In erster Linie müssen wir dafür sorgen, dass Frieden geschaffen wird, dass der Hunger auf der Welt bekämpft wird. Anstatt das zu tun, schaffen wir – und damit meine ich insbesondere Deutschland, auch als drittgrößten Waffenexporteur der Welt – permanent neue Fluchtursachen.
Wir alle wissen mittlerweile, was die Destabilisierungspolitik im Nahen und Mittleren Osten bewirkt hat. Afghanistan, Irak, Syrien, Jemen, eine ganze Region ist auf der Flucht. Und anstatt daraus zu lernen und jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen, werden die alten Fehler an anderen Stellen erneut gemacht. Erst im Januar dieses Jahres hat der Bundestag das Mandat für den MaliEinsatz zum jetzt größten Einsatz der Bundeswehr ausgeweitet, ein Einsatz mit 1.000 deutschen Soldaten, der im Übrigen genauso konzeptions- und planlos angegangen wurde und wird wie der in Afghanistan. Dort befindet sich die Bundeswehr seit über 50 Jahren, und dass das Land stabil sein soll, davon kann man sich dieser Tage wieder überzeugen, wenn man die Berichterstattung anguckt.
In Mali kann uns das Gleiche drohen, meine Damen und Herren, und das sage nicht ich Ihnen, weil Sie mich fragen, woher ich das weiß, sondern davor warnte bereits der Chef des Bundeswehrverbandes 2016 eindringlich, weil wer in Afrika Krieg führt, muss sich am Ende des Tages auch nicht wundern, wenn die Menschen von dort nach Europa fliehen.
Ein wirklicher Beitrag wäre es doch beispielsweise, wenn Deutschland und andere Industrienationen endlich kontinuierlich ihre Zusagen in der Entwicklungszusammenarbeit einhalten würden. Nun könnte man sich zurücklehnen und sagen, dieses Jahr ist es erstmals nach 44 Jahren – die Vereinbarung mit den Vereinten Nationen ist schon von 1972 –, nach 44 Jahren ist es uns das erste Mal gelungen, das 0,7-Prozent-Ziel in
der Entwicklungszusammenarbeit einzuhalten, das aber auch nur deshalb, weil man neue Statistikmodelle angesetzt hat. Jetzt kann man auch die Ausgaben der inländischen Flüchtlingshilfe mit anrechnen. Tut man das nicht, sind wir noch deutlich darunter. Das ist natürlich eine Schande, und das insbesondere auch deswegen, weil wir wissen, selbst diese 0,7 Prozent, die reichen – selbst, wenn man sie zahlen würde – vorne und hinten nicht.
Lassen Sie mich also zusammenfassen: Nein, eine Abschottungspolitik hilft uns und auch Italien nicht weiter. Als Europäer müssen wir uns vielmehr fragen lassen, wie wir es mit der Solidarität halten, zu der wir uns verpflichtet haben. Was wir brauchen, ist daher erstens eine Politik, die endlich die Lasten gleichberechtigt auf alle Schultern verteilt, zweitens eine Politik, die beherzt die Fluchtursachen in den Mittelpunkt rückt, und drittens nicht zuletzt auch eine Politik, die endlich legale Fluchtrouten nach Europa schafft, damit das Mittelmeer nicht länger zum Massengrab wird. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Werte Bürger/-innen! Am 06.07. war das auch Thema im Innenausschuss. Alle Mitglieder werden sich erinnern, wir hatten den ethnischen Botschafter zu Besuch und er hat uns über...
O ja, es tut mir natürlich leid, es war der estnische natürlich. Aber alle, die dabei waren, wissen das.
Er hat uns über die Flüchtlingszahlen in Italien informiert und über die Probleme, die damit zusammenhängen. Wenn man den AfD-Antrag für heute liest, fragt man sich zunächst natürlich: Was versteht die AfD unter „Solidarität mit Italien“? Heißt das, Deutschland soll mehr Flüchtlinge von Italien aufnehmen? Wollen Sie, dass Deutschland mehr Geld für Italien zur Verfügung stellt, damit es dort mehr Solidarität gibt? Oder sind Sie etwa zur europäischen Partei geworden, die jetzt auch sagt, wir wollen die europäischen Grenzen stärker schützen? Wir haben von Herrn Komning gehört, dass das alles nicht gemeint war, es lediglich am Ende darum geht, möglichst die Flüchtlinge irgendwie fernzuhalten, ohne dabei aber auch nur einen konkreten Lösungsvorschlag zu machen. Ich komme auf den einen oder anderen Punkt gleich noch zu sprechen.
Kommen wir aber noch mal auf das Problem. Was wissen wir? Witterungsbedingt steigen die Flüchtlingszahlen in Italien. Es gibt den Vorwurf, meinerseits auch teils berechtigt, dass die NGOs, zum Teil gewollt oder unge
wollt, das Geschäft der Schleuser aus Nordafrika begünstigen. Deshalb hat Italien damit gedroht, dass keine Flüchtlingsschiffe mehr in italienische Häfen einlaufen dürfen, die nicht unter italienischer oder europäischer Flagge laufen.
