Protokoll der Sitzung vom 17.05.2017

Kern unseres Grundgesetzes ist das Gewaltmonopol des Staates. Nach meiner Vorstellung heißt das, dass Staatsanwälte die Strafverfolgung betreiben und Gerichte über eine Bestrafung entscheiden. Herr Maas will nun offenbar, dass dies in Zukunft von Facebook, Twitter und Co übernommen wird, und zwar sowohl die Verfolgung als auch gleich die Bestrafung hintendran, alles in einer Hand, sozusagen outgesourct. So etwas würde er wahrscheinlich effizient nennen, ich nenne das verantwortungslos.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dem sozialen Netzwerk werden hier hohe Geldbußen auferlegt, wenn es seiner Löschungspflicht nicht nachkommt. Bis zu 50 Millionen Euro können Bußgelder betragen. Damit wird Strafrecht unzulässigerweise in das Ordnungswidrigkeitenrecht verschoben und somit Bestrafung letztlich zur Sache der Exekutive. Die Gewaltenteilung, die einen demokratischen Rechtsstaat ausmacht, wird damit hier einfach aufgehoben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Gesetzesentwurf selbst ist daher offensichtlich rechtswidrig, weil er verfassungswidrig ist und somit vollkommen ungeeignet, seinen Zweck zu erfüllen.

Das politische Ziel des Gesetzesentwurfes soll vordergründig sein, Hasskriminalität zu stoppen und die Verbreitung sogenannter Fake News zu verhindern. Jedoch nicht jede unfreundliche Aussage ist eine Beleidigung, nicht jede unwahre Tatsachenbehauptung ist gleich Fake News. Die Meinungsfreiheit ist ein die demokratische Ordnung konstituierendes Grundrecht eines jeden Menschen. Soll tatsächlich Facebook beurteilen, was noch freie Meinungsäußerung und was schon Beleidigung ist? Selbst Gerichte tun sich damit häufig sehr schwer. Aber die sozialen Netzwerke sollen dies entscheiden, und zwar womöglich innerhalb von 24 Stunden? Das ist schon wegen der begrenzten Ressourcen der sozialen Netzwerke gar nicht möglich. Dies müsste auch Herrn Maas klar sein. Es drängt sich daher – mir jedenfalls – die Schlussfolgerung auf, dass hier eigentlich etwas ganz

anderes bezweckt wird, nämlich einzig und allein die Einschränkung der Meinungsfreiheit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Höhe der im Entwurf angedrohten Geldbußen macht es wahrscheinlich, dass die sozialen Netzwerke Einträge schon aus vorauseilendem Gehorsam heraus löschen werden, egal ob nun eine Straftat vorliegt oder nicht. Der betroffene Nutzer wird von der Löschung nur in Kenntnis gesetzt. Ein wie auch immer geartetes rechtliches Gehör – geschweige denn eine Möglichkeit zur Verteidigung – bekommt dieser Nutzer nicht. Und das finde ich ungeheuerlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Lobby- und Interessengruppen werden nämlich vielfach von diesem Gesetz Gebrauch machen und ihnen missliebige Meinungsäußerungen einfach melden, um somit deren weitgehende Löschung zu erreichen. Die sozialen Netzwerke werden dem vielfach nachkommen. Dieses Verfahren hilft also nicht der erleichterten Verfolgung von Hasskriminalität, sondern führt zur Steuerung der öffentlichen Meinung in die eine oder in eine andere Richtung. Man hat offenbar erkannt, dass in der modernen Medienwelt die staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten nicht mehr ausreichen, um Volkes Meinung zu bestimmen, man braucht jetzt eben auch noch die sozialen Netzwerke, und die muss man nun an die Kandare nehmen, so offensichtlich unser Justizminister.

Dieser Gesetzesentwurf ist geeignet, eine Gesellschaft zu schaffen, von der wir dachten, dass sie bereits überwunden wäre. Beleidigungsdelikte sind nämlich nicht ohne Grund Antragsdelikte. Eben nur der Betroffene soll die Strafverfolgung in Gang setzen können. Wird daraus aber ein Jedermann-Recht gemacht, leisten wir dem aus zwei Diktaturen her bekannten Denunziantentum Vorschub.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Jedermann wird aufgefordert, Polizist zu spielen. Das führt zu gegenseitigem Misstrauen und das entspricht nicht meiner Vorstellung einer freien Gesellschaft.

