Protokoll der Sitzung vom 13.07.2017

offensichtlich will man sie dort dem Tod letztlich ausliefern –, für andere nicht.

Nach Aussage der Landesregierung befinden sich zurzeit in Mecklenburg-Vorpommern 175 ausreisepflichtige Afghanen. Ich und wir, die AfD, besagen, lassen Sie uns diese Afghanen abschieben. Afghanistan ist ein großes Land mit einer Fläche von gut 650.000 Quadratkilometern und damit nahezu doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland

(Martina Tegtmeier, SPD: Dann muss es ja sichere Gegenden geben.)

und mit nicht einmal der Hälfte der Einwohner. Es ist doch viel sinnvoller, die Menschen vor Ort in den sicheren Regionen zu halten, Flüchtlinge zu ermutigen, sich dorthin zu wenden.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Sie bleiben damit in ihrer gewohnten Umgebung, unter Menschen ihrer Sprache und ihrer Religion, und mit dem Iran und Turkmenistan sind zwei stabile Länder unmittelbare Nachbarn Afghanistans. Religion, Brauchtum und im Falle Irans auch die Sprache sind den Afghanen vertraut. Warum also überhaupt nach Deutschland? Am Ende bleibt nur der Grund der besseren wirtschaftlichen Perspektiven. Das allein, meine Damen und Herren, können wir aber nicht akzeptieren. Wir werden den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der CDU hat das Wort die Abgeordnete Ann Christin von Allwörden.

(Andreas Butzki, SPD: Das ist die Letzte. – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu der Thematik „Abschiebungen nach Afghanistan“ haben wir uns bereits in den Landtagssitzungen am Anfang des Jahres ausgetauscht. Ich möchte den Tenor der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen noch mal kurz zusammenfassen: Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen handeln nach den gesetzlichen Regelun

gen und richten sich nach den Empfehlungen des Auswärtigen Amtes. Das bedeutet für uns, dass Personen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland aufgrund eines Flüchtlingsstatus oder aus anderen Schutzgründen haben, unser Land verlassen müssen. Dazu gehört auch, dass das Dublin-Abkommen umgesetzt wird, also Personen, die in anderen Ländern bereits Asylanträge gestellt haben, in diese verbracht werden, um dort den Abschluss des Asylverfahrens abzuwarten. Das sind die grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen, die für uns die Basis für alle weiteren Überlegungen sind. Diese gesetzlichen Regelungen beinhalten in ihrer Umsetzung auch die Sicherheitsaspekte vor Ort. Die Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist dafür die Grundlage.

Das alles hatten wir bereits Anfang des Jahres ausgeführt. Natürlich beinhalten diese Regelungen, dass die Einschätzung der Sicherheitslage nicht statisch ist, sondern aufgrund von Veränderungen der Sicherheitssituation angepasst werden kann. Aufgrund des terroristischen Anschlages auf die Deutsche Botschaft in Kabul im Mai dieses Jahres findet derzeit keine Abschiebung nach Afghanistan statt und auch die Bewertung der Sicherheitslage im Land wird neu vorgenommen. Sie sehen also, die Bundesregierung hält sich an die rechtlichen Grundsätze. Ihre Aufforderung benötigt sie nicht.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Bis diese Neubewertung vorliegt, bleibt es bei der Förderung der freiwilligen Ausreise und bei der Abschiebung von Verbrechern, Gefährdern und Menschen, die ihre Identität nicht preisgeben wollen. Diese Abschiebungen erfolgen auf Basis einer Einzelfallprüfung. Dies bedeutet aber nicht, dass jegliche Asylanträge von Afghanen nicht mehr geprüft werden oder das Asylrecht außer Kraft gesetzt wird. Insbesondere das Dublin-III-Verfahren bleibt selbstverständlich bestehen.

Wenn also ein Asylsuchender in einem anderen europäischen Land bereits einen Asylantrag gestellt hat, dann wird dieser in dieses sichere Drittland zurücküberstellt werden, egal welcher Nation er angehört. Das ist geltendes Recht. Ob dieses Drittland bei afghanischen Staatsangehörigen Rückführungen nach Afghanistan vornimmt, ist für die Anwendung des Dublin-Verfahrens komplett unbedeutend, zumal Deutschland das Ergebnis der Asylprüfung in einem Drittland nicht vorwegnimmt und dies auch gar nicht kann.

Fakt ist, Deutschland verzichtet derzeit auf Rückführungen nach Afghanistan. Und solange die Deutsche Botschaft in Kabul noch nicht zu 100 Prozent arbeitsfähig ist und die Rückführungen logistisch begleiten kann, werden selbst die Rückführungen von Straftätern verschoben.