Daraufhin gab es, wir haben das heute schon öfter gehört, das EU-Innenministertreffen in Tallin. Was wurde dort vereinbart? Ich will es ganz kurz noch mal skizzieren: zum einen intensivere Kontrollen der NGOs – das halten wir für richtig –, zum anderen eine Stärkung der libyschen Küstenwache, um das Schleusergeschäft einzudämmen. Ganz wichtig, Herr Komning, an diesem Punkt ist: Sie können zwar fordern, dass, wenn wir Flüchtlinge auf unseren Schiffen aufnehmen, die an die libysche Küstenwache zu übergeben sind, aber die muss erstens dazu in der Lage sein
Wenn beides nicht da ist, können sie mit ihren Booten da immer im Kreis fahren und werden nicht einen dieser Flüchtlinge los. Deshalb glaube ich, so, wie die EU versucht, sich langsam dort heranzuarbeiten, ist es das Richtige. Es gehört dazu ebenfalls mehr Unterstützung für Flüchtlingsorganisationen vor Ort in Nordafrika. Auch da sind, denke ich, viele, auch ich, mit meinem Innenminister auf einer Linie, dass wir uns natürlich um eine intensivere Rückführung von Migranten, die hier keine Bleibeperspektive haben, kümmern müssen. Das gilt nicht nur für ganz Deutschland, für jedes Bundesland, das gilt ebenso für ganz Europa.
Wichtig ist natürlich ebenso, und das haben heute auch einige angesprochen, dass, wenn wir das schon alles europäisch lösen wollen, jedes europäische Land zu seiner Verantwortung steht und anerkannte Flüchtlinge, die einen Schutzstatus haben, dementsprechend gleichmäßig in Europa verteilt werden. Es gab weitere Sofortmaßnahmen. Italien erhält von der EU 35 Millionen zusätzlich, um diese Krise zu bewältigen, und es soll noch einmal mehr Mitarbeiter für Frontex geben.
Erstens, ganz klar, wir müssen die EU-Außengrenzen wirksam gegen illegale Migration schützen sowie vor allem Frontex stärken und so das europäische Asylsystem vollenden. Wir brauchen, auch das hat der Innenminister gesagt, mehr Abkommen nach dem EUTürkei-Vorbild. Es wird oft und viel kritisiert, aber ich stelle mal die Frage: Was wäre, wenn wir dieses Abkommen nicht hätten? Wir brauchen so was auch mit mehr Staaten in Nordafrika. Aber auch dort ist das Problem, Sie müssen zunächst einen finden, der mit Ihnen ein Abkommen schließt, und dann muss dieser auch noch in der Lage sein und die Möglichkeiten haben, dieses Abkommen umzusetzen. Und, ich habe es vorhin schon gesagt, wir brauchen unter den europäischen Staaten die faire Verteilung der anerkannten Flüchtlinge, die bei uns einen Schutzstatus haben.
Zum Schluss: Herr Komning, natürlich kann es zu einer Situation kommen, in der wir irgendwann sagen, wir
müssen vielleicht auch eine Lösung in Nordafrika suchen. Aber dann müssen wir den Menschen ganz ehrlich sagen, was das bedeutet. Wenn wir sagen, wir schaffen sichere Zonen in Nordafrika, heißt das, wir müssen sie auch beschützen, mit Militär. Und da uns Russland und die Amerikaner dabei wahrscheinlich wenig unterstützen werden, heißt das, die europäischen Armeen müssen so was gewährleisten.
Ich persönlich glaube, dass sie dazu heute noch gar nicht in der Lage sind, weil sie mit dem Einsatz, den wir jetzt haben – gerade auch die Bundeswehr –, schon sehr ausgelastet sind. Wenn so etwas tatsächlich mal notwendig sein sollte, bin ich schon sehr gespannt, wie wir das als Europäer hinbekommen wollen. Ich hoffe, wir finden einen anderen Lösungsweg und müssen uns über diese Problematik nicht auch noch Gedanken machen, weil das würde, glaube ich, zurzeit auch die Europäische Union überfordern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Wenn ich mir die vorangegangenen Redebeiträge so ansehe – erlauben Sie mir ein Bild –, habe ich den Eindruck, dass sich hier manifestiert, dass es einfacher ist, mit der Heckenschere ein bisschen am Buchsbaum herumzuschnippeln, als mit einem Spaten die Wurzel allen Übels zu bekämpfen.
Mein Kollege Enrico Komning hat eindrucksvoll mit klarem Blick und mit offenem Visier die gegenwärtige Lage in Italien angesprochen, analysiert und beurteilt. Das haben Sie nur anscheinend nicht verstanden. Es ging uns darum, dass endlich anerkannt wird, dass die NGOs sich als Mittäter bei den Schlepperbanden strafbar machen und dass diese Strafbarkeit auch verurteilt und verfolgt werden muss.
Kommen wir aber zum Thema der Aktuellen Stunde, zu dem Begriff „Solidarität mit Italien“, Herr Kolbe. Vielleicht werden jetzt Ihre Antworten gegeben werden, vielleicht erhellt mein Redebeitrag so ein bisschen Ihren Hintergrund. Der Begriff „Solidarität“ fällt dabei oft in verschiedenster Gestalt. Solidarität, was heißt das aber eigentlich? Nimmt man den Duden zur Hand, findet man Folgendes, und, Frau Präsidentin, ich bitte zitieren zu dürfen:
Liebe Landsleute, wenn Sie diese Definition reflektieren, wird eindeutig klar, dass gerade Worte wie „Zusammenhalt“, „Unterstützung“, „Anschauung“ und „Ziel“ mit Leben gefüllt werden müssen.
Solidarität findet im Einklang mit Barmherzigkeit, Nächstenliebe und dem Streben nach größerem Gemeinwohl eine positive Verwendung.
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Vincent Kokert, CDU: Da müssen Sie jetzt selber ein bisschen lachen, Herr Kramer!)