Protokoll der Sitzung vom 19.05.2017

dann kommen Sie und sagen, Sie ziehen den Punkt zurück, und erwarten, meine sehr geehrten Damen und Herren, von beiden Regierungsfraktionen, dass wir Ihnen die Punkte erklären. Ich habe genau neun Minuten Zeit, mein Kollege Reinhardt hat fünf Minuten gesprochen, ich habe jetzt noch vier Minuten übrig.

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Dann verschwenden Sie doch die Zeit nicht!)

Dann gehen Sie nachher wieder raus – ich nehme an, Ihre Pressemitteilung ist fertig – und sagen, das haben wir ja gewusst, es ist alles so intransparent. Also, Frau Kollegin Rösler, so was habe ich in 15 Jahren Parlamentszugehörigkeit noch nicht erlebt, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, AfD und CDU)

Und das ärgert mich deswegen so, weil wir überhaupt keinen Grund haben, bei dieser Frage intransparent zu sein. Die zehn Punkte, auf die wir uns verständigt haben, das sage ich Ihnen – dahinten sitzt der Städte- und Gemeindetag, den ich jetzt überhaupt nicht in Amtshaftung nehmen will, aber ich habe ihn schon unglücklicher gesehen dahinten –,

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Deswegen haben wir den Antrag zurückgezogen.)

diese zehn Punkte, die hier aufgeschrieben wurden durch den FAG-Beirat, auf die wir uns verständigt haben, im großen Einverständnis mit der kommunalen Familie, sind bahnbrechend für diese Legislaturperiode, weil sie die Finanzen der Kommunen und des Landes einmal auf den Kopf stellen und wieder auf die Füße.

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Was?! Dann haben Sie aber die zehn Punkte nicht gelesen.)

Und wenn Sie das kleinreden wollen, ist das Ihre Aufgabe. Dann fordern Sie doch Ihre kommunalen Vertreter – davon haben Sie ja genug – auf und sagen, ihr habt nicht vernünftig verhandelt, da müsst ihr noch mal ran! Das haben Sie aber nicht getan! Es gibt die große Mehrheit im Städte- und Gemeindetag, die sagt, es ist ein vernünftiger Kompromiss, und das sollte man tun.

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Ja, weil es keine Verschlechterungen gibt.)

Also was, liebe Frau Rösler, wollen Sie eigentlich von uns? Die Wahrheit ist, dass Mecklenburg-Vorpommern das Bundesland ist, was pro Kopf am meisten Geld auf die kommunale Ebene runtergibt. Das wird sich jetzt noch mal ändern, weil wir noch mehr Geld runtergeben.

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Das, was sie ihnen vorher weggenommen hatten.)

Dann hatten Sie einen zweiten Vorwurf als Opposition. Der Vorwurf kam auch immer wieder von dem Bundespolitiker Eckhardt Rehberg, das kann man ganz klar sagen: Gebt das Geld, was wir vom Bund freigeschaufelt haben, für die Kommunen runter!

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Ja, das ist eine Selbstverständlichkeit!)

Nein, das ist überhaupt keine Selbstverständlichkeit,

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Aber sicher!)

Sie haben hier im Parlament den Gleichmäßigkeitsgrundsatz mit beschlossen. Das heißt, ein Drittel geht runter auf die kommunale Ebene und zwei Drittel bleiben beim Land. Das haben Sie beschlossen, Frau Rösler, das ist gesetzliche Grundlage in diesem Land.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und das heben wir jetzt auf und geben auch diese zwei Drittel runter auf die kommunale Ebene.

(Jochen Schulte, SPD: Das weiß sie nicht mehr. – Jeannine Rösler, DIE LINKE: Ja, das ist eine Selbstverständlichkeit.)

Und ohne dass ich mich da selbst loben will, aber das Thema Entschuldung, Herr Finanzminister, ist ein Lieblingsthema von mir. Wenn wir für die nachfolgenden Generationen auf der kommunalen Ebene etwas Gutes tun wollen, dann müssen wir als Erstes an die Schulden der Kommunen. Deswegen nehmen wir dieses Geld vom Bund und stellen das in einen Entschuldungsfonds, damit die Kommunen wieder Luft zum Atmen kriegen.

