Man darf auch nicht denken, dass bei einer Abschiebung die Personen, die in einen Flieger gesetzt werden, in Kabul quasi ausgesetzt würden. Afghanische Behörden, Nichtregierungsorganisationen und die Deutsche Botschaft in Kabul unterstützen die rückgeführten Afghanen, sie helfen ihnen beim Neustart in ihrer Heimat. Das läuft unter der Bezeichnung „Reintegrationsmaßnahmen“. Diese Institutionen vor Ort waren bislang offenbar in der Lage, die abgeschobenen Personen in sichere Gebiete Afghanistans zu lenken. Aber wie gesagt, das geschieht derzeit nicht, und dies auch deshalb nicht, weil die deutsche Auslandsvertretung in Kabul beim Anschlag am 31. Mai dieses Jahres beschädigt wurde.
Es ist darauf hinzuweisen, das hatte auch der Herr Innenminister noch mal erwähnt, dass zum Beispiel Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, alleinstehende Frauen, Familien sowieso schon länger nicht abgeschoben werden. Was obgleich der ausgesetzten Abschie
bung derzeit stattfinden kann und auch stattfindet, sind freiwillige Ausreisen. Wir können niemanden daran hindern, in seine Heimat zurückzukehren. Die Rückkehr wird sogar großzügig unterstützt. Weiterhin abgeschoben werden können verurteilte Straftäter, Gefährder und Personen, die ihre Identität nicht offenlegen. Was ich nicht weiß, ist, auf wie viele Afghanen in MecklenburgVorpommern das zutrifft. Da müsste man gegebenenfalls, wenn der Herr Innenminister erlaubt, noch mal eine Kleine Anfrage stellen.
Was jedoch doch noch einmal unterstrichen werden muss, ist, dass die nötigen Abschiebungen nicht vom Himmel fallen. Viele der Asylbewerber haben keinen Erfolg mit ihrem Asylantrag, sie müssen demzufolge ausreisen. Sofern sie dieser Pflicht nicht nachkommen, wird die Abschiebung erforderlich. Eine ganz andere Frage ist die Sache mit den Dublin-Fällen, darauf komme ich gleich noch mal zurück.
Zum 31.12.2016 gab es 5 afghanische Staatsbürger in Mecklenburg-Vorpommern, die als asylberechtigt anerkannt waren. Zum selben Zeitpunkt hielten sich 170 ausreisepflichtige Afghanen in Mecklenburg-Vorpommern auf, wovon 130 eine Duldung besaßen. Theoretisch handelt es sich also um eine überschaubare Anzahl abzuschiebender Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit.
Im Jahr 2016 sind über die Hälfte aller geplanten Abschiebungen aus Mecklenburg-Vorpommern, alle Länder zusammengenommen, gescheitert. Lediglich 835 Personen wurden tatsächlich abgeschoben. Die meisten Personen sind zum Abschiebezeitpunkt abgängig, also verschwunden, untergetaucht. Mein Kollege Christoph Grimm hatte das ja vorhin in seiner Rede auch schon mal vorgetragen.
Im letzten Teil des Antrages erfindet die Fraktion DIE LINKE gleich noch wieder ein neues Wort. Wir hatten heute schon das Thema „Kirchenasyl“, was es gar nicht gibt, jetzt wird das Wort „Kettenabschiebungen“ erfunden. Die Landesregierung möge sogenannte „Kettenabschiebungen über Drittländer“ unterlassen. Anlass ist, das wurde schon gesagt, der Flug nach Norwegen, und dort sollen auch Afghanen im Flugzeug gesessen haben. Fakt ist, dass diese Personen über einen sicheren Drittstaat, nämlich Norwegen, zu uns nach Deutschland eingereist sind, deshalb findet die Dublin-Regelung Anwendung. Laut Medienberichten hätten die abzuschiebenden Personen bereits in Norwegen Schutz beantragt und später ein weiteres Asylverfahren in Deutschland angestrengt.
