Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

Die qualifizierten und umfassenden Empfehlungen der Expertinnen und Experten sind bei der Erstellung des Maßnahmenprogramms zu nutzen. Sie sind natürlich mit einzubeziehen, das habe ich bereits vorhin gesagt. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

In Vertretung für die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung hat für die Landesregierung das Wort der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Vertretung von Sozialministerin Stefanie Drese nehme ich gerne Stellung zum vorliegenden Antrag zur Istanbul-Konvention.

Das Thema ist im parlamentarischen Bereich hinlänglich behandelt worden. Nach Anträgen im Landtag, thematischen Befassungen im Sozialausschuss sowie vielen, zumindest mehreren Kleinen als auch Großen Anfragen, die sich mit dem Thema „häusliche und sexualisierte Gewalt“ befassten, soll der Landesregierung nunmehr erneut die Bedeutsamkeit der Istanbul-Konvention nahegebracht werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht nötig.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, überhaupt nicht!)

Und die Forderung, einen Maßnahmenplan bis Ende März 2021 vorzulegen, ist aus Sicht der Landesregierung nicht zielführend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch in ihrem letzten Antrag hat die Linksfraktion ausdrücklich anerkannt, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern über ein gutes Beratungs- und Hilfenetz für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt verfügen. Auch eben klang das an. Das ist in der Tat so. Der Landesregierung mit Sozialministerin Stefanie Drese vorneweg ist die Bekämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt ein wichtiges und wesentliches Anliegen. Unser Handeln steht dabei im Einklang mit der Istanbul-Konvention. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention erklärte die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartei, dass die Vorgaben der Konvention umgesetzt werden sollen und umgesetzt werden. Durch die Zustimmung zu dem Ratifizierungsgesetz im Bundesrat tragen die Länder diese Entscheidung der Bundesregierung, des Bundestages aus voller Überzeugung mit.

Und das Land Mecklenburg-Vorpommern setzt hier- bei durchaus Standards und bummelt nicht hinterher, wie eben vorgeworfen, denn schon die Evaluation im Jahr 2010 hat ergeben, dass wir über ein flächendeckend ausdifferenziertes Beratungs- und Hilfesystem verfügen. Seitdem wurde das System im Sinne eines interdisziplinären Ansatzes zur Verbesserung des Betroffenenschutzes weiterentwickelt und ausgebaut. Insofern konnte der Ratifizierung guten Gewissens auch seitens dieses Bundeslandes zugestimmt werden.

Wie sieht jetzt das Verfahren aus? Die nach Artikel 66 der Istanbul-Konvention zur Überwachung der Durchführung des Übereinkommens eingesetzte unabhängige Expertengruppe GREVIO – von Ihnen eben bereits erwähnt – des Europarates hat mit der Übersendung eines Fragebogens im Februar 2020 das erste mehrstufige Verfahren für Deutschland eröffnet. Ende August 2020 hat Deutschland den Staatenbericht dem Europarat fristgerecht vorgelegt. Die Expertenkommission prüft den Staatenbericht und wird die Umsetzung der IstanbulKonvention in Deutschland nach einem Staatenbesuch sodann bewerten.

Die Kommission besteht aus 15 Mitgliedern, welche durch den Ausschuss der Vertragsparteien ernannt werden. Der Staatenbericht spiegelt die vielfältigen Maßnahmen und die Gesetzgebung zum Schutz von Frauen vor Gewalt auf Bundes- und auf Landesebene wider. An diesem Staatenbericht hat das Land MecklenburgVorpommern selbstverständlich mitgewirkt. Die beteiligten Fachressorts der Landesregierung, alle, die da betroffen sind, haben hier zu verschiedenen Fragestellungen zugearbeitet. Die Annahme also, es gäbe Häuser, die davon noch gar nicht berührt wurden, obwohl sie es sein müssten, ist nach Überzeugung der Kolleginnen und Kollegen unzutreffend.

Um die Vielschichtigkeit aufzuzeigen, möchte ich das stellvertretend für die Kollegin Drese an einem Beispiel illustrieren. Es geht dabei um die Erfassung von relevanten Daten im Sinne von Artikel 11 der genannten Konvention. So erfasst die Landespolizei Straftaten nach bundeseinheitlichen Kriterien in der jährlich herausgegebenen Polizeilichen Kriminalstatistik für das Land Mecklenburg-Vorpommern. In dieser Polizeilichen Kriminalstatistik werden Daten unter anderem nach Ge

schlecht, Alter, Art der Straftat, Tatverdächtige, ausgewählte Opfer, geografischer Tatort und Staatsangehörigkeit erfasst. Zu der gleichen Fragestellung weist der Justizbereich darauf hin, dass die Staatsanwaltschaften des Landes dem Justizministerium die Verfahrenseingänge und die Verfahrenserledigungen für den Bereich häusliche Gewalt und Stalking melden.