Aber diese Hütchenspielerei, die Sie heute gemacht haben, ist wirklich eine absolute Frechheit und so was sollten Sie sich für die Zukunft überlegen, sonst nehmen wir Sie als Opposition nämlich nicht mehr ernst! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Ehe für alle – Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, Drucksache 7/541.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Ehe für alle – Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts – Drucksache 7/541 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Ehe für alle“ – Klappe die zweite im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind da noch nicht ganz so weit wie in Berlin, dort wurden die Gesetzesanträge von LINKEN und GRÜNEN schon 27-mal vertagt, immer unter fleißiger Mitwirkung der beiden Koalitionspartner.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie eigentlich, wie ein Großteil in diesem Saal lebt? Ich weiß es nicht und sehr viele wissen es von mir auch nicht.

(Susann Wippermann, SPD: Das interessiert mich auch nicht.)

Und auch nur wenige wissen, dass ich heute meinen 36. Hochzeitstag mit meiner Frau feiere.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Thomas Krüger, SPD – Zurufe vonseiten der Fraktion DIE LINKE: Huhu!)

Dass man so etwas voneinander nicht weiß, ist auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite wäre etwas mehr Kenntnis voneinander auch gut, weil es vielleicht den Umgang miteinander befördern könnte. Eigentlich ist die Sache, wie Menschen leben und wie sie lieben, ihre Privatsache – eigentlich. Aber der Staat mischt sich ein und gibt Regeln vor. Diese Regeln sind aber nicht gleichwertig für alle Menschen, die zusammenleben und füreinander und für die Kinder Verantwortung übernehmen. Der Staat maßt sich an, eine Gewichtung vorzunehmen und in werte unantastbare und weniger werte Verbindungen fürs Leben zu unterscheiden und dann per Gesetz zu verankern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das finde ich ziemlich absurd.

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ So will es das Grundgesetz in Artikel 6, aber die Ehe ist in Deutschland noch immer Frau und Mann vorbehalten. Heterosexuelle Paare haben, wenn sie heiraten, den Schutz des Grundgesetzes, gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammenleben, nicht. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es die eingetragene Lebenspartnerschaft als eine Art „Ehe light“. Wollen zwei Frauen oder zwei Männer heiraten, steht ihnen seitdem diese staatlich anerkannte Form des Zusammenlebens offen.

Ich habe jetzt von einer „Ehe light“ gesprochen. Das mag Sie verwundern, denn die eingetragene Lebenspartnerschaft ist zwar eine Rechtsinstitution, der Ehe aber eben nicht gleichgestellt. Gleichen Pflichten stehen ungleiche Rechte gegenüber. Das ist nicht nachvollziehbar und überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Dabei sind sie doch auch Familien. Lesbische und schwule Partner stehen genauso füreinander ein. Sie tragen ebenso wie heterosexuelle Paare alle Lebensphasen hindurch füreinander gemeinsame Sorge, erst recht, wenn einer der Partner ein Kind in die Partnerschaft mitbringt, einbringt oder es adoptiert. Diese Familien haben dann aber weniger Rechte, werden vom Staat weniger unterstützt und müssen mehr Hürden und Nachteile bewältigen als Verheiratete.

Und ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, seit Mai 2014 gibt es zusätzlich zur Stiefkindadoption die Sukzessivadoption. Das ist ein kleiner Fortschritt. Somit kann nicht nur das leibliche, sondern auch das adoptierte Kind eines Partners nachträglich adoptiert werden. Aber ist es möglich, gemeinschaftlich ein Kind zu adoptieren? Nein, Volladoption ist verboten – und ohne Volladoption keine volle Gleichstellung, so einfach ist das.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn eine Frau in der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Kind bekommt, ist ihre Partnerin nicht automatisch erziehungsberechtigt. Hier muss erst die Adoption angestrengt werden, ein bürokratischer Akt, der in dem Fall überflüssig ist, da sie sich ja schon vor dem Gesetz verbündet haben. Auf der anderen Seite sind eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner aber laut Paragraf 5 des Lebenspartnerschaftsgesetzes verpflichtet, über laufendes Einkommen hinaus ihr vorhandenes Vermögen einzusetzen, um ihrer Unterhaltspflicht nachzukommen. Kurzum: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen auch im 21. Jahrhundert in Deutschland noch keine Ehe eingehen, haben eingeschränkte Rechte, aber volle Pflichten. Dieser Zustand ist nicht länger haltbar.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das, meine Damen und Herren, ist nämlich von vorgestern und es ist höchst ungerecht.