Über was reden wir hier also? Über die Einhaltung von EU-Recht? Das haben wir bereits im Landtag öfter klargestellt. Meine Fraktion setzt sich dafür ein, dass Deutschland weiterhin ein verlässlicher Partner in Europa ist, hält an den europäischen Regelungen fest und wird sich bestimmt nicht dafür einsetzen, dass in Länder wie Norwegen, Schweden oder Österreich nicht mehr zurückgeführt werden darf. Oberstes Ziel ist es jetzt erst einmal, die Arbeitsfähigkeit der Deutschen Botschaft in Kabul wiederherzustellen. Dann wird die Bewertung des Auswärtigen Amtes erstellt und dann wird das BAMF seine Rückführungspraxis entsprechend gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag enthält nur Informationen, die das Auswärtige Amt und das BAMF schon längst in ihre Arbeit einbezogen haben. Eine grundsätzliche Aufhebung von Zurückführungen ohne Beachtung der Sicherheitslage vor Ort lehnt meine Fraktion prinzipiell ab. Wir setzen uns für die Einhaltung der asylrechtlichen Vorschriften ein, und da Ihr Antrag diesen Vorschriften widerspricht, werden wir diesen auch ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Birgit Hesse, SPD)

Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Larisch für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Innenminister! Er ist gerade nicht da.

(Torsten Renz, CDU: Hier ist er, hier!)

Wo sind Sie?

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zurufe aus dem Plenum: Hier!)

(Zurufe von Patrick Dahlemann, SPD, und Marc Reinhardt, CDU)

Ihre Anmerkung, ich solle mich mal mit den Menschen beschäftigen, ist ein wenig zynisch, da Sie genau wissen, was ich tue,

(Tilo Gundlack, SPD: Es geht auch leise.)

welcher Gefahr ich mich aussetze, weil ich mich mit Menschen beschäftige. Das nehme ich sehr persönlich.

(Enrico Komning, AfD: Was tun die Ihnen denn?)

Und sehr wohl werden Kinder abgeschoben, …

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, AfD und CDU – Tilo Gundlack, SPD: Wir können Sie auch so verstehen, Sie müssen nicht schreien.)

Aber Sie sind so laut, dass ich mich hier vorne nicht verstehen kann.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, AfD und CDU)

Ich bin nämlich schwerhörig aufgrund meines Engagements und eines Anschlages. Also schön ruhig sein!

… und sehr wohl werden Kinder abgeschoben, und das kann ich Ihnen auch ganz genau sagen, denn im Juni bei dem Flug war kein Straftäter dabei.

(Enrico Komning, AfD: Nein!)

Es waren Familien mit Kindern und schwangere Frauen. Das ist mir völlig egal, ob es sich um eine DublinAbschiebung handelte oder nicht, denn der Flug wartete schon in Oslo, also war es eine Absprache. Und nur, weil eine deutsche Einrichtung zerstört ist, gibt es im Übrigen eine Neubewertung, und nicht, weil in Afghanistan irgendetwas nicht sicher ist.

Herr Caffier, das Recht der Dublin-Verordnung verstehe ich schon. Den Sinn dahinter, den verstehe ich nur nicht.

Jetzt kommen wir mal nach Afghanistan. 150.000 Menschen sind seit Jahresbeginn innerhalb Afghanistans geflüchtet, sind also Binnenflüchtlinge. In der Provinz Kundus – und die ist im Norden – wird vertrieben, wöchentlich circa 14.000 Menschen. Das Ziel der Taliban ist die erneute Eroberung dieser Provinz und mittlerweile kontrollieren sie gar wieder weite Teile, nämlich neun Bezirke. Der Norden galt lange als ruhig. Mittlerweile sind 43 Prozent aller Binnenflüchtlinge aber aus dem Norden und 25 Prozent aus dem schwer umkämpften Süden.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das heißt also, 68 Prozent der Menschen sind innerhalb Afghanistans auf der Flucht.

Frau Abgeordnete, einen Moment mal bitte!

Die Zeit ist fortgeschritten, der Tag war lang, aber ich finde, es gehört sich einfach, dass man auch eine gewisse Disziplin wahrt und der Rednerin zuhört. Also bitte, stellen Sie die Gespräche ein!

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Frau Larisch, nehmen Sie sich da ein Beispiel dran, stellen Sie die Gespräche ein!)

2016 waren insgesamt 660.000 Menschen innerhalb Afghanistans vertrieben. Wir haben 2017 – es ist ein halbes Jahr rum – und es sind jetzt schon 450.000 Menschen erneut vertrieben worden innerhalb Afghanistans. Afghanistan ist umgeben von Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, China, Pakistan und dem Iran. Wenn Sie sich all die Länder anhören, da können Afghaninnen und Afghanen auch nicht hin. Und was ich am allerwenigsten verstehe, ist, dass iranische Flüchtlinge umgehend anerkannt werden, und wenn Afghaninnen und Afghanen in den Iran flüchten, dann ist das das sichere Herkunftsland?! Das können Sie mir nicht erklären.

Die Sprache in Afghanistan ist Paschtunisch und Persisch und die Hazara-Schiiten werden dort gezielt verfolgt und getötet, und das, weil die Paschtunen 2001 nicht mit an der Allianz beteiligt waren. Sie wissen das ganz genau, man spricht dort 49 Sprachen und 200 Dialekte. Und Sie sagen, dass Sie all die Sprachen verstehen?! Die Kinder können dort nicht mehr in die Schule gehen, also können sie auch nicht sprechen und nicht lesen, selbst wenn die Amtssprachen Dari und Paschtu sind. Sie können es einfach nicht.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Daher kommt der große Anteil auch falsch übersetzter Interviews.