Protokoll der Sitzung vom 29.10.2020

(Horst Förster, AfD: Was heißt das nun für uns, für unseren Landtag?)

Das heißt für uns, ich will begründen, dass es notwendig ist, eine Vermögensabgabe einzuführen, eine Vermögensabgabe,...

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Also danke, dass Sie mich auffordern, das auf den Punkt zu bringen!

(Minister Harry Glawe: Hat aber lange gedauert.)

... eine Vermögensabgabe, die zum einen sich bezieht auf die gegenwärtige Krisensituation, und zum anderen muss es eine angemessene, sage ich mal, Solidarität in der Gesellschaft geben. Der Ex-Bundeskanzler Schröder hat immer gesagt: Starke Schultern müssen starke Lasten tragen!

(Minister Harry Glawe: Koplin macht wieder Wahlkampf.)

Nö, hat er doch recht, hat er doch recht.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Ich bin absolut kein Fan von Gerhard Schröder, aber wenn er recht hat, hat er recht in dem Punkt. Und auf was anderes will ich an der Stelle nicht hinaus. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und danke schön fürs Zuhören!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Abgeordnete FriemannJennert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD-Fraktion hat zur heutigen Landtagssitzung eine Aussprache zum Thema „Mecklenburg-Vorpommern nicht zum Armenhaus von Deutschland machen“ beantragt.

Ich will ganz kurz nur mal auf Dr. Jess antworten. Also Sie sprechen ja von drohenden Fehlentscheidungen und so weiter. Und Herr Meyer hat es auch schon kurz gesagt, also Ihre Ausführungen sind leider ohne Vergleich geblieben, und daher ist es für mich auch nur die halbe Wahrheit, die dann hier zum Tragen kommt.

Zwei Beispiele habe ich mir noch aufgeschrieben: den Einwohnerverlust – kennen wir. Ja, wir haben auch eine Enquetekommission gebildet, wo es um das geht, wo wir das aufarbeiten können. Wir hatten die Enquetekommission „Älter werden“, wir haben jetzt eine, wo es um die medizinische Versorgung geht. Und mit Verlaub, wir beziehen auch die jungen Leute in all unsere Veranstaltungen und so weiter ein.

Und das Zweite: Deindustrialisierung haben Sie als Stichwort genannt. Wenn ich mich recht entsinne, waren wir nie ein großer Industriestandort. Zu den Werften würde ich vielleicht nachher noch mal kommen.

Und ich muss wirklich sagen, ich habe aus Ihrem Beitrag so gar nichts Konstruktives gehört. Ich muss gestehen, dass ich in der Vorbereitung so ein bisschen nachdenken musste, was wollen die eigentlich. So, der Begriff „Armenhaus“, der an dieser Stelle ja im übertragenen Sinne verwendet wird, ist durchaus vielfältig und wird oftmals themenübergreifend verwendet. Und ich möchte meinen Ausführungen vorwegstellen, dass ich die Intention auch dieses Titels nicht teile. Ich sehe keineswegs die Gefahr, dass sich Mecklenburg-Vorpommern zu einem Armenhaus entwickeln könnte. Dies möchte ich auch an ein paar Beispielen verdeutlichen.

Im Zusammenhang mit Armut wird ja häufig von Altersarmut gesprochen, insbesondere im Hinblick auf die Höhe der durchschnittlichen Renten. Unbestritten befindet sich Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich weiterhin auf den hintersten Plätzen, was unterschiedliche Ursachen hat. Und natürlich gibt es in diesem Bereich noch Handlungsbedarf. Zu Recht wird darauf in verschiedenen Debatten auch immer wieder verwiesen. Doch was mir hierbei immer ein wenig zu kurz kommt, ist die überwiegend positive Entwicklung der vergangenen Jahre.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch ein paar Zahlen der Deutschen Rentenversicherung nennen: Seit 2015 sind die Renten in den neuen Bundesländern um 22,8 Prozent gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs der Bruttostandardrente in Höhe von rund 280 Euro. Damit entspricht der Rentenwert in den neuen Bundesländern rund 97,2 Prozent vom Wert in den alten Bundesländern. Bis zum Jahr 2024 soll die Angleichung der Renten zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern vollständig erreicht sein.

Obwohl die Zahl gezahlter Renten sich seit Beginn der 1990er-Jahre deutlich erhöht hat, bewegt sich der heutige Rentenbeitragssatz im Vergleich zu 1991 sogar auf einem geringeren Niveau. Doch entscheidend für einen kontinuierlichen Anstieg der durchschnittlichen Renten

und wesentlich für die Bekämpfung der Altersarmut sind ein weiterer steigender Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sowie kontinuierliche Lohnzuwächse in Mecklenburg-Vorpommern.

Und ich denke, dass wir in diesem Bereich trotz der Rückschläge durch die Corona-Pandemie auf einem guten Weg sind. Auch hier möchte ich auf die Entwicklung der Zahlen aufmerksam machen: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit konnte in den vergangenen Jahren in unserem Land ein deutlicher Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse verzeichnet werden. Vergleicht man beispielsweise den Zeitraum von März 2013 bis März 2020, so konnte hier ein Zuwachs von rund 50.000 Arbeitsplätzen beobachtet werden.

