Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Zweitens will der vorliegende Antrag bei der Verschärfung von Abschiebungen die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern gewissermaßen zum Jagen tragen, und unter diesem Aspekt ist der AfD-Antrag eigentlich völlig überflüssig und muss abgelehnt werden. Meine

Damen und Herren, für eine effektivere Rückkehrpolitik beziehungsweise eine Verschärfung der Abschiebepraxis hat der Ministerpräsident Erwin Sellering am 9. Februar dieses Jahres genug getan. Allerdings meine ich, er hat genau das Falsche getan und das Richtige unterlassen.

Der Ministerpräsident hat bei dieser Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs und dem 15-Punkte-Beschluss für Mecklenburg-Vorpommern keine Erklärung zu Protokoll geben, wie dies Berlin und Brandenburg sowie Baden-Württemberg und vor allem Thüringen getan haben. Darüber hinaus hat Thüringen auf eine Teilnahme an dieser Beratung demonstrativ verzichtet. Ganz anders hingegen Mecklenburg-Vorpommern: Gemeinsam mit der Kanzlerin und Ministerpräsident Bouffier auf der B-Seite durfte Ministerpräsident Sellering diesen Beschluss zur Verschärfung der Abschiebepraxis auf der Pressekonferenz erläutern, begründen und verteidigen, und diese Position macht den vorliegenden AfDAntrag entbehrlich, zielt er doch fast auf dasselbe hinaus.

Herr Ministerpräsident, auf dieser Pressekonferenz im Bundeskanzleramt haben Sie unter anderem ausgeführt, dass heute das größere Thema gewesen sei, dass wir über diejenigen sprechen, die eben angeblich keinen Schutz in Deutschland brauchen, die aber in großer Zahl zu uns kommen und wieder zurückkehren müssen, und wie wir dieses durchsetzen. Wir sagen ganz klar: Niemand flieht ohne Grund.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Meine Damen und Herren, wenn es ein Gesetz nach dem anderen, eine Maßnahme nach der anderen zu beschleunigten Abschiebemöglichkeiten gibt, dann entsteht in der Öffentlichkeit selbstverständlich das Bild, dass die meisten Flüchtlinge gar kein Recht haben, hier zu sein, und das ist letztendlich gefährliche politische Stimmungsmache, denn die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Wir haben die höchste Anerkennungsquote seit Langem, mehr als 60 Prozent, und obwohl die Zahl der Flüchtlinge insgesamt deutlich gestiegen ist, hat die der Ausreisepflichtigen nur marginal zugenommen. Sie alle betreiben Wahlkampf mit Menschenleben. Sie suggerieren durch Ihre öffentlichen Reden, Auftritte und Anträge den Menschen eine abstrakte Gefahr.

Frau Abgeordnete, …

Und natürlich gibt es …

… gestatten Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden der AfDFraktion?

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Natürlich gibt es Gefahren – Bomben, Hunger, Landminen –, und diese Gefahr heißt Krieg. Die Gefahr heißt auch Folter und Todesstrafe für Frauen, Homosexuelle und Transidente. Was glauben Sie denn, wovor die Menschen fliehen? Vor dem Sonnenschein?!

Sehr geehrte Damen und Herren der AfD-Fraktion, Sie reden immer von Heimat, von zu Hause, von einem eigenen Land. Würden Sie dieses Deutschland verlassen, wenn es Ihnen gut hier geht, wenn Frieden ist, wenn der

Supermarkt prall gefüllt ist? Verlassen Sie dieses Land, weil Sie mal arbeitslos werden, weil eine Kinderstation schließt oder der Bus nicht fährt?

(Der Abgeordnete Dr. Matthias Manthei bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Natürlich nicht, Sie würden dafür vor Ort kämpfen. Was, glauben Sie eigentlich, würden die zu uns Gekommenen gerne tun? Diese Menschen lieben ihr Land genauso, es ist ihnen nur unmöglich, dort zu leben. Und ich gehe fest davon aus, sehr geehrte AfD-Fraktion, Krieg, Bomben und Hunger würden auch einige von Ihnen zur Flucht treiben. Also hören Sie endlich auf, so zu tun, als sei dies ein Problem arabischer und afrikanischer Menschen!

(Beifall Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des …

Wenn ich fertig bin.

Meine Damen und Herren, ein Handlungsbedarf für immer leichtere Abschiebungen ist gar nicht da, die aktuelle Herausforderung lautet vielmehr Schutzgewährung und Integration und nicht Ausgrenzung und Abschiebung.

Der vorliegende Antrag fußt im Wesentlichen auf dem Bund-Länder-Gipfel vom 9. Februar dieses Jahres, also der kurzfristig anberaumten SonderministerpräsidentInnenkonferenz und dem dort gefassten Beschluss. Gestatten Sie mir zu dieser Beschlussfassung vier kritische Anmerkungen:

Erstens wurde dieser weitreichende Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz ohne ausführliche öffentliche Diskussion und ohne Beteiligung der gewählten Abgeordneten in Bund und Ländern gefasst.

Zweitens soll die Bundesrepublik mit diesem Beschluss zügig von einem Aufnahme- zu einem Abschiebeland umgepolt werden. Da ist dann der Eifer folgerichtig, mit dem die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht auf den Weg bringt, obwohl sie wissen müsste, dass dies nicht das Manko ist, sondern ein fehlendes Einwanderungsgesetz. Mit dem Beschluss hingegen wird Integration behindert.

