Protokoll der Sitzung vom 24.04.2015

Aus fachlicher Sicht des Ministeriums, meine Damen und Herren, ist der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministe

riums ausgezeichnet und es ist ihm dazu nur zu gratulieren, aber da kann ich Herrn Jaeger kaum noch toppen. Der Vorschlag ist im Übrigen – das wäre mir auch bedeutsam – absolut minimalinvasiv. Sie haben es eben angesprochen: 90 Prozent – auch das sind Gutachten, mögen es am Ende dann 85 oder 91 sein – der derzeit laufenden Kraftwerke werden weitgehend oder überwiegend unberührt bleiben von dieser neuen Regelung, die vorgeschlagen ist.

Das bedeutet, dass wir vor allem ältere emissionsintensive Kraftwerke erfassen werden. Und durch die Anknüpfung an die europäischen CO2-Zertifikate – das habe ich eben bereits angesprochen – wird sichergestellt, dass diese nationale Maßnahme – das ist immer die Gefahr von nationalen Maßnahmen – auch europaweit zu Emissionsminderungen führen wird. Wir werden also nicht nur systemimmanent im CO2-Zertifikatehandel bleiben, sondern wir haben zurzeit eine Situation, dass wir durch die steigende Strommenge aus erneuerbaren Energien zwar bei uns mehr Anteile aus erneuerbaren Energien haben, die Braunkohlekraftwerke aber durchproduzieren, weil sie relativ günstig produzieren können und viel von diesem Strom dann ins Ausland transportiert wird, soweit man das physikalisch trennen kann, aber rechnerisch sind das vor allen Dingen exportierte Strommengen.

Dadurch haben wir zurzeit eher CO2 bei uns erhalten und in andere Staaten exportiert. In einigen Nachbarländern sind dafür deutlich CO2-freundlichere Energieerzeugungsformen in Gaskraftwerken runtergefahren worden, weil unsere sehr billigen Braunkohlekraftwerke dort verdrängt werden. Wir werden also auch in diesem System konsequent sein, weil wir ein Stück weit auch bei den Nachbarländern dazu beitragen werden, dass die Exporte nicht mehr zunehmen werden und die dort zurzeit eintretende Verdrängung von CO2-freundlicheren Erzeugungsformen in Nachbarländern nicht weiter befördert wird. Auch so war es insoweit konsequent im europäischen System gedacht.

Allerdings – das gehört der Vollständigkeit halber auch dazu – löst der Vorschlag in der Braunkohlebranche und in den Braunkohleländern, Sie haben die Gewerkschaften ausdrücklich angesprochen, Sorgen aus. In dem Vorschlag wird dort in Teilen der „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Braunkohlestromerzeugung in Deutschland gesehen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesenergieminister und der Bundeswirtschaftsminister sind zu diesen Fragen – weil sie uns auffordern, in den Dialog einzutreten – seit mehreren Wochen in stetigem Dialog in verschiedensten Zusammensetzungen und Besprechungen.

Die Sorgen eines unkontrollierten Strukturumbruchs wird der Bundeswirtschaftsminister nach meiner Einschätzung auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das nehme ich in diesen Gesprächen sehr deutlich wahr, dass er gerade die betroffenen Länder noch einmal in einen besonderen Dialog eingebunden hat. Auch dazu wurden mehrfach Beratungen in den letzten Wochen geführt, an denen wir allerdings eher in einer passiven Zuhörerrolle teilnehmen, weil die Braunkohlekraftwerke und die Braunkohle abbauenden Industrien nicht mein Hauptproblem als Energieminister darstellen.

Der Bund hat insbesondere seine Gutachten, die er zu diesen Fragen erstellen lassen hat – welche Auswirkungen gibt es und in welcher Intensität wird es die

Braunkohleländer treffen – offengelegt und seine Sachverständigen die Ergebnisse dieser Gutachten gegenüber den Ländern vorstellen lassen, die im Übrigen durchgängig davon ausgehen, dass es zu keinen – auch darauf haben Sie Bezug genommen – unkontrollierten Strukturbrüchen in den Braunkohleländern kommen wird.

