Protokoll der Sitzung vom 13.07.2017

Kinder, die eine neue Bleibe fanden. Ja, und auch in Kirchen bot man nicht immer Schutz vor Verfolgung. Zu oft wurden Kirchen nämlich missbraucht von der jeweiligen Staatsmacht, um Menschen im Namen von irgendwem zu diskriminieren, zu verfolgen, einfach, um Macht auszuüben.

Frau Larisch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jess?

Wenn ich fertig bin, bitte.

Pfarrer, Priester, Gemeindeangehörige wurden häufig gleich mitinhaftiert, gefoltert und ermordet, wenn sie nicht gerade dem herrschenden System willfährig zu Diensten waren.

(Holger Arppe, AfD: Ja, in der DDR war das so.)

Die Schoah, das größte Verbrechen jüngerer Geschichte, hat dieses Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland aufs Widerwärtigste ausgenutzt. Kirchen und Gemeinden, die jüdische und vermeintlich jüdische Mitbürgerinnen schützten und versteckten, ihnen also Asyl boten, wurden in den Konzentrationslagern und in den Gestapohöllen gleich mit getötet. Die Humanität des Christentums wurde so ad absurdum geführt.

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Und, sehr geehrte AfD-Fraktion, ich höre Sie noch in der Debatte um die DDR und ihre Erinnerungskultur. Ich lese Ihre Ausführungen auch zu den Kirchen in der DDR. Natürlich boten die Kirchen DDR-Regimekritiker/-innen einen Platz, einen Schutzraum, also Asyl.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Das stimmt nicht.)

Zu einem, vielleicht dem größten Teil organisierten sich dort die Friedens- und Umweltbewegung der DDR und auch die Anfänge der friedlichen Revolution. Dennoch wurden die Kirchen teilweise kontrolliert, dem geltenden Staatsrecht unterstellt und es war nicht wirklich einfach für viele Gemeindemitglieder. Aber die Kirche war ein Schutzraum, also ein Ort des Asyls.

In all dieser Verantwortung und Erfahrung verteidigen wir die Säkularität. Kirche und Staat sind getrennt. Nie wieder soll es einem Staat möglich sein, den Kirchen vorzuschreiben, dass sie ausschließlich dem gültigen Regierungshandeln zu folgen haben. Nie wieder sollen Kirchen und deren Gemeinden kriminalisiert werden, weil sie ihrem christlich-humanen, der Bibel folgenden Handeln entsprechen. Nie wieder!

(Holger Arppe, AfD: Das hat sogar Luther anders gesehen.)

Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ihre Frage?

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau von Allwörden für die Fraktion der CDU.

(Zuruf von Holger Arppe, AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die deutsche Rechtsordnung kennt das Instrument des Kirchenasyls nicht. Da sind sich meine Fraktion und die Landesregierung grundsätzlich einig. Dennoch wird die Tradition des Kirchenasyls vonseiten meiner Fraktion respektiert. Kirche verstand sich schon seit jeher als Schutzraum für Arme, Kranke und Benachteiligte sowie für Flüchtlinge. Auch in diesem Punkt ist sich meine Fraktion mit der Bundes- und der Landesregierung einig. Unsere Polizeibeamten haben deshalb bisher und werden auch zukünftig keine Vollstreckungsmaßnahmen in einer Kirche vornehmen.

(Enrico Komning, AfD: Na das wollen wir mal sehen!)

Deshalb muss aber nicht jedes Handeln der Kirche unreflektiert bleiben. Das Kirchenasyl stellt kein Rechtsinstrument im Sinne unserer Verfassung dar. Das haben sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung und auch meine Fraktion immer deutlich gemacht.

(Holger Arppe, AfD: Was stellt es dar?)

Der Respekt vor den Räumlichkeiten der Kirche ist Teil unserer religiösen Tradition, die uns, ob wir wollen oder nicht, geprägt hat. Die Institution Kirche ist für Deutschland überaus wichtig. Auch wenn unser Land überwiegend atheistisch geprägt ist, so ist eine moralische Instanz wie die Kirche mit ihren Werten und dem Rahmen, den sie für ein Zusammenleben vorgibt, von unschätzbarem Wert.

Genau diese Einstellung hat sich deshalb auch in unserem Grundgesetz verankert. In der Präambel steht: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Kirche und kirchliche Tradition sind, ob Sie es einsehen oder nicht, ein bestimmter Teil unserer Werteordnung. Das Kirchenasyl – und so wird es auch von den Kirchen in Deutschland kommuniziert – versteht sich nicht als rechtsfreier Raum. Asyl gewährt allein der Staat. Das wissen auch die Kirchen. Die Kirchen verfolgen mit dem Kirchenasyl auch nicht das Ziel, den Rechtsstaat infrage zu stellen oder über das Kirchenasyl eine systematische Kritik am Dublin-System zu üben. Ziel ist es vielmehr, in individuellen Einzelfällen unzumutbare Härten zu prüfen.