Es obliegt aber keinesfalls der Landesregierung oder der Bundesregierung, sich in die Belange Norwegens einzumischen. Kettenabschiebungen sieht die Rechtsordnung weder national noch international vor. Auch tatsächlich gibt es so etwas nicht. Es handelt sich um eine gesetzmäßige Rückführung in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates. Wie das Asylverfahren dort ausgeht, hat dieser Staat zu entscheiden. Will denn die Fraktion DIE LINKE hier allen Ernstes behaupten, die Entscheidungen in den Vertragspartnerstaaten, wie zum Beispiel Norwegen, seien zu kritisieren? Mit welcher Hybris erheben Sie sich über die rechtsstaatlichen Entscheidungen anderer Staaten? Es ist im Grunde wie immer: Deutsche Politiker
halten sich für die Schlausten und wollen andere Staaten belehren. Das haben wir bei der Energiewende gesehen,
bei den Euro-Rettungsversuchen, bei der Masseneinwanderung – immer soll Deutschland einen Sonderweg gehen und droht damit in die Isolierung zu gehen. Nein, meine Damen und Herren, eine Rückführung in einen Staat, der am Dublin-Abkommen teilnimmt, ist nun beim besten Willen nicht zu kritisieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir haben unsere Meinung in Bezug auf Abschiebungen nach Afghanistan nicht verändert. Wir waren auch bei der letzten Debatte nicht dafür, nach Afghanistan abzuschieben. Die SPD, das wurde hier explizit angesprochen, hat auf Bundesebene, denke ich mal, maßgeblich daran mitgearbeitet, dass die Bundesregierung den Entschluss gefasst hat, zurzeit keine Abschiebungen nach Afghanistan vorzunehmen, nachdem der Anschlag dort ausgeführt worden war. Auch bei der letzten Debatte zur Abschiebung nach Afghanistan habe ich meine persönliche Meinung geäußert, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass es wirklich sichere Gebiete in Afghanistan gibt.
Ich wurde neulich noch mal von Herrn Kramer gefragt, wann ich denn den Antrag stellen würde, dass der Innenausschuss nach Afghanistan reist, wie ich das ja hier angeregt habe. Da muss ich Ihnen sagen, ich habe das hier angeregt, aber ich habe nicht gesagt, dass ich einen Antrag stellen werde. Der Innenminister hat in einem anderen Zusammenhang im Laufe des Tages heute gesagt, dass es nicht möglich ist, weil Afghanistan außerhalb Europas liegt. Dann möchte ich nur daran erinnern, dass der Innenausschuss auch schon mal in Israel gewesen ist. Das waren besondere Umstände. Also wenn besondere Umstände vorliegen, kann man vielleicht mal besondere Wege gehen. Aber ich persönlich würde so einen Antrag nie stellen, weil ich persönlich Afghanistan eben nicht für sicher halte. Das wollte ich nur mal klarstellen. Das war eine Anregung für die Interessierten, die sich vor Ort selbst von der Sicherheitslage in Afghanistan überzeugen möchten.
Frau Larisch, ja, die SPD hat sich auch auf Bundesebene dazu bekannt, keine Abschiebungen nach Afghanistan, allerdings mit der Einschränkung, dass dies eben nicht für Gefährder und Straftäter gelten soll. Ihr Antrag macht keinerlei Einschränkungen, aber in erster Linie richtet er sich ja auch gegen die sogenannten „Kettenabschiebungen“, wie Sie es nennen, über Drittländer, und das ist jetzt schon lange ausgeführt worden, zum Beispiel Norwegen betreffend, dass wir hier kein Vertrauen in unsere Nachbarstaaten hätten, die vielleicht keine humanistischen Gründe anerkennen, was natürlich reine Spekulationen sind.
Ja, wir stehen nicht alleine in Europa, sondern haben unsere nachbarschaftlichen Beziehungen und Abmachungen. Das gilt natürlich auch in Bezug auf das DublinAbkommen. Ich habe vorhin auch schon mal gesagt, wir hindern unseren Innenminister sicherlich nicht daran, hier Recht und Gesetz umzusetzen, und das ist auch in diesem Fall so, sodass auch wir, obwohl wir generell gegen Abschiebungen nach Afghanistan sind, Ihren Antrag ablehnen werden. – Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir diskutieren heute über einen Antrag, in dem es darum geht, Menschen nicht in ihre Heimat Afghanistan zurückzuschicken, da es dort angeblich nicht sicher genug sei. Als Argument für einen Abschiebestopp wird immer wieder ins Feld geführt, der gegenwärtige Kampf der afghanischen Regierung gegen die radikalislamischen Taliban führe zu einer Sicherheitslage, die Abschiebungen unmöglich mache. Auch der Anschlag auf die Deutsche Botschaft in Kabul führe zu dem zwingenden Schluss, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.