Voltaire soll mal gesagt haben, ich zitiere: „Ich werde Ihre Meinung bis an mein Lebensende bekämpfen, aber ich werde mich mit allen Kräften dafür einsetzen, dass Sie sie haben und aussprechen dürfen.“ Zitatende. Dem sollten alle Mandatsträger in diesem Land nacheifern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und schauen Sie, die Kosten, die durch dieses Gesetz entstehen werden – das sind einerseits die Kosten für die sozialen Netzwerke –, werden im Gesetzesentwurf mit über 8 Millionen Euro im Jahr für die sozialen Netzwerke gehandelt, und die Kosten für die öffentliche Verwaltung, nämlich im Bundesamt für Justiz, berechnet man auch mit jährlichen Mehrkosten von 8 Millionen Euro. Ich glaube, das wird noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Herr Ministerpräsident – auch wenn Sie heute nicht hier sind, hören Sie ja vielleicht zu –,

(Torsten Renz, CDU: Er hat extra eingeschaltet.)

lehnen Sie dieses Gesetz nicht ab, so machen Sie sich der Mitwirkung an der Schaffung eines neuen Denunziantentums schuldig, das an die dunkelsten Zeiten unserer deutschen Geschichte erinnert.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Verhindern Sie diesen Unsinn! Stimmen Sie, Herr Ministerpräsident, im Bundesrat gegen diese unsägliche Gesetzesvorlage! Stimmen Sie, meine Damen und Herren Kollegen, unserem Antrag zu! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Justizministerin des Landes Frau Hoffmeister.

(Thomas Krüger, SPD: Die Ministerin stellt das jetzt klar. – Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der AfD möchte, dass die Landesregierung im Bundesrat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ablehnt. Lassen Sie uns deshalb einen Blick darauf werfen, worum es in diesem Gesetz überhaupt geht.

Durch den Entwurf sollen gesetzliche Regelungen für große soziale Netzwerke eingeführt werden. Diese Regelungen zielen darauf ab, eine bessere Durchsetzung bereits bestehender Verpflichtungen der Diensteanbieter zu gewährleisten, denn schon heute sind genau diese verpflichtet, den rechtswidrigen Inhalt, den sie für einen Nutzer speichern, unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu sperren, wenn sie von dem Inhalt Kenntnis genommen haben.

(Enrico Komning, AfD: Und als rechtswidrig bewertet haben.)

Weil Selbstverpflichtungen der Unternehmen bisher allerdings noch nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt haben, sollen die nun im Entwurf bestehenden Gesetze zu einer Optimierung der Löschpraxis führen.

Diese Regelungen umfassen insbesondere folgende Punkte:

eine vierteljährliche Berichtspflicht über den Umgang

mit Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten,

die Pflicht zur Vorhaltung eines wirksamen Be

schwerdemanagements,

die Benennung eines inländischen Zustellungsbe

vollmächtigen.

Die Pflichten nach Paragraf 2 und Paragraf 3 gelten nicht für Anbieter – das ist zu Recht ausgeführt worden – von Netzwerken mit weniger als zwei Millionen Nutzern im Inland. Verstöße gegen die Pflichten – gegen die drei, die

ich gerade konkret definiert habe – können mit Bußgeldern geahndet werden.

Und es ist richtig, von besonderer Bedeutung ist Paragraf 3, denn dort werden in Bezug auf das Beschwerdemanagement Standards festgelegt. Danach muss das Verfahren gewährleisten, dass offensichtlich rechtswidrige Inhalte in der Regel 24 Stunden nach Eingang der Nutzerbeschwerde gelöscht werden. Außerdem muss sichergestellt sein, dass rechtswidrige Inhalte innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde gelöscht werden.

Dabei sind rechtswidrige Inhalte – das ist wichtig – auch nur solche, die die in Paragraf 3 Absatz 1 des Gesetzentwurfes genannten Straftatbestände erfüllen:

Paragraf 126 StGB zum Beispiel, „Störung des öffent

lichen Friedens durch Androhung von Straftaten“,

Paragraf 129 zum Beispiel, „Bildung krimineller Ver

einigungen“,

Paragrafen 185 bis 187 StGB, „Beleidigung“, „Üble

Nachrede“ und „Verleumdung“.

Nach Artikel 2 des Gesetzentwurfes soll es Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz durch eine Änderung, nämlich des Paragrafen 14 Absatz 2 des Telemediengesetzes, ermöglicht werden, aufgrund richterlicher Anordnung die Bestandsdaten der Verletzer von dem Dienstanbieter zu erhalten.

Meine Damen und Herren, die Anbieter der großen sozialen Netzwerke haben eine Verantwortung. Genau dieser Verantwortung sollen sie gerecht werden und deshalb gibt es einen Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.

(Enrico Komning, AfD: Sie sollen aber nicht Justiz spielen.)

Da haben Sie durchaus recht.