Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, im Oktober haben wir bei der Aussprache zum Thema Impfschutz den Grundstein für diese gemeinsame Aktion, diesen gemeinsamen Antrag „Prävention stärken – Kampagne für das Impfen“ gelegt. Wir konnten uns mit großem Einvernehmen dahinter versammeln. Und es ist uns gelungen, mit diesem Antrag die Bestandteile aus der Aussprache zu formulieren, die einzelnen, ich will jetzt nicht sagen, Befindlichkeiten, aber Gedanken darin aufzunehmen, das Spektrum auch wesentlich zu erweitern.

Lag der Fokus zuerst eigentlich auf Kindern, so wurde doch die Perspektive weit aufgemacht, und wir haben jetzt alle Altersgruppen hier mitbedacht, weil wir ja festgestellt haben, dass die Impfrate bei Kindern eigentlich die allergrößte ist und im weiteren Lebensverlauf eher die Schwachstellen eintreten. Nicht umsonst hat der Minister Glawe eben auch schon ganz konkret einige Punkte angesprochen, wie zum Beispiel Wundstarrkrampf oder auch, wie man das sonst immer so schön nennt, Tetanus. Insbesondere die Seniorinnen und Senioren, die mir ein persönliches Anliegen waren – das hat Herr Ehlers vorhin schon genannt –, kommen hier explizit drin vor.

Ganz wichtig ist für die Fraktion der SPD in der Tat, dass es hier um die Sensibilisierung der Menschen geht, um die Sensibilisierung, ihre Eigenverantwortung wahrzunehmen, aber auch die Verantwortung für andere, indem sie dafür sorgen, dass sie sich nicht nur selber vor Er

krankungen schützen, sondern auch die Menschen, mit denen sie verkehren, vor Ansteckung bewahren. Daher ist dieser Antrag eine runde Sache, die Argumente sind ausgetauscht. Selbstverständlich werden wir dem Antrag zustimmen, es wäre ja auch paradox, das nicht zu tun. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, und ich gehe davon aus, dass wir hier eine fast einstimmige Entscheidung haben werden. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Bernhard Wildt, BMV)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst etwas zu dem Sachverhalt, dass hier mehrere Fraktionen unterschrieben haben und diesen Antrag tragen: Also, wir sind ja Miteinreicherin dieses Antrags und selbstverständlich unterstützen wir das. Es ist eigentlich eine gute Sache, dass wir uns zunächst in einer Aussprache verständigt haben, wie sehen wir den Sachverhalt, was spielt hier eine Rolle, was wäre zu bedenken, und daraus ein Antrag erwächst.

Nun zu Ihnen, Herr Professor Dr. Weber: Sie haben ja beklagt, dass Sie da nicht mit draufstehen. Wir von den LINKEN möchten mit Ihnen keine gemeinsame Sache machen. Dafür haben wir gute Gründe.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Stalinismus und Ideologie.)

Das hat nichts mit Stalinismus zu tun. Von dem Stalinismus haben wir uns ganz deutlich im Dezember 1989 und danach viele Male wieder entschieden abgewendet, haben uns bei der Bevölkerung entschuldigt, haben unsere Lehren daraus gezogen.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Womit Sie hier hantieren, das ist eine Ideologie aus den 30er-Jahren, Herr Professor Dr. Weber.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist eine infame Unterstellung. – Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Nein, ich unterstelle Ihnen nichts. Wir haben ein ganz unterschiedliches Menschenbild. Und weil wir ein unterschiedliches Menschenbild haben, haben wir auch keine Zielidentität. Für uns sind alle Menschen gleich. Sie unterscheiden, Sie haben eine Ideologie von Biodeutschen. Das ist rassistisch. Herr Professor Dr. Weber, Sie sind ein Rassist.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Oha!)

Das ist das Problem.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Deswegen machen wir mit Ihnen keine gemeinsame Sache. Das muss ich in aller Härte sagen. Wir scheren nicht alle über einen Kamm. Gestern habe ich hier ganz deutlich auch andere Worte gefunden für Kollegen in Ihrer Fraktion. Wir differenzieren sehr.

(Der Abgeordnete Christoph Grimm bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Aber, Professor Dr. Weber, was Sie hier an diesem Rednerpult sagen und inwiefern Sie Menschen gegeneinanderstellen, das ist ein deutlicher Unterschied zu unserem Menschenbild, zu unserem Verständnis.