Ich frage mich: Wozu haben wir eigentlich eine internationale Koalition von Soldaten in diesem Land, die den Frieden sichern sollen? Es kann doch nicht sein, dass unsere deutschen Soldaten seit nunmehr 16 Jahren ihren Kopf für Afghanistans Sicherheit hinhalten, während gesunde afghanische Männer hier Unterschlupf finden sollen.
Zugegeben, die Sicherheitslage ist in vielen Landesteilen schlecht. Anschläge kommen häufig vor, unschuldige Opfer sind die Folge. In 90 Prozent der Länder der Welt ist die Sicherheitslage schlechter als in Deutschland. Man braucht da gar nicht so weit zu schauen, ein Blick über den Ärmelkanal genügt. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, Auslieferungen nach England, wenn sie denn anstehen würden, mit Hinweis auf die schlechte Sicherheitslage auszusetzen.
Ich habe gerade einen Hinweis von meinem Fraktionskollegen Fernandes vernommen. Er war im Frühjahr mit dem Wirtschaftsausschuss bei der Internationalen Tourismusmesse und – Sie werden es nicht glauben – es gab einen Tourismusstand von Afghanistan. Offensichtlich ist Afghanistan ein Urlaubsland. Und wir wollen keine Menschen dorthin abschieben. Merkwürdig!
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Viel Spaß! Berichten Sie mal von dem Urlaub!)
Wenn man diese Logik weiterdenkt – weil in Kabul auf die Deutsche Botschaft ein Selbstmordattentat begangen wurde, darf nicht abgeschoben werden –, wenn man diese Logik weiterdenkt, dürften wir in Deutschland keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, weil in Hamburg ein terroristischer marodierender linker Mob Leib und Leben der Menschen gefährdet und ein Irrer in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin fährt. Und ja, das ist vergleichbar miteinander, denn das ist ebenso Terror – Terror in Deutschland.
Und auch wir in Deutschland sind zentrales Ziel von Terroranschlägen, auch wir haben mehr als genug unschuldige Opfer zu beklagen. Eine konkrete Terrorgefahr gibt es inzwischen fast in jedem Land dieser Welt. Die aktuelle Terrorgefahr ist kein, erst recht kein neues Argument für einen Abschiebestopp nach Afghanistan.
Der Bundesinnenminister vertritt die Ansicht, ich zitiere, „dass die Anschläge der Taliban sich gegen staatliche Institutionen und ihre Vertreter richteten, nicht gegen die normale Bevölkerung, auch wenn diese dabei gelegentlich in Mitleidenschaft gezogen werde.“
Genau dies, Herr Ritter, beschreibt die Situation in jedem von Terror gebeutelten Land. Wir sind nicht der Zufluchtsort für die ganze Welt und wir können es auch nicht sein.
Speziell für Afghanistan verbieten sich pauschale Aussagen zur Sicherheitslage. Das Bundesamt für Migration schätzt die Regionen um Kabul, Herat, Mazar-e Sharif und Tachar als ausreichend sicher ein.
Jetzt werden Sie, liebe Kollegen von den LINKEN, sagen: Ja, das UNHCR aber nicht. Das ist richtig, aber auch das UNHCR geht von friedlichen Landesteilen in Afghanistan aus. Vor allem aus fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven heraus ist das UNHCR gegen eine
Rückführung von Afghanen in diese Regionen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte können aber nach unserer Ansicht für die Frage der Abschiebungen keine Rolle spielen. Wo ist denn die jahrelange Entwicklungshilfe, die wir in Afghanistan leisten und geleistet haben, geblieben, die technischen Anlagen, gebaut vom Technischen Hilfswerk, die Schulen, die Brunnen und so weiter?
Die Innenministerkonferenz der Bundesländer hat gerade erst am 13. Juni 2017, also vor einem Monat, in Dresden beschlossen, dass weiterhin Straftäter, sogenannte Gefährder und Ausreisepflichtige, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern, abgeschoben werden sollen. Und hier, meine Damen und Herren Kollegen, zeigt sich doch die ganze Doppelmoral der Altparteien. Für einige soll Afghanistan sicher genug sein, um sie abzuschieben –