da hatten inhaltliche Argumente keine Chance. Das ist bedauerlich und aus meiner Sicht respektlos gegenüber den Unterzeichnern des Volksbegehrens, auch gegenüber den Experten in den zahlreichen Anhörungen.
Das erste erfolgreiche Volksbegehren in MecklenburgVorpommern hätte sicherlich ein genaueres Hinschauen verdient. Aber das sind wir ja bereits von der Behandlung von Volksinitiativen gewohnt, da bleiben Sie sich einfach treu. Und dass es nicht immer gut ist, Hinweise der Experten zu ignorieren, beweist die gestrige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes zur Verordnung der Landesregierung in Bezug auf die Zweigstellen.
Zunächst einmal möchte ich etwas zum grundsätzlichen Reformbedarf sagen. Nun endlich erkennen Sie an, dass die Kritiker der Reform, die Initiatoren des Volksbegehrens, sich nicht einer Reform verweigern. Das hat lange gedauert,
Worin aber dieser Reformbedarf konkret besteht, darüber sind Sie in den zurückliegenden drei Jahren allen Beteiligten eine Antwort schuldig geblieben.
Dass nahezu alle Anzuhörenden einen Reformbedarf anerkannt haben, das ist richtig. Ob die aktuell durchgeführte Reform der Regierung diesem Bedarf gerecht wird, der nicht konkret bewiesen worden ist, konnte nicht bestätigt werden. Auch das haben fast alle Anzuhörenden dargestellt. Und da sind wir beim ersten Problem in der Argumentation der Koalition. Jegliches Bekenntnis der Anzuhörenden – in sämtlichen bisherigen Anhörungen übrigens – zu einem grundsätzlichen Reformbedarf wurde aus Ihrer Sicht als Zustimmung zu dieser Reform fehlinterpretiert. Eine Ablehnung dieser konkreten Reform wurde regelmäßig überhört.
Selbst Herr Meermann, Direktor des Amtsgerichtes Wismar und nach meiner Erinnerung einer der wenigen Amtsgerichtsdirektoren, die eine derartige Gerichtsstrukturreform begrüßen, sagte, dass man die Reform auch hätte anders machen können. Und die von Ihnen benannten Experten, die in Bezug auf die Durchführung einer Reform in ihren Ländern Erfahrungen gesammelt haben, machten darüber hinaus deutlich, wie sie den
Reformprozess auf den Weg gebracht haben, nämlich unter Einbeziehung der Betroffenen, was wir hier in Aussprachen und mit Anträgen in den drei Jahren des Öfteren gefordert haben.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie verwechseln einen grundsätzlichen Zuspruch zu einer Reform mit einem Zuspruch zu dieser Reform. Wie Sie wissen, bezeichnet man in der Politik eine Reform als eine planvolle Umgestaltung bestehender Verhältnisse und Systeme. Ziel ist eine Verbesserung der Lage und keine Verschlechterung. Das sollte auch Ziel einer Gerichtsstrukturreform sein. Wenn also die Fachleute einen grundsätzlichen Reformbedarf bejahen, wollen sie, dass sich etwas verbessert, und nicht, dass sich die Lage verschlechtert, weil die Wege immer weiter werden, die Mitarbeiter zunehmend überlastet sind und die Kosten für die Steuerzahler ausufern. Dass Sie dann noch Experten benennen, die sich mit den konkreten Verhältnissen und der konkreten Situation in unserem Land nicht auskennen, sich nicht damit beschäftigt haben, das ist aus meiner Sicht unerhört.
Werte Kolleginnen und Kollegen, kommen wir jetzt zu den Argumenten. Vonseiten der Koalition war häufig zu hören und zu lesen, es seien keine neuen Argumente vorgetragen worden. Kollege Heinz Müller behauptete dies ja schon in der Ersten Lesung zur Volksabstimmung. Dass das so nicht stimmt, darauf komme ich gleich noch zu sprechen, wobei sich ohnehin die Frage stellt, ob es auf neue Argumente überhaupt ankommt. Ich finde, die alten waren mehr als ausreichend, die Reform abzulehnen.