(Zuruf von Christoph Grimm, AfD)

Das möchte ich nicht mit Ihnen diskutieren. Ich habe mich an Professor Dr. Weber gewandt.

Jetzt würde ich gern in der Sache …

(Beifall Torsten Renz, CDU – Dr. Ralph Weber, AfD: Wir stellen nicht Menschen gegeneinander, wir stellen unser Volk voran. – Zurufe von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Sie können gern noch reden, Herr Grimm. Wir können uns da gern weiter auseinandersetzen, aber hier geht es, natürlich, hier geht es um Menschlichkeit, hier geht es um ethische Fragen und zu Recht haben Sie das aufgerufen. Es ist gut, dass wir hier deutlich machen können, wer wessen Geistes Kind ist, ganz klar.

Ich drücke mich aber nicht. Herr Grimm, wenn Sie möchten, am Ende meiner Rede.

Ich möchte gern darauf verweisen – es ist hier von Herrn Ehlers bereits gesagt worden und auch von anderen Rednerinnen und Rednern damals in der Aussprache –, wir haben eine große Impfrate und eine erfreulich große Impfrate in Mecklenburg-Vorpommern bei Kindern und Heranwachsenden zu verzeichnen. Insbesondere bei Kinderlähmung, Diphtherie, Keuchhusten, Wundstarrkrampf sind es 93 bis 97 Prozent Impfrate. Wenn man dann aber weiterschaut und die Kinder heranwachsen – erfreulicherweise gibt es eine ganze Reihe von Kleinen Anfragen aus unserer Fraktion, die in der Zeitfolge mal schauen, wie sich die Impfrate weiterentwickelt –, dann ist festzustellen, dass bei der Auffrischungsimmunisierung,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Da ist Nachholbedarf.)

also bei der Nachimpfung, Frau Kollegin Oldenburg hat dazu regelmäßig nachgefragt, wir haben jetzt gerade auch Frischzahlen auf dem Tisch, die Impfrate bereits bei der ersten Auffrischung erschreckend absinkt in Sachen Krankheitsbild Kinderlähmung. Herr Minister Glawe hat ja auch darauf Bezug genommen. Da ist eben festzustellen, dass bei der ersten Auffrischung dann nur noch 10 Prozent der Heranwachsenden diese Impfung durchgeführt haben im Schuljahr 2014/2015 und ein Schuljahr später 2015/2016 nur noch 5,3 Prozent. Auch das ist aus unserer Sicht ein Beleg dafür, dass eine solche Kampagne notwendig ist.

Wir haben, als wir diesen Antrag verabredet haben und uns ausgetauscht haben über den Inhalt dieses nun vorliegenden und von uns mitgetragenen Antrags, auf zwei Dinge als LINKE Wert gelegt. Wir wollten es nicht nur auf die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen beschränkt sehen, sondern wollten insbesondere auch die Seniorinnen und Senioren miteinbinden oder, besser

gesagt, mit in den Blick nehmen, wenn es um diese Kampagne geht, da gerade die Immunisierung von Seniorinnen und Senioren zu wünschen übrig lässt und wir hinsichtlich der Gefahren, Lungenentzündung im höheren Alter, etwas tun können, wenn rechtzeitig geimpft wird. Insofern wollten wir die Seniorinnen und Senioren mit in den Blick nehmen, wenn es um die Impfkampagne geht. Das ist ja auch aufgenommen worden in der Abstimmung zwischen den Fraktionen,

Ein Zweites wollten wir gerne noch mitaufnehmen, da wollte sich aber wahrscheinlich insbesondere die CDU nicht festnageln lassen. Wenn Sie sich erinnern können, in meinem Redebeitrag in der Aussprache hatte ich herausfordernd gesagt, was machen wir nun ganz konkret, welche Zielgruppen et cetera pp., und dann sprang der Fraktionsvorsitzende der CDU auf und sagte, ja, da machen wir eine Kampagne. Er hat dann auch mit sehr konkreten Zahlen agiert, das fand ich toll. Er hat gesagt, diese Kampagne sollte einen Umfang von 300.000 Euro haben. Insofern haben wir die Abstimmung miteingebracht und haben gesagt, zumindest in die Begründung sollte rein, dass hier 300.000 Euro schon mal diskutiert worden sind, aber da wollten Sie offensichtlich jetzt nicht mehr ran.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Aus dem Strategiefonds kann man das nehmen.)