Sie sehen, dahinter steckt Methode. Fasst man das eine an, tut sich ein ganzer Rattenschwanz an Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten auf. Das wollen wir durchbrechen. Alle Lebensweisen sollen gleichwertig existieren können. Deshalb stellen wir heute erneut diesen Antrag. Lassen Sie uns gleichgeschlechtlichen Paaren endlich die Ehe ermöglichen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eingetragene Lebenspartnerschaften werden in diesem Land gegenüber der Ehe weiter benachteiligt. Das ist sogar verfassungswidrig. Seit 2009 werden dem Bundesverfassungsgericht Fälle vorgelegt, in denen offensichtlich die Lebenspartnerschaft ungleich behandelt wurde. Immer hat das Gericht gesagt, das ist verfassungswidrig und unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Wie lange wollen wir diesen Zustand noch dulden?

DIE LINKE fordert die Öffnung der Ehe seit Jahren, die Bundestagsfraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben im Bundestag mehrere Anträge und Gesetzentwürfe vorgelegt. Diese – ich habe es schon erwähnt – wurden immer wieder vertagt, abgesetzt oder abgelehnt, jetzt schon insgesamt 27-mal. Auch in diesem Hohen Hause haben wir bereits mehrfach Debatten zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare geführt. 2015 gab es die Bundesratsinitiative „Ehe für alle“. Meine Fraktion hatte beantragt, diese Initiative zu unterstützen. SPD und CDU haben unseren Antrag damals abgelehnt. Am 25. September 2015 wurde dann der Gesetzentwurf „Ehe für alle“ im Bundesrat beschlossen, allerdings ohne Mecklenburg-Vorpommern. Mecklenburg-Vorpommern hat sich im Bundesrat enthalten. Die Bundestagsfraktion der SPD hat den Gesetzentwurf, der am 25. September 2015 im Bundesrat beschlossen wurde, für gut befunden. Gescheitert ist das Verfahren an CDU/CSU.

Die SPD war es auch, die das Thema Ende März dieses Jahres auf die Tagesordnung im Koalitionsausschuss in Berlin hob. Ziel war es, die „Ehe für alle“ noch vor Ende der 18. Legislaturperiode des Bundestages durchzusetzen. Die Mehrheiten dafür wären vorhanden, doch die Union weigerte sich erneut. Das Thema wurde damit weiter vertagt. Ein Abschluss noch in dieser Wahlperiode ist damit erneut in weite Ferne gerückt.

Farbe zu bekennen, das genau fordern wir heute von Ihnen, in Regenbogenfarben versteht sich. Selbstverständlich erwarte ich von der SPD, dass sie sich schlecht gegen ihre eigene Entscheidung im Bund stellen kann. Ich erwarte es auch von der CDU. In der Union gab es zuletzt einzelne Stimmen von Abgeordneten aus dem Bundestag sowie aus Landtagen für die Öffnung der Ehe. Damit bewies die CDU vereinzelt sogar Rückgrat gegen die starre Haltung von Parteikolleginnen und -kollegen, erst recht aus der CSU.

Sehr geehrte Damen und Herren, setzen wir heute ein Zeichen für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und ihre vielfältigen Lebensweisen, für Akzeptanz und Antidiskriminierung in unserer Gesellschaft! Ich bitte Sie herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Schönen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Justizministerin des Landes Frau Hoffmeister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, „mit allen verfügbaren Mitteln darauf hinzuwirken, dass das“ Gesetz „auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts unverzüglich eingeführt wird“. „Unverzüglich“ heißt in diesem Fall ausweislich der Begründung ihres Antrags, noch in der 18. Wahlperiode des Bundestages. Was allerdings „mit allen verfügbaren Mitteln“ konkret bedeuten soll, bleibt unklar. Die Formulierung ist weit gefasst und hört sich zwar kernig an, ist aber letztlich sehr allgemein und unkonkret.

Meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, so recht scheint Ihnen selbst nicht ganz klar zu sein, wie das gehen soll. Und mit dieser Unsicherheit liegen Sie aus meiner Sicht ganz richtig. Sie verweisen in Ihrer Begründung auf einen Gesetzentwurf des Bundesrates aus dem Herbst 2015, der in den Bundestag – als das entscheidende Verfassungsorgan dafür – eingebracht, jedoch dort auch zuletzt vor wenigen Tagen noch nicht abschließend beraten wurde. Der Entwurf zielt auf eine vollständige Gleichstellung der Lebenspartnerschaften durch die Öffnung der Ehe ab. Mittels einer Ergänzung des Paragrafen 1353 Bürgerliches Gesetzbuch soll klargestellt werden, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen können.