Im Gegenteil: Mir ist bisher noch kein Argument vorgetragen worden, das diese Reform, wie sie jetzt durchgeführt wird, rechtfertigt. Das ist auch während der Anhörung nicht deutlich geworden.
Effizienzgewinne sind nicht zu erwarten, die Einsparungen wird es auch kaum geben. Ich möchte aber nicht die ganze alte Diskussion wieder aufmachen.
Ich denke, darüber haben wir uns zur Genüge ausgetauscht. Ich möchte lediglich auf die Finanzdiskussion eingehen. Hätte man von Anfang an gesagt, wie auch in anderen Ländern, man macht die Reform, um Geld zu sparen, hätte man auf einer ganz anderen Basis diskutieren können.
(Heinz Müller, SPD: Das passt Ihnen wohl nicht in Ihre Argumentationslinie, dass wir nicht so argumentieren, wie Sie es gerne hätten?!)
ja gerade unter diesem Aspekt offensichtlich ein Reinfall war. Stattdessen hat man den Leuten das Märchen von
Argumente hinsichtlich ausufernder Kosten wurden damit abgebügelt, dass die Reform ja angeblich kein Geld sparen solle. Letzteres hat dann auch dazu geführt, dass die finanziellen Auswirkungen kaum belastbar geprüft worden sind. Fast skandalös ist es dann, wenn der Landesrechnungshof diese Reform begrüßt, ohne überhaupt die Wirtschaftlichkeit geprüft zu haben. Da tauchen im Kommunalfinanzbericht Überprüfungen kommunaler
Mikrogesellschaften auf, und bei einem Vorhaben wie einer Gerichtsstrukturreform, wo über Millionen entschieden wird, verzichtet der Landesrechnungshof auf eine Prüfung und es werden beide Augen zugemacht.
Meine Damen und Herren, das bringt mich dann auch nahtlos zu den zwischenzeitlich vorliegenden neuen Argumenten. Ich habe das vor einiger Zeit schon einmal angesprochen, aber irgendwie wird das Argument der steigenden Investitionskosten gern weiter ignoriert. Da ich das Thema schon einmal angesprochen habe, mache ich es an dieser Stelle kurz.
Nur für die Standorte Greifswald, Anklam, Parchim und Neustrelitz sind Investitionskosten gegenüber der Berechnung aus dem Gesetzentwurf bis jetzt um knapp 3 Millionen Euro angestiegen. Und auch das fleißige Gegenrechnen eingesparter Investitionskosten wird immer fragwürdiger. So stand im Ursprungsentwurf, man hätte ohne Reform in Demmin etwa 2,8 Millionen Euro investieren müssen, und zwar für den vorderen Gebäudeteil, in den jetzt die Polizei eingezogen ist.
Im Falle der Gerichtsstrukturreform wurden lediglich etwa 50.000 Euro für den Umbau zur Zweigstelle veranschlagt. Allein diese Umbaukosten haben sich auf 108.000 Euro erhöht und damit mehr als verdoppelt. Und was die nicht durchgeführten Investitionen angeht, muss man sagen, dass der Umbau für die Polizei etwa 4,75 Millionen Euro kostet. Man tut also so, als hätte man in Demmin fast 3 Millionen Euro gespart. Tatsächlich kostet der Spaß dann aber fast 5 Millionen. Und so muss man sich am Ende auch nicht wundern, wenn die sogenannte Wirtschaftlichkeitsüberprüfung zu vermeintlichen Einsparungen kommt.