Dennoch sehen wir die wachsende Zahl an Kirchenasylfällen, und auch meine Fraktion beobachtet dies sehr kritisch. Maßgebend ist für uns aber immer noch die Vereinbarung, die das BAMF mit den Kirchen getroffen hat. Tatsächlich ist es so, dass eine Vielzahl der derzeiti

gen Kirchenasylfälle diese Vereinbarung nicht ausreichend widerspiegelt. Aber genau deshalb ist die Landesregierung mit den Kirchen und dem BAMF zu der Thematik im Gespräch. Das wurde in der Vielzahl der Kleinen Anfragen, die Sie in den letzten Wochen zu dem Thema gestellt haben, auch immer wieder deutlich.

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Fraktion versammelt sich hinter den Werten und den Traditionen der Kirche. Den Schutzraum Kirche respektieren wir, sagen aber auch, dass das Gespräch mit den Kirchen zum Kirchenasyl unheimlich wichtig ist. Solange es dort konstruktive Gespräche gibt, lehnt meine Fraktion Zwangsmaßnahmen in Räumen der Kirche ab. – Meine Fraktion wird Ihren Antrag deshalb ablehnen.

(Marc Reinhardt, CDU: Jawohl!)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Manthei für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das sogenannte Kirchenasyl scheint in Mecklenburg-Vorpommern gängige Praxis zu werden. Die Kirche versucht alles, um es konspirativ zu halten.

(Manfred Dachner, SPD: Das ist ja gar nicht wahr! Das ist eine glatte Lüge.)

Die Öffentlichkeit soll möglichst nichts erfahren.

(Manfred Dachner, SPD: Niemals!)

Die Landesregierung führt keine Statistiken. Fakten sind nur auf Nachfrage durch Abgeordnete des Landtages herauszubekommen. So können wir nur jeweils stichtagsbezogen feststellen, dass wir am 14. März dieses Jahres 32 Fälle, am 22. Mai 65 Fälle, einen Tag später merkwürdigerweise 43 Fälle und jedenfalls am 20. Juni dann – unsere letzte Abfrage – 55 Fälle hatten.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

55 Fälle sogenanntes Kirchenasyl sind 55 Rechtsbrüche,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

und zwar nicht primär durch die Kirchen, Gemeinden – sie nutzen den Spielraum des Staates aus, den ihnen der Staat gibt –, sondern hier steht der Innenminister in der Verantwortung. Er bricht das Recht, wenn er es nicht durchsetzt. Er ist verpflichtet, diese rechtswidrigen Zustände zu beenden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ebenso zu den Hintergründen der Kirchenasylfälle ist nur stichtagsbezogen etwas zu erfahren. Auch hierzu führt die Landesregierung keine Statistik. Die Landesregierung kann etwa keine Auskunft geben über die Art und Weise, wie die Kirchenasylfälle der Vergangenheit endeten: Wie oft reisten die Personen freiwillig aus? Wie oft wurden sie

abgeschoben? Wie oft wurden sie in andere EUMitgliedsstaaten rücküberführt? Wie viele von ihnen haben letztlich eine Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling, als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter erhalten? Kurzum: Welche aufenthaltsrechtlichen Folgen hat das Kirchenasyl? Oder anders gefragt: Wie erfolgreich setzen die Kirchen ihre Interessen für die von ihnen untergebrachten Personen durch, obwohl oder weil sie sich aktiv gegen geltendes Recht widersetzten?

Was wir wissen, ist lediglich, dass die Landesregierung keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aus Kirchen und deren Umfeld durchführt. Im Gegenteil: Die Landesregierung hat wiederholt erklärt, dass sie die Tradition des Kirchenasyls respektiere. Sie achtet, so heißt es, die christlich-humanitäre Tradition des Kirchenasyls. Was hier als kulturelle Errungenschaft und Angelegenheit der Kirchen angesehen wird, scheint zunehmend Fahrt aufzunehmen und ist mehr und mehr institutionalisiert.

Es gibt eine Vereinbarung – sie wurde ja heute schon mehrfach angesprochen – zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2015. Man kann also sagen, man versucht das Unrecht auch noch zu regulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber – und das wurde heute ja auch zugegeben vom Innenminister, erschreckend genug, über die Landesregierung steht noch in meinem Redeentwurf, sie vermag nicht zu sagen, ob die Vereinbarung eingehalten wird, so hieß es in der Anfrage – jetzt wurde offen gesagt, die Vereinbarung wird nicht eingehalten. So heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage: Die Landesregierung befände sich mit den Kirchen, ich zitiere, „in einem fortlaufenden Dialog, um unter anderem weiterhin auf die Einhaltung der Vorgaben und der vereinbarten Härtefallprüfung, welche im Gespräch zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Kirchen im Februar 2015 vereinbart wurde, hinzuwirken“. Zitatende. Rechtsdurchsetzung hört sich anders an.

Noch einmal in aller Klarheit: Kirchenasyl entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage oder, wie es Frau Ministerpräsidentin gesagt hat, keine Religion darf sich über die Normen unseres Grundgesetzes stellen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)