Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

„Etwas ist faul im Staate Dänemark“ – meine Damen und Herren, das Zitat von Shakespeare kennen Sie alle. Nur gemeint ist dieses Mal Deutschland und damit auch Mecklenburg-Vorpommern. Gemeint sind die Kommunalabgabengesetze der Länder. Dass etwas faul ist, zeigt exemplarisch folgender Vorgang, und ich zitiere aus der „Ostsee-Zeitung“ vom 23.03.2017: „Rentner soll für neue Straße bis zu 100.000 Euro zahlen, Schweriner wehrt sich gegen Ausbaubeitrag... Ein Betroffener ist Peter V... (78). Der Schweriner wohnt in einer stark befahrenen Straße im Stadtteil Görries und soll nach ersten Planungen mit 50.000 bis 100.000 Euro an der Sanierung beteiligt werden. ‚Das ist ein irres Geld. Mit 78 Jahren bekomme ich auch keinen Kredit mehr. Hier stimmen die Proportionen nicht‘, kritisiert er. Insgesamt 1,7 Millionen Euro sollen die 26 Anlieger der“ betroffenen „Rogahner Straße zahlen... V... kämpft mit einer Bürgerinitiative gegen die hohen Kosten.“ Er „stößt jetzt auf Zuspruch: Der Schweriner Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) wurde“ vergangene „Woche von den Stadtvertretern mit großer Mehrheit beauftragt, sich beim Landtag für eine Novelle des Kommunalabgabengesetzes einzusetzen.“

Einen entsprechenden Antrag wollen die Stadtfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Unabhängige Bürger zur kommenden Sitzung der Stadtvertretung am Montag, dem 20. März 2017 einbringen. Ziel: Die Pflicht, Straßenbaubeiträge zu erheben, soll abgeschafft werden oder

den Kommunen mehr Spielraum dabei gewährt werden. Dieses Beispiel direkt vor unserer Haustür zeigt gleich zweierlei:

Erstens. Das geltende Recht führt zu teilweise extremen Ergebnissen – fünfstellige Beträge, die auf einmal fällig werden, das heißt, hohe finanzielle Belastungen für den Bürger, meist ohne eine Möglichkeit, rechtzeitig Vorsorge zu betreiben.

(Thomas Krüger, SPD: Lesen Sie das Gesetz!)

Zweitens. Die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet. Die Bürger wehren sich politisch und auch juristisch. Einen Teil davon konnten alle, die hier im Saal sind, heute Morgen miterleben. Als Sie den Weg zum Schloss gehen durften, haben Sie die kleine Demonstration sicherlich bemerkt.

(Martina Tegtmeier, SPD: Ich kam zu spät. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Mein Fazit daraus: Die Politik muss endlich aus ihrem Tiefschlaf erwachen und endlich beginnen zu handeln!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ein anderes Beispiel ist der 5.000-Seelen-Ort Weitramsdorf bei Coburg in Bayern. Die Hausbesitzer zweier Straßenzüge erhielten Beitragsbescheide. Damit wurden sie verdonnert, für die Sanierung einer kleinen Anliegerstraße vor ihrer Haustür mit zu bezahlen, und das kräftig. Zwischen 60 und 70 Prozent der Kosten sollten sie übernehmen. Mancher Eigentümer musste bis zu 26.000 Euro zahlen – innerhalb eines Monats! Auch hier regte sich ein Sturm des Protestes in der Bevölkerung und führte zum Erfolg. Die Bürger schlossen sich zusammen, führten einen Rechtsstreit und hatten am Ende Erfolg. Die Bescheide wurden erheblich, teilweise um die Hälfte, reduziert.

Diese zweite Geschichte zeigt, es ist für die Kommunen eine wachsende Herausforderung, rechtssichere Beitragsbescheide zu erlassen. Dafür muss in den Amtsstuben ein immer größerer Aufwand betrieben werden. Das verursacht Kosten, die den angestrebten Nutzen schmälern. Den Einnahmen aus Straßenausbaubeiträgen stehen erhebliche Ausgaben für die Beitragserhebung gegenüber. Diese entstehen vor allem durch Personal- und Sachkosten für die gesamte Beitragssachbearbeitung.

Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt, der beste Straßenausbaubeitrag ist derjenige, der gegenüber den Bürgern gar nicht erst erhoben wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dazu wollen wir als Alternative für Deutschland heute einen Beitrag leisten. Der erste Schritt dahin ist, die starre Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aus dem Kommunalabgabengesetz von Mecklenburg-Vorpommern zu beseitigen. Dass dies überhaupt möglich ist, zeigt ein Blick auf die gesetzlichen Grundlagen, die in den Bundesländern und Städten uneinheitlich geregelt sind. Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg, aber auch die Stadt München haben die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen bereits vollkommen abgeschafft. Begründung: Der Aufwand für

deren Erhebung ist einfach zu groß. Die oft vorgebrachte Behauptung, Straßenausbaubeiträge seien für die Kommunen ein unverzichtbares Finanzierungsmittel, ist damit widerlegt.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Es geht also auch anders. Einen guten Weg dabei zeigt Thüringen auf. In Thüringen hat die Regierungskoalition aus LINKEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Kompromiss zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorgelegt.

(Torsten Renz, CDU: Der ist aber sehr stark kritikwürdig, dieser Kompromiss. Den habe ich mir schon angeguckt.)

Er sieht eine Ermessensregelung vor, nach der Gemeinden den Anliegeranteil an Straßenausbaukosten absenken können.

(Torsten Renz, CDU: Sie verlagern das Problem doch nur auf die Kommunen, dass die sich da zoffen.)

Ab 2019 sollen Kommunen außerdem unter bestimmten Umständen auf Straßenausbaubeiträge gänzlich verzichten können.

(Torsten Renz, CDU: Das ist ein fauler Kompromiss zulasten Dritter.)

„Wir haben damit ein Problem gelöst,“

(Thomas Krüger, SPD: Verlagert!)

„welches in vielen Gemeinden seit über 20 Jahren“

(Thomas Krüger, SPD: Verlagert! – Torsten Renz, CDU: Es wird verlagert.)

„zu Verärgerung und Protesten bei den Bürgern geführt hat“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der kommunalpolitischen Sprecher der Thüringer Regierungsparteien.

So weit wie Thüringen wollen wir mit unserem Vorschlag aber gar nicht gehen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Es reicht doch, die starre Pflicht zur Erhebung der Beiträge zunächst in eine Kannvorschrift umzuwandeln. Und bitte gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Bemerkung an die Chefideologen hier im Saal: Wo bitte ist die AfD denn rechtspopulistisch? In bester rot-rot-grüner Gesellschaft befinden wir uns hier heute.

(Beifall vonseiten der Fraktion AfD – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Herr Ritter, nehmen Sie das mal zur Kenntnis!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was denn? Ich habe doch gar nichts gesagt.)

Sie haben gar nicht zugehört.

Nein, dort, wo die kommunale Haushaltslage eine …

(Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Jetzt kommen Sie in Fahrt. Ja, ja, jetzt haben Sie was gemerkt.

Nein, dort, wo die kommunale Haushaltslage eine Vollfinanzierung durch die Kommune zulässt, kann auf die finanzielle Beteiligung der Anlieger durchaus verzichtet werden. Das entspricht dann auch dem in der Rechtsprechung oft postulierten Schutzbereich der kommunalen Finanzhoheit. Ein Gewinn an kommunaler Selbstverwaltung ist das also.

Und übrigens, die von uns geforderte Kannregelung wurde längst im Saarland, damals noch unter CDUFührung, eingeführt.

(Torsten Renz, CDU: Im Saarland?)

Auch in Sachsen und in Niedersachsen

(Torsten Renz, CDU: Hat sich im Saarland irgendetwas geändert?)

finden sich entsprechende Regelungen.

Saarland, ja, Sie haben richtig gehört.

(Torsten Renz, CDU: Hat sich da was in der Führung geändert?)

Warum nicht in unserem Bundesland?

(Torsten Renz, CDU: Weil Sie sagen: „damals CDU“.)

Ich habe das genauso gesagt. Sie haben schon richtig gehört.

(Torsten Renz, CDU: Wir sind weiterhin Steuermann. – Jochen Schulte, SPD: Oder Steuerfrau.)

Antwort: Warum also soll das nicht in unserem Bundesland möglich sein?