Meine Damen und Herren, diese Reform ist aus finanziellen Gesichtspunkten heraus mehr als fragwürdig. Und auch das ständige Beteuern, es ginge hier nicht um Einsparungen, ändert nichts daran, dass das der wirklich treibende Gedanke dieser Reform war. Die letzte Anhörung brachte aber noch weitere neue Erkenntnisse, etwa, dass die Verwaltung der Zweigstellen schlechter funktioniert als ursprünglich gedacht. Sehr beeindruckend waren für mich die Aussagen von Herrn Burgdorf, dem Amtsgerichtsdirektor von Pasewalk. Er musste Ende letzten Jahres das Amtsgericht Ueckermünde aufnehmen und verwaltet das vormalige Amtsgericht Anklam als Zweigstelle. Die Zustände, die Herr Burgdorf aus Pase
walk schildert, kann man fast als katastrophal bezeichnen. Ich habe das ja schon verschiedentlich dargelegt.
Die Verwaltung der Zweigstelle in Anklam kostet den Direktor und den Geschäftsleiter etwa einen Tag pro Woche. Diese Mehrbelastung wird jedoch nicht in den Pensen abgebildet. Darüber hinaus kam es zu erheblichen Verzögerungen in der Bearbeitung der Verfahren. Direktor Burgdorf wendet täglich eine Stunde Arbeitszeit auf, um Beschwerden gegen das Gericht und seine Mitarbeiter zu bearbeiten. Noch nie war die Zahl der Beschwerden so hoch. Zusammengefasst kann man sicherlich sagen, dass diese Reform in Pasewalk nicht eine einzige der Erwartungen erfüllt hat, die man eigentlich in sie gesetzt hat.
Herr Burgdorf sagte aber auch, wenn schon diese Reform, dann möchte er auch das Personal haben, was ihm nach dieser Reform zusteht. Und bevor jetzt einige Koalitionäre wieder der Meinung sind, dieser Aussage eine Zustimmung zu dieser Reform zu entnehmen, weise ich darauf hin, dass Herr Burgdorf wirklich kein gutes Haar an dieser Reform gelassen hat. Seinen Einwand kann ich nachvollziehen.
Da streiten wir hier im Landtag ewig um die Zahl von 10 Richterplanstellen. Monatelang will man uns weismachen, dass ein Gericht mindestens 10 Richterplanstellen haben muss, um effizient zu arbeiten. Und nachdem die Reform dann durchgepeitscht ist, bekommt Pasewalk statt 10 Richtern nur 8,4. Wenn es dann dort nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, wird dem Direktor mancherorts sogar Führungsschwäche vorgeworfen. Das kann doch nicht angehen, meine Damen und Herren!
Wenn etwas keine neuen Argumente gebracht hat, dann der Versuch, durch Sachverständige aus anderen Bundesländern die hier vorgenommene Reform untermauern zu lassen.
Im ersten Anhörungstermin haben wir den Staatssekretär a. D. Dr. Rudolf Kriszeleit aus Hessen gehört. Ich muss zugeben, seine Ausführungen waren durchaus aufschlussreich und er hat sich bemüht, die Reform aus Sicht eines Behördenleiters zu begründen. Ein wenig sonderbar wurde es an dem Punkt, als er meinte, man hätte in Hessen bereits eine vergleichbare Reform hinter sich. Als er näher ausführte, dass die Zahl der Amtsgerichte in Hessen von 46 auf 41 reduziert worden ist, und das, obwohl Hessen noch kleiner als MecklenburgVorpommern ist, fiel es mir etwas schwer, die Vergleichbarkeit mit unserem Land zu erkennen. Schließlich haben wir niemals 41 Amtsgerichte in MecklenburgVorpommern gefordert.
Meine Damen und Herren, in diesem Moment hätte eigentlich jedem bewusst werden müssen, wie beispiellos destruktiv die Gerichtsstrukturreform der Regierung ist und dass sie unbedingt überdacht werden muss. Ja, die Anhörung hat nicht extrem viele neue Argumente gebracht.
Die, die sie gebracht hat, sprechen allerdings dafür, die Reform zu kippen und neu zu überdenken. Sie stützen
die sehr starken Argumente gegen diese Reform, die ohnehin schon vorgebracht wurden. Und spätestens seit gestern sollte Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, klar geworden sein, dass die Ziele der von Ihnen auf den Weg gebrachten Reform nicht zu erreichen sind