Von einer dramatischen Strukturveränderung, wie sie dort befürchtet wird und in dem Änderungsantrag der LINKEN ein bisschen anklingt, wird seitens des Bundes nicht ausgegangen. Die Gutachten, die er vorlegt, sprechen auch deutlich dafür, dass er recht hat. Soweit im Ergänzungsantrag der LINKEN dann ein Einsatz des Landes, sagen wir mal, für konversionsähnliche Strukturprogramme gefordert wird, sollten solche Überlegungen, meine Damen und Herren, Gegenstand der gesonderten Gespräche des Bundeswirtschaftsministeriums mit den betroffenen Ländern sein.

(Jochen Schulte, SPD: Lass mir doch auch noch was übrig!)

Denn eine aus einem norddeutschen Bundesland stammende Forderung nach einem solchen konversionsähnlichen Programm wird ganz schnell in die Gefahr geraten, dass wir das als norddeutschen Abgesang auf die Braunkohleindustrie verstehen würden. Dort gilt der Norden schon jetzt ein Stück weit als Ursache und Mitverantwortlicher oder sogar Hauptverantwortlicher für die Sorgen, die dort empfunden werden.

Wir müssen achtgeben, dass wir über solche Vorschläge nicht weiter befeuern, dass wir ja davon ausgehen, dass diese Vorschläge von Sigmar Gabriel vor allen Dingen in unserem Sinne gemacht würden und dazu dienten, dort Dinge zu beseitigen. Deswegen bin ich an der Stelle sehr zurückhaltend. Ich bitte da auch um Nachsicht. Ich sehe die Psychologie, die eine Rolle spielt. Da sind die Länder, die betroffen sind, auf uns bezogen sehr, sehr sensibel.

Lassen wir deshalb klugerweise solche Überlegungen in den Gesprächen der betroffenen Länder mit dem Bund. Der Bund nimmt aber nicht nur die Sorgen der betroffenen Länder im jetzigen Beratungsprozess ernst, er hat zudem Offenheit für die ernsthafte Prüfung von Alternativvorschlägen gezeigt. Aber – das sind dann die Maßgaben – diese müssen preislich ebenfalls einen möglichst geringen Einfluss auf die Verbraucherstrompreise haben. Sie sollen zudem ebenso wirksam CO2 einsparen helfen. Ich weiß, dass hier verschiedene Bundesländer angekündigt haben, sie würden Vorschläge machen. Bisher ist mir kein konkreter Vorschlag für eine gleichermaßen wirksame Lösung unter den eben genannten Prämissen untergekommen.

Und noch einmal: Das Bundeswirtschafsministerium geht auch mit seinem jetzigen Vorschlag nicht von Stilllegung in großem Stil aus, anders als wenigstens drei Bundesländer dies befürchten. Der Bundeswirtschaftsminister hat zudem angeboten, dass er die Situation evaluieren lassen will hinsichtlich der möglichen Folgewirkungen im Jahr 2020 und dann gegebenenfalls das jetzt vorgeschlagene Vorgehen nachzujustieren, damit es eben nicht zu massiven Strukturumbrüchen kommt, die so unkontrolliert gehen, dass ganze Bereiche, ganze Regionen ein Stück weit Strukturumbrüche erleben, die sie wirtschaftlich nicht verkraften können.

