Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

(Thomas Krüger, SPD: Das heißt, Sie lehnen das ab?)

Komme ich gleich zu.

Über den Mindestlohn gehen wir mit Ihnen dʼaccord, wir brauchen einen Mindestlohn. Darüber hinausgehende staatliche Regelungen sollte man nach Möglichkeit vermeiden.

(Thomas Krüger, SPD: Aber das ist auch Mindestlohn.)

Deshalb sehe ich das Vergabegesetz, wo man eine Lohnhöhe festlegt, durchaus kritisch, weil ich dann ja noch eine zweite Lohnuntergrenze einziehe, die oberhalb der ohnehin schon vorhandenen, durch den Mindestlohn determinierten liegt.

Im Grunde genommen spielen bei der Lohnhöhe die Nominallöhne auch nicht die entscheidende Rolle, sondern entscheidend sind die Reallöhne. Und hier kann der Staat tatsächlich tätig werden. Der Bund der Steuerzahler hat soeben errechnet, dass die volkswirtschaftliche Einkommensbelastungsquote in diesem Jahr bei voraussichtlich 54,6 Prozent liegen wird, so hoch wie noch nie. Das ist ein Rekordwert. Von jedem verdienten Euro bleiben also im Durchschnitt gerade mal etwas über 45 Cent in der Tasche des Arbeitnehmers. Dort sollte der Staat tätig werden. Ursachen sind die kalte Progression, die Kostensteigerungen im Sozialsystem, die Folgen der Finanzierung der Energiewende, die Haushaltsabgabe zur Unterhaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und so weiter und so weiter.

In Mecklenburg-Vorpommern haben wir mittlerweile die höchsten Strompreise der Welt. Wir haben Dänemark überholt.

(Thomas Krüger, SPD: Aber wir haben auch einen liberalisierten Markt, wo sich jeder einen neuen Anbieter nehmen kann.)

Andererseits haben wir in Mecklenburg-Vorpommern die niedrigsten Nominallöhne aller 16 Bundesländer, wir haben aber trotzdem die höchsten Strompreise. Das beißt sich meines Erachtens ein bisschen, man sollte dann eher dort etwas zurückhaltender sein mit einer Politik, die zu weiteren Kostensteigerungen im Stromsektor führt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Das hat die vergangene Bundesregierung ja gemacht, wie Sie festgestellt haben. Deswegen sinken ja jetzt die Netzentgelte.)

Ich will gar nicht alles schlechtreden, ich möchte das nur …

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Einen Moment! Einen Moment!

Herr Schulte, kommen Sie, stellen Sie Ihre Frage!

Wir sind in der Aktuellen Stunde. Das ist eine Kurzdebatte, der Redner hat zehn Minuten.

Ach so, okay.

Bitte! Meine sehr geehrten Herren, jetzt habe ich das Wort.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Ich habe Sie nicht verstanden, okay.

Herr Obereiner, einen Moment! Ich glaube, hier ist man meinen Hinweisen noch nicht gefolgt. Es ist eine Kurzdebatte, jeder Redner hat zehn Minuten. Ich bitte, das auch in der Zwischenruflänge zu berücksichtigen.

Jetzt können Sie fortfahren, Her Obereiner.

Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent greift derzeit bereits beim 1,3-Fachen des Durchschnittseinkommens eines Vollzeiterwerbstätigen. Am Anfang der 60er-Jahre griff der mal beim 28-Fachen des Durchschnittseinkommens. Wir haben also eine erhebliche Mehrbelastung gerade des Mittelstandes durch das vorhandene Steuersystem. Das ist natürlich eine Folge der Politik der letzten Jahre, klar. Wer soll dafür sonst verantwortlich sein? Das sehen wir sehr kritisch und das ist auch fragwürdig.

Hinzu kommen weitere Steigerungen etwa bei der Gewerbe-, bei der Grundsteuer für die Unternehmen. Auch das verbessert die Wettbewerbsfähigkeit nicht. Wenn man die Reallöhne erhöhen sollte, denke ich, sollten wir etwa im Bildungssystem ansetzen, in Humankapital investieren, natürlich auch in die Infrastruktur, in die Digita

lisierung. Das, denke ich, bringt mehr, als wenn man staatlich administriert weitere Lohngrenzen in das System einzieht, etwa durch ein Vergabegesetz, zumal man ja dort auch nur die Lohnabhängigen greift. Einen Freelancer etwa oder ein 1-Personen-Unternehmen erwischt man damit ja gar nicht.

(Thomas Krüger, SPD: Also sind Sie gegen Lohnsteigerungen.)

Nein, wir sind dafür. Wir sind nur für eine Politik, die dazu führt, dass die Löhne tatsächlich steigen, und wir wollen das nicht nur ins Schaufenster stellen, wie Sie das machen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Andreas Butzki, SPD: Vorschläge! Vorschläge!)

Dazu komme ich jetzt.

