Protokoll der Sitzung vom 18.10.2017

Bitte beachten Sie, es geht bei den Reformergebnissen immer um den Vergleich: im Jahr 2018 ohne Gesetzesänderungen und mit Gesetzesänderungen! Natürlich könnte man auch das Jahr 2018 dem Jahr 2017 gegenüberstellen, noch das zusätzliche Geld, was aus unterschiedlichen Töpfen mit hineingekommen ist, und das vergleichen, aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre wirklich der Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Wenn sich beispielsweise in einer Gemeinde die Gewerbesteuereinnahmen verdoppeln, sinken natürlich auch die Zuweisungen vom Land. So viel können Sie gar nicht reformieren, dass da am Ende noch ein Plus bleibt. Deswegen ist der Vergleich „2018 alt“ zu „2018 neu“ in jedem Fall der eindeutig bessere, das ist vergleichbar.

Bereits am Montag hat das Innenministerium den Orientierungsdatenerlass an alle Landkreise, Ämter und amtsfreien Gemeinden verschickt, damit sich diese auf die Reformergebnisse einstellen und ihre Haushalte aufstellen können. Durch die parlamentarischen Beratungen und die möglicherweise aktualisierten Einwohnerzahlen können sich natürlich noch Änderungen ergeben. Deswegen heißt es ja auch Orientierungserlass, an dem sich die Kommunen erst mal orientieren können. Gleichwohl steht heute schon fest, die Reformergebnisse sind wirklich gut. Über 600 der 753 Städte und Gemeinden werden durch dieses Gesetz mehr Geld in der Kasse haben. Das ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Kommunalen und zweifelsohne ein großer Erfolg der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, ich erwähnte es bereits, unsere kommunale Familie ist sehr heterogen, deswegen kann der kommunale Finanzausgleich, egal, wie viel wir an ihm schrauben, nie allen vollständig gerecht werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wem sagst du das?!)

Umso wichtiger ist es mir, dass wir die Konsolidierungsbemühungen der Kommunen mit der Reform kräftig unterstützen. 2018 und 2019 werden insgesamt 70 Millionen Euro in einen kommunalen Entschuldungsfonds fließen. Davon dienen 35 Millionen Euro dem kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds, die anderen 35 Millionen Euro fließen an Gemeinden, die bisher nicht Empfänger des kommunalen Haushaltskonsolidierungsfonds sind. Wir haben uns hier mit den kommunalen Landesverbänden auf vernünftige Kriterien verständigt, damit das Geld möglichst schnell abfließen kann und gleichzeitig auch die Konsolidierungsanreize für die betroffenen Kommunen gestärkt werden.

Ab dem Jahr 2020 werden die Entschuldungshilfen neben der Rückführung der negativen Salden, der Ein- und Auszahlung auch zum Abbau der Wohnungsbaualtschulden aus DDR-Zeiten eingesetzt. Das wird viele Kommunen enorm entlasten. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass die Umsetzung aufgrund der vielen unterschiedlich gelagerten Fälle im Land durchaus nicht einfach wird und ich mir wünsche, dass wir mit der Pragmatik, mit der wir in den vergangenen Wochen und Monaten ans FAG herangegangen sind, auch an diese

Aufgabe gehen, denn sie ist ganz wichtig für viele Kommunen.

Das betrifft im Übrigen auch die gesamte zweite Stufe der Reform, die ebenfalls im Jahr 2020 in Kraft treten soll. Denn es gilt nach wie vor: Nach der Reform ist vor der Reform. Wir werden die Fragen beantworten müssen, ob wir bei den zentralen Orten mehr oder etwas anderes machen. Wir werden klären müssen, ob die Gemeinden und Städte mit vielen Kindern noch stärker entlastet werden. Wir werden uns auch einen Ausgleich für die unterschiedlichen Belastungen mit Sozialausgaben auf Landkreisebene überlegen müssen.

Und wir werden die Grundsatzentscheidung fällen müssen, bleiben wir bei dem verbesserten aktuellen System auf der einen Seite oder stellen wir den kommunalen Finanzausgleich um auf ein 2-Ebenen-Modell mit nur noch zwei Teilschlüsselmassen und einem stärkeren Aufgabenbezug mit allen damit verbundenen finanziellen Auswirkungen auf jede einzelne Gemeinde, jede einzelne Stadt und jeden einzelnen Landkreis, Da warten, mit Verlaub gesagt, noch viele spannende Diskussionen, viele Tage und Nächte auf uns, gleichermaßen was die Beratung betrifft sowohl zunächst mit der kommunalen Familie als auch dann mit dem Parlament.

Meine Erfahrung der letzten Monate gemeinsam mit dem Finanzminister in dieser Frage ist aber ganz klar, dass wir im Dialog mit den Kommunen gemeinsam viel erreichen können und dann auch vieles ändern können. Aber das ist jetzt schon Zukunftsmusik, erst einmal muss das neue Finanzausgleichsgesetz verabschiedet werden. In einer Sondersitzung des Innenausschusses soll heute noch die Anhörung beschlossen werden, dadurch wird das weitere Verfahren verkürzt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Abgeordneten bedanken.

