktuellen Sachstand zu diskutieren.
Meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die Landesregierung dazu auf, sich bei der Bundesregierung und in Brüssel dafür einzusetzen, dass das Massensterben von Schutzsuchenden an den Außengrenzen der EU mit folgenden Maßnahmen eingedämmt wird:
notrettung auf dem Niveau der italienischen Seenotrettungsmission „Mare Nostrum“, die gesamteuropäisch finanziert und organisiert wird, damit kurzfristig – kurzfristig und schnell – auf die dramatische Situation an unseren Küsten reagiert werden kann,
bestehenden Möglichkeiten der legalen Einreise für Schutzsuchende durch alle EU-Mitgliedsstaaten, wie etwa die Familienzusammenführung, humanitäre Aufnahmeprogramme oder im Resettletment-Programm der UN, damit Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen und in Europa Schutz suchen, nicht auf eine lebensgefährliche Mittelmeerüberquerung und Schleuserorganisationen …