Wie Sie wissen, erfasst das Sozialministerium auch Daten zur Inanspruchnahme der Einrichtungen des Beratungs- und Hilfenetzes für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt. Sie selbst fragen diese im Übrigen nach Auskunft der Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozialministerium auch regelmäßig ab, sodass Ihnen diese erfassten Daten auch bekannt sind. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, in denen es um die Umsetzung der Istanbul-Konvention geht. Alle staatlichen Institutionen haben ihre Stellungnahmen abgegeben, und so wurde, wie bereits zuvor erwähnt, der Staatenbericht für Deutschland am 31. August dieses Jahres an den Europarat übergeben. Eine Lektüre dieses Gesamtwerkes darf ich an dieser Stelle in Vertretung der Kollegin Stefanie Drese ausdrücklich empfehlen.

Die GREVIO-Expertenkommission wird nunmehr den Staatenbericht unter Hinzuziehung von Alternativberichten und nach einem Staatenbesuch prüfen. Dies ist für 2021 geplant. Erst dann erhalten wir von einer europäischen Expertenkommission, die letztendlich einen Gesamtüberblick über die Umsetzung der Istanbul-Konvention in ganz Europa haben wird, ein Feedback, wie die Umsetzung in Deutschland eingeschätzt wird. Dies soll abgewartet werden.

Gleichwohl ist die Landesregierung selbstredend aktiv gewesen. Wie Sie wissen, gibt es seit 20 Jahren den Landesrat zur Bekämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt. Dieser hat über die ganzen Jahre hinweg Landesaktionspläne erarbeitet, die in der Vergangenheit stetig und kontinuierlich weiterentwickelt wurden. Und selbstverständlich sind der Landesfrauenrat, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und die Landeskoordinierungsstelle CORA in diesem Gremium vertreten. Von daher arbeiten wir von Anfang an in der Struktur, die Sie in Ihrem Antrag anregen. Auch dies dürfte Ihnen bekannt sein, denn die Landesregierung hat mit der Drucksache 6/5351 den Landtag über die Erstellung des Dritten Landesaktionsplans zur Bekämpfung von häuslicher und sexualisierter Gewalt unterrichtet. Dieser ist mit entsprechenden Zielen und vorgeschlagenen Maßnahmen untersetzt.

Und auch der Landesrat hat sich selbstverständlich mit der Istanbul-Konvention unter Hinzuziehung einer Vertreterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte beschäftigt. Die Mitglieder kamen nach dem fachlichen Austausch überein, dass zukünftig weitere zu planende Maßnahmen schwerpunktmäßig an der IstanbulKonvention auszurichten sind. Und last, but not least ist Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Jahr das Vorsitzland für die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz. Auch dort wird die Istanbul-Konvention Thema sein.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na dann geht es ja vorwärts!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche eine erfolgreiche Debatte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ist ja alles gut!)

Danke schön, Herr Minister!

Jetzt hat für die Fraktion der AfD das Wort der Abgeordnete Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Schutz vor häuslicher... Gewalt – Istanbul-Konvention … umsetzen“, das ist das Thema. So einmütig – eindeutig und einmütig – die Ächtung von Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft ist, so zweifelsfrei ist die Tatsache, dass es sie dennoch gibt, zumeist im Verborgenen und nicht selten hinter einer gutbürgerlichen Fassade, wo niemand es ahnt.

Warum ist das so? Die Istanbul-Konvention sieht es in ihrer Präambel so, „dass Gewalt gegen Frauen der Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, die zur Beherrschung und Diskriminierung der Frau durch den Mann und zur Verhinderung der vollständigen Gleichstellung der Frau geführt haben“. Das ist eine von der Genderdoktrin geprägte Erklärung, die sich zu den eigentlichen Ursachen nicht verhält, denn diese Theorie signalisiert einen Zusammenhang, den es – jedenfalls so – nicht gibt. Die Gewalt existiert unabhängig von der Gleichstellung. Ein Zusammenhang besteht eher mit Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit. Das ist etwas anderes als die formale numerische Gleichstellung.

(Martina Tegtmeier, SPD: Oder was Sie darunter verstehen.)

Die wesentliche Ursache liegt –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Davon kommt er nicht weg.)

und das muss angesprochen werden – in der biologisch bedingten körperlichen Überlegenheit des Mannes.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Tegtmeier, nicht aufregen! Nicht aufregen!)