Leider wird aber auch diese Maßnahme voraussichtlich nicht dazu führen, dass wir das FAG noch in diesem Jahr in Zweiter Lesung behandeln können. Wenn alles klappt, wird das Gesetz möglicherweise Ende Januar beschlossen und dann schließlich rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt. Ich will, kann und darf auch nicht – und ich mache das auf gar keinen Fall – dem Gesetzgeber hier vorgreifen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Aber natürlich geben die langwierigen Beratungen und Gespräche mit den kommunalen Familien, dem Städte- und Gemeindetag und dem Landkreistag auch Aufschluss darüber, dass wir sehr lange und sehr intensiv an dem Gesetz gearbeitet haben.

Ich persönlich bedaure die Verzögerung sehr. Sie ist vor allem dem umfangreichen Dialogprozess geschuldet. Aus meiner Sicht gibt es da auch keinen Schuldigen. Unterm Strich ist es mir wesentlich wichtiger, dass wir mit der kommunalen Familie einen Konsens erzielen, der möglicherweise vier Wochen rückwirkend in Kraft gesetzt wird. Auf Grundlage des Orientierungsdatenerlasses haben die Kommunen und Landkreise allerdings jetzt auch schon die notwendigen Handlungsoptionen erhalten.

Es geht um viel Geld, es geht um große Auswirkungen auf der kommunalen Ebene und demzufolge sollen auch die Beratungen auf allen Ebenen, ob im Parlament oder

im Gesetzgebungsverfahren der Landesregierung, die notwendigen Zeitressourcen haben. Schließlich soll den Anzuhörenden auch genug Zeit gegeben werden, um in der Anhörung die Argumente mit einzubringen, die möglicherweise noch nicht berücksichtigt sind.

Ich wünsche dem Parlament konstruktive und erkenntnisreiche Beratungen. Die Mitarbeiter aus meinem Haus, aber auch aus dem Finanzministerium werden im Zweifelsfall mit Expertise Gewehr bei Fuß stehen und den Landtag bei der Beratung jederzeit unterstützen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche viel Erfolg für die zukünftigen Beratungen. Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Christel Weißig, BMV)

Vielen Dank, Herr Minister.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Herr Kröger für die Fraktion der AfD.

Wertes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Leiwe Mäckelbörger und Vorpommern! Ich möchte mich erst mal bei dem Herrn Minister bedanken. Er hat mir schon das Wort, was ich eigentlich noch vorweg als Ausschussvorsitzender des Innen- und Europausschusses ergreifen wollte, hinsichtlich der weiteren Verfahrensweise vorweggenommen. Vielen Dank dafür. Dadurch erspare ich mir jetzt eine Wiederholung. Und ich denke, Herr Wellmann, die Frage, die im Raume stand, ist geklärt. Gut, damit komme ich jetzt zu meinem Vortrag.

Nach den Berichten des Landesrechnungshofes zu den Kommunalfinanzen und dem vorliegenden Gutachten von Herrn Professor Lenk, was hier heute auch schon erwähnt wurde, lagen große Erwartungshaltungen in der Luft hinsichtlich der Lösung der Probleme der kommunalen Finanzen über das Finanzausgleichsgesetz. Es boten und bieten sich viele Ansatzmöglichkeiten für mittelfristig und langfristig wirksame Lösungen für eine zukunftsträchtige Entwicklung unserer Kommunen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, lässt das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form noch etwas Fantasie vermissen, die für eine nachhaltige Stärkung der strukturschwachen ländlichen Gebiete notwendig gewesen wäre.

Nachdem sich diese Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände im Vorfeld schon über die Eckpunkte geeinigt haben, die mit diesem FAG umzusetzen sind, haben die Abgeordneten jedoch kaum noch Legitimität, in diese Vorlage großartig einzugreifen, zumindest, wenn wir uns nicht anhören wollen, die eine oder andere Seite zu unterminieren. So positiv es auch ist, ist es doch für uns Parlamentarier irgendwie eine unbefriedigende Ausgangssituation.

Sehr geehrte Damen und Herren, das hier vorliegende Finanzausgleichsgesetz ist im Wesentlichen noch die Fortschreibung des alten Gesetzes mit neuen Zahlen und ansonsten marginalen Änderungen. Neu und gut ist der Entschuldungsfonds, der sich helfend der Problemlage überschuldeter Kommunen widmet. Vorrangig bedient

die FAG-Novelle jedoch die Städte und Landkreise, was der Herr Minister auch schon sagte, die ja auch unter besonders defizitären Haushalten leiden. Aber es werden Anreize zu weiteren Zusammenlegungen von Gemeinden geschaffen, anstatt gerade auch durch die zusätzlichen Mittel gewachsene und bestehende dezentrale Strukturen zu stärken, denn diese sind identitätsstiftend und bilden das Rückgrat unseres Staatswesens, da sie Bürgernähe und Akzeptanz des Staates in der Fläche bedeuten.