Und zum Zweiten, in der Folge haben sich auch die durchschnittlichen Löhne in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Jahren sichtbar erhöht. Auch wenn das Land weiterhin Schlusslicht im bundesweiten Vergleich ist, war es...

Entschuldigung, jetzt habe ich mich hier vertan.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Bei den Renten auch.)

Entschuldigung!

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Nach Angaben des Gehaltsatlasses von 2019 konnte in Mecklenburg-Vorpommern auch ein Plus von 2,4 Prozent allein innerhalb eines Jahres verzeichnet werden.

Ich muss noch mal zurück auf die Industriedichte, die wir ja nicht haben, aber immerhin 2,4 Prozent. Das Institut der deutschen Wirtschaft konnte seit 2010 gar einen Zuwachs der durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelte in unserem Land von rund 9.000 Euro auf 36.515 Euro pro Jahr registrieren.

Im Übrigen sollten bei der Debatte auch immer beide Seiten der Medaille betrachtet werden. Das haben wir hier ja schon festgestellt. So können auf der einen Seite nicht die geringen Löhne in Mecklenburg-Vorpommern kritisiert und auf der anderen Seite die Unterstützung für die maritime Industrie, einem der wichtigsten Industriezweige des Landes, versagt werden. Die Unterstützung der MV WERFTEN und die geplanten Investitionen in andere Wirtschaftszweige, in die Bildung, in die Kommunen und in den Sozialbereich im Rahmen des zweiten Nachtragshaushaltes sind Maßnahmen, mit denen die aktuellen negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie begrenzt werden sollen. Es geht vor allem darum, eine langfristige Krise nach der Corona-Pandemie und den Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen zu verhindern. Und dazu sind Investitionen und finanzielle Hilfen für die verschiedenen Bereiche zwingend notwendig. Als sozialpolitische Sprecherin begrüße ich daher in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich die Unterstützung der Kommunen. Schließlich wird damit sichergestellt, dass auch hier Leistungen im Sozialbereich weiterhin im bisherigen Umfang sichergestellt werden können.

Weiterhin ist vorgesehen, im Rahmen des zweiten Nachtragshaushaltes Kofinanzierungsmittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro für den Ausbau der Ganztagsbetreuung be

reitzustellen. Damit leistet das Land einen wichtigen Beitrag dazu, dass das entsprechende Bundesprogramm in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt und zusätzliche Betreuungsplätze für Grundschüler geschaffen werden können.

Abschließend ist auf das Winterwirtschaftsprogramm hinzuweisen, mit dem natürlich auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im Land gesichert werden. Insofern sehe ich nicht die Gefahr, dass sich Mecklenburg-Vorpommern zu einem Armenhaus entwickeln könnte. Im Gegenteil, die ergriffenen und die geplanten Maßnahmen der Landesregierung tragen dazu bei, dass das Land die Auswirkungen der CoronaPandemie so gut wie möglich auffangen und die positive Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzen kann.

Und eins möchte ich ganz persönlich auch ganz klar sagen: Selbst beim guten Recht oppositioneller Kritik, in dieser Zeit spalten Sie die Bevölkerung, statt zu dem so notwendigen Zusammenhalt in Mecklenburg-Vorpommern beizutragen. Man kann Ihnen wirklich das Feld keineswegs und auf keinen Fall auch nur einen Millimeter überlassen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Jetzt hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Arppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Herr Koplin hat es ja eigentlich schon so ein bisschen in seinem Redebeitrag, auch mit dem Rekurs auf das Buch von Thomas Piketty, angedeutet: Es geht bei der Bekämpfung der Armut, die hier von der AfD postuliert wurde, letztendlich darum, bekämpfen wir die Armut, indem wir auf die Kräfte der freien Marktwirtschaft und des Kapitalismus setzen, oder auf die Rezepte des Marxismus-Leninismus.

Ich habe das Buch auch gelesen, „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, überzeugt hat es mich nicht, denn es bleibt historisch betrachtet nun mal ein Faktum, dass der Kapitalismus die Wirtschaftsordnung nun mal war und ist, die auch im globalen Maßstab mehr Wohlstand geschaffen hat und mehr für die Abschaffung und Minderung der Armut getan hat als jede andere Wirtschaftsordnung zuvor. Vom Sozialismus brauchen wir da ja erst gar nicht zu reden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Allerdings haben Sie recht, wenn Sie auf die Auswüchse des Kapitalismus hinweisen, also diese Superreichen, also immer mehr Kapital in den Händen immer weniger Leute. Das Problem ist nur, Sie fördern das ja in gewisser Weise, denn nehmen wir jetzt mal diese ganzen Corona-Maßnahmen, den ersten Lockdown oder den zweiten, das ist ja auch nichts anderes als ein Konjunkturprogramm für die Internetwirtschaft, hinter der ja genau die Leute stehen, die Sie zu Recht ja auch kritisch sehen für die in deren Händen erfolgte Anhäufung von sehr, sehr, sehr viel Reichtum.

