Ja, aber Sie haben sich davon auch nicht distanziert. Und andere Äußerungen möchte ich hier gar nicht wiederholen. Das ist ja auch nicht,
(Thomas Krüger, SPD: Jaja, als es um Verschleierung ging, da waren die anderen Bundesländer gut genug.)
Sie betonen richtig, dass die Landesregierung darauf verweist, dass das Kirchenasyl keine rechtliche Grundlage hat. Das ist richtig. Aber Sie vergessen, und das nehme ich Ihnen übel, dass die Kirche selber auch behauptet und sagt – zu Recht –, wir wollen gar keine Sonderrechte in Anspruch nehmen.
Beistand für die Kirche ist immer wichtig und wichtiger als Widerstand gegen die staatliche Ordnung. Von einer systematischen Verschleppung des Verfahrens kann vonseiten der Kirche gar nicht die Rede sein, denn es geht darum, dass es dort einen Vertrag gibt seit Februar 2015 zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den großen Kirchen, dass genau diese Bedenken, die die Kirche hat, sie in den Härtefällen, in den Einzelfällen vortragen darf. Niemand von der Kirche will dauerhaft Abschiebungen verhindern, auch das vergessen Sie,
passt hier fast gar nicht rein. Natürlich, die Überführungsfristen, da wird diskutiert, ob sie noch beibehalten werden. Es gibt inlandsbezogene Abschiebungshindernisse. Laut Dublin wird nicht abgeschoben, wenn die anderen Länder das nicht wollen, also bleiben sie auch über die Übergangsfristen hier. Also über Dublin müssen wir überhaupt nicht reden, sondern wir müssen einfach nur darüber reden, wie die Kirche mit solchen Härtefällen umgeht.
Heute Morgen habe ich mich noch mal erkundigt. Sie werden staunen: 80 Prozent der Menschen in Deutschland, die wir im Kirchenasyl hatten, wären durch Verfahrensmängel abgeschoben worden, obwohl sie hätten nicht abgeschoben werden dürfen. Ich meine, das sagt
doch wohl genug aus. Und 1983 wurde dieses Kirchenasyl doch dadurch erst mal befeuert, durch solche Fehlurteile. Da sind zum Beispiel sechs Asylbewerber in staatlicher Obhut ums Leben gekommen. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, der abgeschoben werden soll und aus dem vierten Stock springt und sich das Leben nimmt?! Das sind Einzelfälle, darüber darf man doch reden, und dann darf man natürlich auch darüber reden, welchen Gesichtspunkt die Kirche dazu hat, Menschen ins Kirchenasyl aufzunehmen.
Es macht übrigens gar keinen Unterschied, ob der Mensch im Kirchenasyl Zuflucht in einer Kirche sucht, in einer anderen Institution oder in einer Wohnung bei mir. Zunächst gilt immer das Hausrecht. Die Kirchenaktivisten und auch die Kirche beziehen sich mit ihren Handlungen auf Artikel 16a und Artikel 4 unseres Grundgesetzes. Dazu fühlen sie sich verpflichtet.
Überhaupt stellt sich die Frage hier im Land, worüber wir reden. Es wurde die Zahl 55 genannt, es wurde gesagt, 49 Dublin-Fälle, und 6 Fälle waren hier, wo die Abschiebung angeordnet wurde. 6, alle anderen nicht! Alle Menschen, die im Kirchenasyl aufgenommen werden, werden dem Staat ordnungsgemäß gemeldet. Also von Geheimniskrämerei kann auch nicht die Rede sein.
Und wenn der Bundesinnenminister sich gegen das Kirchenasyl ausspricht, ist das wohl sein Recht. Aber er sagt ja auch gleichzeitig – und das müssen Sie dann natürlich auch sagen –, er hat als Christ schon Verständnis dafür, dass aus Gesichtspunkten der Barmherzigkeit Kirche in solchen schwierigen Fällen Flüchtlinge aufnimmt.
Ich stelle abschließend fest, die Tradition des Kirchenasyls wird von der Landesregierung respektiert und sie achtet damit das Hausrecht der Kirche. Das geschieht insbesondere auch unter Achtung der christlich
humanitären Tradition. An dieser Einstellung gegenüber dem Kirchenasyl wird die Koalition festhalten.
Der Staat – da gebe ich Ihnen recht und das werden wir hier auch tun und darauf achten –, der Staat entscheidet, und nur der Staat, in einem rechtsstaatlichen Verfahren über die Gewährung des Schutzes vor politischer Verfolgung, nach Artikel 16a und der Zuerkennung des internationalen Schutzes nach der Europarichtlinie von 2011. Kirchenasyl richtet sich niemals gegen die Rechtsordnung und niemals auf eine dauerhafte Verhinderung der Abschiebung. – Danke.
Ich möchte einen Geschäftsordnungsantrag stellen. Die Fraktion der AfD beantragt die sofortige Einberufung einer Sondersitzung des Ältestenrates.
Gut, ich unterbreche die Sitzung und berufe den Ältestenrat ein. Wir unterbrechen zunächst für 15 Minuten.
Nach Sitzung des Ältestenrates wird der Abgeordnete Herr Dr. Manthei am Ende des Tagesordnungspunktes eine persönliche Erklärung abgeben. So ist es mir avisiert worden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Religion und Staat sind getrennt.
Sehr geehrte AfD-Fraktion, Asyl, das weiß ich, das ist wahrscheinlich Ihr größter Feind, und ich könnte jetzt ganz witzig sagen, in der Bibel steht geschrieben, Sie sollen auch Ihre Feinde lieben. Und da Sie,
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD und Peter Ritter, DIE LINKE – Enrico Komning, AfD: Unser größter Freund ist die Rechtsstaatlichkeit.)
sollten Sie genau eines wissen: Sie können der Kirche und den Gemeinden nicht vorschreiben, wen sie bei sich aufnehmen. Sie können auch keinem Priester vorschreiben, das Beichtgeheimnis zu verletzen.
Sie können Gemeindemitgliedern nicht vorschreiben, Menschen zu versorgen, Menschen, denen sie sich verpflichtet fühlen, deren Kosten sie überwiegend tragen und für deren Schutz sie eintreten. Das Kirchenasyl hat eine christlich-humanitäre Tradition, und das jahrtausendelang. Jahrtausendelang fanden und finden Menschen in Kirchen Schutz vor Verfolgung, angefangen im Mittelalter bei jungen, alleinstehenden schwangeren Frauen,
(Holger Arppe, AfD: Wir sind doch nicht im Mittelalter. – Enrico Komning, AfD: Darum gehts doch gar nicht.)
Kinder, die eine neue Bleibe fanden. Ja, und auch in Kirchen bot man nicht immer Schutz vor Verfolgung. Zu oft wurden Kirchen nämlich missbraucht von der jeweiligen Staatsmacht, um Menschen im Namen von irgendwem zu diskriminieren, zu verfolgen, einfach, um Macht auszuüben.