Die Kolleginnen und Kollegen unseres Energieministeriums beteiligen sich ebenso an den Diskussionen mit den anderen Ländern und dem Bund, wie ich das selbst tue, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie wissen außerdem, dass sich die Landesregierung dieses Landes bereits nachhaltig für Klimaschutz und CO2-Reduktion einsetzt. Wir fördern solche Bemühungen bei Kommunen und Privaten, vor allem bei Unternehmen mithilfe sowohl des Zuschussprogramms aus der Klimaschutzrichtlinie als auch aus dem Klimaschutzdarlehensprogramm. Und selbstredend gibt es keine effektivere Möglichkeit, CO2 einzusparen, als das, was wir hier im Lande bereits tun, nämlich Strom zu erzeugen mithilfe erneuerbarer Energien.

Dass wir das aktiv und engagiert verfolgen, dürfte ebenfalls unstreitig sein. Das gilt auch fraktionsübergreifend. Indem wir Stromexportland sind und damit unsere Verantwortung für eine CO2-neutrale und nachhaltige bundesweite Stromversorgung wahrnehmen, unterstützen wir anteilig im Übrigen auch andere Bundesländer in ihrer positiven CO2-Bilanz.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Mecklenburg-Vor- pommern seinen Beitrag für den Klimaschutz, für den Ausbau der erneuerbaren Energien und insbesondere seinen Beitrag in der aktuellen Debatte zu der Frage, wie gehen wir mit konventionellen Kraftwerken um, geleistet hat und weiterhin leisten wird. Die Einladung, die Sie aussprechen, haben wir bereits aufgrund der Einladung des Bundeswirtschaftsministeriums wahrgenommen. Ich gehe davon aus, dass wir damit das beitragen, was wir beitragen können. – Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Vincent Kokert, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Pegel.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Eifler für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem Schlusswort des Ministers könnte man eigentlich sagen, der Antrag der GRÜNEN hat sich erledigt,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hält der hier jetzt neuerdings das Schlusswort, oder was?)

denn die Landesregierung soll aufgefordert werden, etwas zu tun.

Ich will trotzdem auf dieses Thema eingehen, weil es doch ein sehr wichtiges ist für unser Land. Es ist eine nationale Aufgabe. Das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ beinhaltet die nationalen Klimaschutzziele, die sehr wohl im Einklang mit den europäischen Zielen formuliert worden sind. Darüber, worüber jetzt gestritten wird, ist der richtige Weg herauszufinden, um diese Ziele zu erreichen.

Da liegt aus dem Bundesministerium ein Vorschlag vor, der in der Öffentlichkeit kritisch betrachtet worden ist. Der Bundesminister ist auf die Kritiken eingegangen und hat weitere Gespräche diesbezüglich angedeutet, die auch stattfinden werden. Und an dem Punkt bin ich mir relativ

sicher, dass man sich im Rahmen der Bundesregierung darauf verständigen wird, einen wirksamen Weg für die Zukunft zu finden, um die Ziele des „Aktionsprogrammes Klimaschutz“ auch zu erreichen.

Aber wie schon so oft bei energie- und klimaschutzpolitischen Themen, die hier im Landtag in letzter Zeit von den Bündnisgrünen immer wieder aufgerufen worden sind, bin ich für meine Fraktion auf das umfassende Klimaschutz- und Energiepaket, auf das sich im vergangenen Herbst die Staats- und Regierungschefs der EUMitgliedsstaaten verbindlich geeinigt hatten, eingegangen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien, der Energie- effizienz und des CO2-Ausstoßes hat man sich inner- halb der EU bis 2030 auf verbindliche Ziele geeinigt. Danach – ich beziehe das auf die Treibhausgasemission, denn das ist ja hier heute Thema – ist die Treibhausgasemission um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die sind verbindlich.)

Verbindlich, darauf hat man sich verständigt auf der europäischen Ebene, ganz klar.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Die sind nicht verbindlich.)

Und die finden sich,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist allgemeines Ziel und nicht nur auf Länder runtergebrochen.)

die finden sich auch in dem Aktionsprogramm der Bundesregierung wieder, die 40 Prozent, bereits schon bis 2020. Die Bundesregierung und die Große Koalition in Berlin haben sich darauf verständigt, bis zum Jahre 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zur reduzieren. Sie haben sich aber auch darauf geeinigt, die Steuer nicht zu erhöhen und auch Sonderabgaben nicht einzuführen.