Und dann, es tut mir leid, muss ich natürlich da auch noch mal auf das Problem der Zuwanderung und Migration zu sprechen kommen, denn durch diese ganze Mas

senzuwanderung der letzten Jahre ist ja vor allen Dingen eines passiert, nämlich, dass der Niedriglohnsektor – auch in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch deutschlandweit – enorm unter Druck geraten ist, und das sind alles Dinge, die jetzt nicht gerade zur Minderung der Armut, gerade im Bereich der prekären Beschäftigung, beitragen.

Also mein Petitum an der Stelle ist nach wie vor, es sollte alles getan werden, um das freie Unternehmertum hier in Mecklenburg-Vorpommern zu fördern und zu unterstützen. Unnötige Regelungen sollten verschwinden und abgeschafft werden und dieser Lockdown am besten auch so schnell wie möglich wieder abgeblasen werden. Der Kapitalismus, die Marktwirtschaft ist das beste Mittel gegen Armut und nichts anderes. Das ist und das bleibt so, und alle empirischen Daten der Menschheitsgeschichte beweisen das ja hinlänglich. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich will jetzt nicht in eine Diskussion über Thomas Piketty einsteigen. Das ist wahrscheinlich spannend und interessant, aber vielleicht auch problematisch vor dem Hintergrund, dass es ja auch hinreichend Kritik an der Arbeit als solcher gibt, also an seiner Arbeit als solcher, weil es ist nur mal hinzuweisen – der Kollege Koplin ist jetzt, glaube ich, im Moment nicht im Saal –, also es mangelt ja offensichtlich schon an einer Definition des Kapitalismusbegriffs. Da werden Dinge, ich will mal vorsichtshalber sagen, durcheinandergeschmissen, die Frage „Mehrheitseigentum/Kapitaleigner“, die Frage, dass heutzutage Finanzinvestoren im Grunde längst über Minderheitsbeteiligungen die Macht ausüben in der Wirtschaft – das beste Beispiel ist BlackRock –, die dort von Piketty dann tatsächlich Unternehmenseignern, Mehrheitseignern zugebilligt wird. Das sind alles Fragen, die zumindest nicht beantwortet werden. Aber das würde hier den Rahmen sprengen.

Aber das ist eine interessante Diskussion. Das ist wahrscheinlich das Interessanteste an der ganzen Diskussion bei diesem Tagesordnungspunkt, weil ansonsten, bei dem Redebeitrag des Kollegen von der AfD habe ich mich dann immer gefragt, worüber reden wir hier eigentlich. Da ist die Überschrift der Aussprache „M-V nicht zum Armenhaus von Deutschland machen“. Da hätte ich mir ja noch überlegt, na ja, gut, nachdem am Anfang hier ein historischer Abriss gemacht worden ist, wie gehts denn da weiter, welche Vorschläge sind denn tatsächlich, wie es weitergehen soll. Da wird Mecklenburg-Vorpommern aus einem „Land zum Leben“ zu einem „Land zum Darben“ gemacht, der SPD wird vorgehalten, sie wolle eine Politik machen, die für alle „Gleichheit in Armut“ bedeuten würde. Das sind nur so Stichworte, die ich mir aufgeschrieben habe.

Und dann habe ich mich gefragt, was ist denn jetzt der Vorschlag der AfD. Und das Einzige, das ich dann gehört habe – vielleicht habe ich auch mich verhört oder es nicht richtig gehört –, ich habe so den Eindruck, na ja, am besten wäre es, wenn wir jetzt zum Beispiel in dieser Situation nicht zusätzliche Schulden aufgenommen hätten, um bestimmte Dinge zu machen. Dann frage ich mich natür

lich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was hätten wir dann gemacht. Das kann man alles machen, aber ich erinnere mich an die Diskussion hier – ich will jetzt gar nicht über die haushaltsrechtlichen Fragen …, wir werden ja den Nachtragshaushalt in den Ausschüssen behandeln, dann hier auch in der Zweiten Lesung –, aber ich erinnere mich in dem Zusammenhang ja auch an die Diskussion, die wir hier in diesem Raum geführt haben im Zusammenhang mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung für die hiesige Werftenlandschaft. Natürlich hätte man damals sagen können – und dann kam ja auch der Vorschlag, wenn ich das richtig im Kopf habe, aus der AfD –, dass man das bleiben lassen sollte. Gut, dann wüssten wir heute, dass der Bund die Unterstützung, die er bereit ist zu geben, nicht geben würde und dass wir an der Stelle eine Vielzahl von Arbeitslosen hätten. Ob das dann tatsächlich ein qualitativer, auch volkswirtschaftlicher Mehrwert, insbesondere für die Menschen in diesem Land, wäre, das wage ich allerdings zu bezweifeln.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin ja gerne bereit, mit jedem der hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen, und fand die Redebeiträge sowohl von dem Kollegen Koplin als auch von Frau Kollegin FriemannJennert, auch des Finanzministers durchaus anregend und diskussionswürdig, aber dann muss doch ein bisschen mehr Substanz darankommen, damit man wirklich weiß, was mit so einer Aussprache tatsächlich bezweckt ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)