In der rauen Wirklichkeit unserer Vorfahren verstand es sich vermutlich von selbst, dass die Frau dieses Schutzes durch den Mann bedurfte,

(Martina Tegtmeier, SPD: Und seiner Schläge wahrscheinlich auch.)

sich diesem unterordnete und dieser gewissermaßen als Schutzherr auch der Bestimmer war. Zudem ist das kulturhistorisch gewachsene Rollenverständnis in der Schöpfungsgeschichte der Bibel eindeutig angelegt und festgeschrieben. Danach ist die aus der Rippe des Mannes erschaffene Frau dem Mann untertan. Jedenfalls zieht sich diese Interpretation für eine hierarchische Unterordnung der Frau wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Da müssen Sie nur mal zu Luthers Zeiten gucken, was da so lief und was auch Luther so dazu geäußert hat. Das ist Realität. Das heißt ja nicht, dass man das gut finden muss. Es ist aber so.

Diese ganz wesentliche Wurzel der hierarchischen Anordnung zwischen Mann und Frau trug Früchte bis weit in das letzte Jahrhundert. Das Züchtigungsrecht – hören Sie gut zu! –, das Züchtigungsrecht des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrau, maßvoll ausgeübt, war Anfang des letzten Jahrhunderts noch ein reales Thema, obwohl es dafür mit der Einführung des BGB 1900 keine Grundlage mehr gab, aber Rechtsprechung gab es dazu.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was wollen Sie denn jetzt damit sagen?)

Zur Gewalt gehört natürlich auch die geschlechtsspezifische Gewalt, insbesondere die Vergewaltigung. Diese besonders schlimme Form der Gewalt hat mit Machtverhältnissen wenig, mit unbeherrschter triebhafter Sexualität und körperlicher Überlegenheit aber viel zu tun. Und so bitter es ist, daraus ist abzuleiten, dass es Gewalt gegen Frauen vermutlich immer geben wird. Diese nicht hinzunehmen und diese entschieden zu bekämpfen, ist deshalb eine dauerhafte Aufgabe.

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die absolute Ächtung von Gewalt gegenüber Frauen ist hiernach mit dem Blick auf die Historie keine Selbstverständlichkeit, sondern eine zivilisatorische Errungenschaft, die inzwischen in unserem Rechtsgefühl so tief verwurzelt ist, dass wir sie als selbstverständlich empfinden, und das ist gut so.

Die Istanbul-Konvention besteht aus 81 Artikeln, einem umfangreichen Katalog von Bestimmungen und Forderungen, die der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt dienen sollen. Es lohnt sich, sich mit ihr näher zu befassen. Ich zitiere aus einigen Artikeln.

Artikel 35 – Körperliche Gewalt: „Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das einer anderen Person körperliche Gewalt angetan wird, unter Strafe gestellt wird.“

Artikel 38 und 39 verpflichten die Vertragsparteien, die Verstümmelung weiblicher Genitalien sowie die Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation unter Strafe zu stellen.

Artikel 42 verpflichtet die Vertragsparteien, sicherzustellen, dass in Strafverfahren inakzeptable Rechtfertigungen wie die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für Gewalttaten angesehen werden dürfen.

Nun, da frage ich mich, auf welchem Kontinent lebt der Europarat eigentlich, wenn er meint, derartige Selbstverständlichkeiten zum Gegenstand einer Konvention machen zu müssen?!

Allerdings enthält die Konvention auch durchaus sinnvolle Regelungen, die auch in einem Rechtsstaat nicht unbedingt selbstverständlich sind, zum Beispiel Verpflichtungen, für Schutzunterkünfte und Telefonberatung zu sorgen. Das soll keinesfalls kleingeredet werden.

Mit der Konvention werden indessen unter dem Leitbild der Gleichstellung auch ganz andere, weitergehende Ziele verfolgt, die ideologisch geprägt sind.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Teufelszeug sozusagen!)

In der Präambel wird unterstellt, „dass die Verwirklichung der... tatsächlichen Gleichstellung... ein wesentliches Element der Verhütung von Gewalt gegen Frauen“ sei. Das trifft zu, sicherlich, soweit damit die gesellschaftlich anerkannte hierarchische Gleichstellung der Frau als Ausdruck der Gleichberechtigung gemeint ist. Für die völlige formale Gleichstellung, die es aufgrund der natürlichen Unterschiede der Geschlechter ohnehin nie geben wird, besteht dieser Zusammenhang jedenfalls nicht. Der Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen und gegen häusliche Gewalt sollte nicht als Vorwand für die Durchsetzung der Gleichstellung dienen.

Das ist noch nicht alles. Artikel 3c liefert eine neue Definition für das Geschlecht, Zitat:

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich sags ja, Teufelszeug!)

„Im Sinne dieses Übereinkommens... bezeichnet der Begriff ‚Geschlecht‘ die gesellschaftlich geprägten Rollen“,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)