In der Dimension denken wir, weil das ganz einfach notwendig sein wird. Wir gehen mal davon aus, dass wir in der Dimension dann, um auch wirksam sein zu können, diese Kampagne entsprechend fahren werden. Das ist das, was ich gern zu unserer Beteiligung an diesem Antrag und zu unserer Positionierung an diesem Antrag sagen wollte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Bernhard Wildt, BMV)

Für die Fraktion BMV hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Weißig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Gäste! Ich freue mich wirklich sehr, dass wir bei diesem wichtigen Thema fraktionsübergreifend Handlungsbedarf sehen. Oder, Herr Grimm und die AfD, führen Sie sich wieder vorgeführt?

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Dann nehme ich natürlich fraktionsübergreifend zurück, ja?!

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Die BMW, die BMV-Fraktion als eine der Miteinreicher

(allgemeine Heiterkeit – Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sollten uns auf BMW einigen.)

stimmt natürlich dem Antrag zu, denn die Notwendigkeit einer Durchimpfung der Bevölkerung wird nicht geringer, weil die größten Killer ausgerottet gelten. Die Natur ist da erfinderisch und vielleicht muss man sich einmal drastisch vor Augen halten, was so ein Killer mit einer ungeschützten Bevölkerung anstellen kann.

Im Mittelalter tötete die Beulenpest 25 Millionen Menschen, etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas. Im 16. Jahrhundert starben mindestens 8 Millionen Indianer an aus Europa eingeschleppten Krankheiten, vor allem an Pocken. In den Jahren 1918 bis 1920 erkrankten 500 Millionen Menschen an der sogenannten Spanischen Grippe, 50 Millionen von ihnen starben. Es gibt die Killer, die jedes Jahr Zehntausende, Hunderttausende oder Millionen umbringen. Ich denke da an Malaria, Tuberkulose, Cholera oder Aids. Unbestritten haben die meisten Infektionen mangelnde Hygiene, ein dysfunktionales Gesundheitssystem oder verseuchtes Wasser als Ursache. Wer stirbt denn schon in Deutschland an Infektionen?

Meine Damen und Herren, allein 20.000 Menschen sterben hierzulande an der Grippe und Ähnlichem, wohlgemerkt jedes Jahr. Das Problem dabei ist – und darauf zielt auch der Antrag – die öffentliche Wahrnehmung. Ein Anschlag mit einem Dutzend Toten ist schrecklich, bestimmt aber die Nachrichten wochenlang. Ein Zug, der entgleist, ein Baum, der eine Gruppe Radfahrer erschlägt, eine Lawine, die drei Bergwanderer unter sich begräbt – solche Ereignisse finden sich verlässlich in den Abendnachrichten. Eine Grippeepidemie aber, an der 50, 100 oder 1.000 Menschen zugrunde gehen, lockt keinen Hund hinter dem Ofen vor. Hier liegt, so finde ich, ein merkwürdiges Missverhältnis. Den Terroranschlag kann nur der Staat verhindern, auch dem herabstürzenden Dachziegel oder dem ausbrechenden Automobil steht der Einzelne machtlos gegenüber. Gegen die Killer, die in seinen Körper eindringen, kann er sich hingegen selbst schützen. Es kostet nur einen Gang zum Arzt und einen kleinen Pikser. Das gilt es zu vermitteln.

Eine kleine Abschweifung zum Schluss. Ich habe mal ein bisschen recherchiert. Aus dem lateinischen Verb „imputare“, zu Deutsch „veredeln“, wurde das althochdeutsche „impfön“ und schließlich das „impfen“. Veredeln ist doch schön. Sorgen wir mit unserer Kampagne dafür, die Abwehrkräfte der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns zu veredeln. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV und Sebastian Ehlers, CDU)

Für die Fraktion der AfD hat das Wort Herr Grimm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was Herr Koplin hier soeben gesagt hat, erzeugt bei mir das Bedürfnis, darauf noch mal kurz einzugehen. Ich glaube, wenn mein Fraktionskollege Professor Weber hier coram publico als Rassist bezeichnet wird und das auch nicht irgendwie nur ansatzweise zurückgenommen oder relativiert wird, dann ist das ein trauriger Tiefpunkt der Diskussion, die wir hier heute geführt haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)