Ich sage Ihnen, beides ist gleichzeitig umsetzbar. Die Forderung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gleichzeitig aus der Atom- und der Kohleenergie auszusteigen, aber nicht. Soll die Energiewende erfolgreich sein, ist ein ausgewogener Energiemix aus erneuerbaren und fossilen Energieträgern zwingend erforderlich. Nur so ist das Zieldreieck einer versorgungssicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung Deutschlands umsetzbar.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Stehen Sie noch zu 80 Prozent Regenerativstrom?)

Aktuell liegen keine fundierten Unterlagen oder Gutachten zur Ausgestaltung des vorgeschlagenen Klimainstruments vom Bundeswirtschaftsminister vor.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Machen sie nicht.)

Dabei ist eine solide Faktenbasis bei so weitreichenden industrie- und energiepolitischen Entscheidungen unerlässlich. Das seit Kurzem vorliegende Eckpunktepapier aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

zum Strommarkt erklärt einerseits den Verzicht auf weitere politische Eingriffe zu einer Erfolgsvoraussetzung für einen starken Strommarkt, andererseits schlägt es genau solche tiefgreifenden politischen Interventionen in Form von Eingriffen in die Stromerzeugung mittels einer neuen beliebig ausweitbaren CO2-Abgabe vor. Auf dieser Basis, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, können keine Entscheidungen getroffen werden, denn im schlimmsten Fall drohen nicht nur Stilllegungen von Kraftwerken und Tagebauen, sondern auch extrem erhöhte Strompreise, die den Industriestandort Deutschland massiv schwächen.

Deutschland, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss als Industriestandort in Knappheitssituationen seinen Strombedarf im Wesentlichen eigenständig erzeugen können und eine Perspektive als Anbieter von Versorgungssicherheit im europäischen Binnenmarkt haben. Dies kann aber nur bei weiterer Nutzung der Kohleverstromung gewährleistet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, gerade erst im November haben wir einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zum Ausstieg aus der Kohlenutzung beraten. Heute, ein halbes Jahr später, liegt ein weiterer Antrag der Fraktion vor, der den kurzfristigen Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland zum Ziel hat. Es geht auch aus Ihrer Begründung eindeutig hervor, weil Sie auf das Abschalten von Kohlekraftwerken reflektieren.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da stellt sich mir schon die Frage, inwieweit das landespolitisch von Bedeutung ist. Wir haben weder in Mecklenburg-Vorpommern einen Kohletagebau noch haben wir ein Braunkohlekraftwerk, sondern wir haben in Rostock das einzige Kohlekraftwerk, ein Steinkohlekraftwerk, was nach meinem Kenntnisstand nach dem Stand der Technik arbeitet, und das ist, glaube ich, nicht infrage zu stellen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Doch!)

Obwohl Mecklenburg-Vorpommern von einem Ausstiegsszenario kaum betroffen wäre, muss die Frage erlaubt sein, inwieweit der Ausstieg aus der Atomenergie mit einem gleichzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung in einem Industrieland wie Deutschland verträglich gestaltet werden kann.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht umsonst gehen die Gewerkschaften davon aus, dass über 100.000 Arbeitsplätze, über 100.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern und Servicefirmen, aber auch energieintensiven Unternehmen von der Kohleverstromung abhängig sind. Weder zu den 100.000 Arbeitsplätzen noch zu den Sorgen und Ängsten der Kohlekumpel und der Beschäftigten in den Kraftwerken, die täglich bei Wind und Wetter ihren Job machen,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, bei Wind brauchen sie das ja nicht mehr. – Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

verlieren Sie in Ihrem Antrag,

(Egbert Liskow, CDU: Das hat die GRÜNEN noch nie interessiert.)

meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ein einziges Wort.