Sehr geehrte Damen und Herren, so gesehen ist die FAG-Novelle nur ein erster Teilschritt. Die echte Umsetzung anhand des Gutachtens, das wir bereits erwähnt haben, soll erst zum Jahr 2020 erfolgen. Bis dahin verbleiben aufseiten der kommunalen Körperschaften weiter Rechtsunsicherheiten, wie diese Gutachten umgesetzt werden und ob tatsächlich all das passiert, wovon geträumt wird. Aber auch die geplante Einführung des 2-Ebenen-Modells beinhaltet bei oberflächlicher Umsetzung durchaus das Risiko einer weiteren Abwärtsspirale, die zum Sterben kleinerer Gemeinden zugunsten größerer Städte führen kann. Der Herr Minister hat das zwar nicht ganz so konkret angedeutet, aber schon gesagt, dass auch an der Stelle durchaus noch Gesprächsbedarf herrscht und wir da zu einer Lösung zu kommen hätten.

Meine Damen und Herren, für die Jahre 2016 und 2017 werden allein für die Flüchtlingsbedenken mehr Belastungen, rund 149 Millionen Euro, der Finanzausgleichsmasse als Vorababzüge des Landes angesetzt. Damit werden sie der Berechnung der kommunalen Seite entzogen.

(Marc Reinhardt, CDU: Wo haben Sie die Zahlen her?)

Nach dem Gleichmäßigkeitsprinzip beliefe sich der Anteil der kommunalen Seite auf knapp 50 Millionen,

(Torsten Renz, CDU: Steht das im aktuellen Finanzausgleichsgesetz oder wo steht das drin?)

die dort im Berechnungsansatz fehlen. Das passiert in dem vollen Bewusstsein, dass gerade die kommunale Ebene, die Kreisebene und die großen Städte erhebliche Aufwendungen im sozialen Bereich finanziell zu schultern haben, geschultert haben und auch in den nächsten Jahren noch verstärkt damit zu tun haben. Die Kommunen haben diese finanziellen Belastungen in ihren Haushalten und sind deshalb mit einer gewissen Berechtigung auf dieses Geld angewiesen. Dass es nun durch den Vorwegabzug nicht in den Ansatz gebracht werden kann, führt dann zu einer relativen Verschuldung, und durch diesen rechnerischen Effekt kann es sogar dazu führen, dass Kommunen noch in die Lage versetzt werden müssen, Gelder zurückzuzahlen. Das ist eine der Stellen, wo wir dringenden Handlungsbedarf sehen.

Auf eine weitere Stelle möchte ich noch hinweisen: Von dem gesamten Finanzvolumen bekommen die Gemeinden weiterhin nur gut ein Drittel. Das ergibt lediglich eine Aufstockung der FAG-Masse von circa 34 Millionen in 2018 und 35 Millionen in 2019. Hier hätte man mehr tun können.

(Torsten Renz, CDU: Aber das Prinzip des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes haben Sie schon verstanden?!)

Ja, klar.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

In diesem Fall denke ich auch an die Ausschüttung der bis dato nicht abgerufenen Haushaltskonsolidierungsrücklagen,

(Torsten Renz, CDU: Zu welchem Thema sprechen Sie?)

deren finanzielle Spielmasse immerhin eine Größe von circa 60 bis 80 Millionen hatte. So bleibt auch insgesamt der FAG-Reform kaum Spielraum, für die Gemeinden, freiwillige Aufgaben zu übernehmen, wie es jetzt geregelt ist.

Betrachten wir nun die sogenannten Veredlungsfaktoren: Der Familienleistungsausgleich im neuen Paragrafen 7 Absatz 5 FAG orientiert sich ausschließlich an der Anzahl von Kindern in der Gemeinde. Dies soll die geplante belastungsorientierte Verteilung vorwegnehmen, …

(Torsten Renz, CDU: Richtig! Sind Sie dafür?)

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut! – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

… die von einem erhöhten Finanzbedarf von Kindern ausgeht. Aber der Veredlungsfaktor Kind berücksichtigt die demografische Entwicklung unserer Meinung nach nicht in ausreichender Weise,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

denn auch gerade die Älteren stellen zunehmend eine Belastung für die Kommunen dar.

(Vincent Kokert, CDU: Aber denen nehmen wir ja nichts weg.)

Nee, aber wir tun auch nichts für sie.

(Vincent Kokert, CDU: Nein, das ist doch Quatsch! – Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Das sollte ein Ansatzpunkt sein, über den wir nachdenken, denn gerade hier werden auf die Kommunen steigende Belastungen dazu kommen. So viel dazu.

Meine Damen und Herren, jetzt haben wir noch eine weitere Anmerkung.