Drittens sagt der Beschluss kein Wort zur Notwendigkeit europäischer und internationaler Anstrengungen, um Fluchtursachen zu bekämpfen und somit gerade jungen Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu geben. Bekämpft werden sollen Flüchtlinge und nicht die Fluchtursachen. Ich darf daran erinnern, dass Anfang April über einhundert Träger des Bundesverdienstkreuzes an die Weltverantwortung des Bundestages appellierten. Sie forderten eine Enquetekommission, um den Fluchtursachen auf den Grund zu gehen.

Viertens schließlich ist der Beschluss geeignet, Geflüchtete zu kriminalisieren. Bei notwendiger Terrorabwehr hingegen betreibt er weitgehend Symbolpolitik.

Herr Komning, Sie empfehlen, dass die freiwillige Ausreise empfohlen wird, da kann ich Ihnen nur sagen, auch wir denken manchmal, eine gute Beratung von Geflüchteten und Asylsuchenden wäre besser, auch in Bezug auf die freiwillige Ausreise,

(Enrico Komning, AfD: Richtig.)

und ich würde Ihnen sehr gerne die Rechte und Pflichten der freiwillig Ausreisenden erklären, weil manchmal halte ich die auch für richtig, denn dann kann man nämlich zurückkommen. Man kann ein Visum beantragen und man kann zurückkommen, man kann hier leben und man kann hier arbeiten. Bei Abschiebungen hingegen erhalten sie eine Einreisesperre. Ich danke Ihnen, dass Sie dafür sind, dass die Geflüchteten wieder zurückkommen! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

So, jetzt hat Herr Dr. Manthei das Wort.

Ja, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage noch gestatten.

Ich habe nur eine Frage: Da Sie sich für die vollziehbar Ausreisepflichtigen ausgesprochen haben, dass die auch integriert werden und so weiter, wozu führen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und eventuell im Nachgang noch die Verwaltungsgerichte Verfahren durch, in denen die Asyl- und Flüchtlingseigenschaft geprüft wird?

Weil das eine rechtsstaatliche Angelegenheit ist, und die Rechtsstaatlichkeit steht jedem Menschen in diesem Lande zu,

(Enrico Komning, AfD: Richtig, ja.)

ungeachtet seiner Nationalität und ungeachtet dessen, warum er sich hier aufhält.

(Enrico Komning, AfD: So ist das.)

Darum gibt es Gerichte und darum hat auch jeder Mensch das Recht, vor Gericht eine Klage zu erheben.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Ann Christin von Allwörden für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Und wieder nimmt sich die Fraktion der AfD des Themas Migration und Flüchtlinge an.

(Enrico Komning, AfD: Richtig, solange es notwendig ist.)

Wie passend, dass beim Bund-Länder-Gipfel im Februar dieses Jahres genau dieses Thema besprochen wurde. So gab es für die AfD eine neue Möglichkeit, sich inspirieren zu lassen und einige der dort beschlossenen Punkte nun hier im Landtag zu präsentieren.

Ich frage mich nur, was Sie damit bezwecken wollen.

(Zuruf von Nikolaus Kramer, AfD)

Ausreisepflichtige Personen sollen in zentralen Ausreiseeinrichtungen auf die Ausreise vorbereitet werden, so steht es in Ihrem Antrag.

(Enrico Komning, AfD: Richtig.)

Das ist ein super Beschlusspunkt, den der Bund und die Länder bereits im Februar beschlossen haben. In Punkt 5 des Beschlusses vom Bund-Länder-Gipfel steht geschrieben, mit der Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich: „Der Bund prüft, ob und inwieweit er eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung übernehmen kann. Dazu können insbesondere Bundesausreisezentren gehören …“

Und wir als Koalitionsfraktionen haben uns bereits im Koalitionsvertrag für eine rigide Rückführungspolitik starkgemacht: „Wer voraussichtlich nicht bleiben kann, soll bis zum Ende des Verfahrens in der Erstaufnahme bleiben“, Ziffer 407, falls Sie nachlesen möchten. Auch dieser Punkt findet sich in Ziffer 5 der beschlossenen Punkte des Bund-Länder-Gipfels wieder. Die hier von Ihnen geforderten zentralen Einrichtungen sind also schon in Planung. Auch an einer effizienteren Rückkehrpolitik wird vonseiten des Bundes und des Landes intensiv gearbeitet.

Dennoch können wir auch in Mecklenburg-Vorpommern die theoretische Zahl der Ausreisepflichtigen nicht tatsächlich ausweisen. Dem stehen nämlich ganz praktische Hindernisse entgegen, wir hörten sie bereits. Entweder, es fehlen die nötigen Ausreisedokumente, die Ausreisepflichtigen können ein medizinisches Attest vorweisen oder aber, sie haben ganz einfach von ihrem Recht auf gerichtliche Nachprüfung Gebrauch gemacht. Die letzten beiden Punkte sind solche, die einem Ausreisepflichtigen natürlich in einem Rechtsstaat grundsätzlich zustehen. Oder, auch nicht selten, die Ausreisepflichtigen werden nicht angetroffen, wenn die Maßnahme durchgesetzt werden soll – deshalb im Übrigen auch der Punkt mit dem Verbleib in den Erstaufnahmeeinrichtungen, weil die Personen so besser greifbar sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, MecklenburgVorpommern gehört zu den Bundesländern, die in den letzten Monaten konsequent Abschiebemaßnahmen durchgesetzt haben, und wird dies auch weiterhin im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten beibehalten. Aufgrund der Flüchtlingssituation ist es in den letzten Monaten sehr wichtig geworden, die geltenden Grundsätze konsequent anzuwenden und die Verhandlungen mit rücknahmeunwilligen Herkunftsstaaten zu intensivieren. Darüber sind sich die Unionsfraktionen und die unionsgeführten Länder einig und wenden dies auch so an. Auch dazu haben wir eben schon die Fakten gehört.