Die Verbesserung der Situation der Lohnabhängigen, wie gesagt, im Bildungssystem könnte man dort ansetzen. Bei den Wissenschaftlern in Mecklenburg-Vorpommern haben wir in den MINT-Wissenschaften mit 27,6 Prozent den zweitniedrigsten Anteil aller Bundesländer. Ich denke, da lässt sich durchaus etwas tun, etwa auch durch die Ausweitung dualer Studiengänge und Ähnliches. Die Standortpolitik, Digitalisierung, Infrastruktur, Investitionen in Humankapital habe ich genannt. Ich denke, das ist der bessere Ansatz, wenngleich ich Ihr Anliegen natürlich honorig und auch als in die richtige Richtung weisend betrachte, nur die Wahl Ihrer Mittel, die können wir halt nicht teilen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Das Wort hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Titel ließ vermuten, dass es natürlich gemeinsam in der Koalition um die Einigung im Vergabegesetz ging, ein gut gewählter Titel. Ich denke mal, dass wir in diesen Arbeitsgruppen, die darüber verhandelt haben, auch ein respektables Ergebnis erzielt haben.

(Andreas Butzki, SPD: Das stimmt.)

Mecklenburg-Vorpommern hat fortan im Bundesländervergleich den zweithöchsten Vergabemindestlohn, und es ist auch kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass CDU und SPD bei den Themen Vergabe und Tarifautonomie oder Tarifbindung nicht immer deckungsgleiche Wege, aber ein gemeinsames Ziel hatten. Mit dem Entwurf dieses Vergabegesetzes ist uns ein, denke ich mal, verantwortungsvoller Kompromiss gelungen.

Ich danke an dieser Stelle – und das möchte ich vorab tun – allen Beteiligten, den Arbeitsgruppen, auch meinem Kollegen Herrn Schulte, vielen Dank dafür, den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und nicht zuletzt auch dem Chef der Staatskanzlei, der zurück in die Justiz wechselt, Herrn Dr. Frenzel.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Mecklenburg-Vorpommern ist ein gutes Stück vorangekommen. Ich nenne beispielsweise die Halbierung der Arbeitslosigkeit, ich nenne den ziemlich rasanten Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Auch bei den Lohnsteigerungen haben wir Zuwächse geschafft. Wir haben im Vergleich zum letzten Jahr und im Vergleich zum Bundesschnitt ein Wachstum bei Löhnen und Gehältern von 3,5 Prozent, im Bundesschnitt sind es 2,5 Prozent. Und ja, es ist richtig, dass man dann auf diese Entwicklung bei der Entlohnung für öffentliche Aufträge reagieren kann. Es wird richtig sein, dies auch hinsichtlich der Wirtschaftsförderung zu machen. Auch hier sind wir auf einem guten Weg.

Erfreulich war auch die Kommentierung der Ergebnisse der Kabinettsvorlage seitens der Tarifpartner. Die Gewerkschaften haben unsere Idee begrüßt und die Wirtschaftsverbände sprachen von einer Orientierung an leistungsgerechten Tarifverträgen der betroffenen Branchen. Diese doch maßvolle Bewertung beider Seiten hat mich gefreut. Das spricht für einen gelungenen Kompromiss.

Meine Damen und Herren, wir wollen vorankommen und wir sind in den letzten Jahren gut vorangekommen. Mit dem Blick auf den Titel der heutigen Aussprache warne ich jedoch vor Selbstüberschätzung. Richtig ist, wer vorankommen möchte, sollte beizeiten auch mal auf die Überholspur wechseln. Wer aber auf die Überholspur wechselt, sollte sich vorab mit den Regeln der Straßenverkehrsordnung vertraut gemacht haben.

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

Um im Sprachbild der heutigen Aktuellen Stunde zu bleiben: Die grundsätzliche Ordnung für höhere Löhne legt die Politik nur in überschaubarem Maß fest. Sicher, es gibt das Mindestlohngesetz, aber auch hier wird die Höhe des Mindestlohns erst auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert. Alles andere, etwa die Ergebnisse bei den Branchentarifverträgen, wie sie in Mecklenburg-Vorpommern diesen Herbst bei den Gebäudereinigern oder beim DEHOGA-Bereich erzielt wurden, liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Landesregierung. Im Zuständigkeitsbereich der Landesregierung liegt, wie gesagt, die Vergabe öffentlicher Aufträge. Aber auch hier tun wir gut daran, nicht schneller zu sein als vorgeschrieben.

Ich nenne Ihnen als Beispiel für eine solche Ordnungswidrigkeit den von der Fraktion DIE LINKE geforderten Mindestlohn, der für die unterste Entgeltgruppe des öffentlichen Dienstes 10,09 Euro forderte – in Ihrem Gesetz, was Sie vorgelegt haben. Kurz nachdem DIE LINKE uns diesen Vorschlag in Form einer Gesetzesinitiative vorgelegt hatte, einigten sich die Gebäudereiniger auf den Mindestlohn von 9,55 Euro. Sie wissen, dass es sich um eine Branche handelt, die in besonderer Weise auf öffentliche Auftragsvergabe angewiesen ist. Wären wir also dem Vorschlag der LINKEN gefolgt und auch der Intention, die Sie mit Ihrer PI auf den Weg gebracht haben, dass Ihnen das alles zu langsam geht, hätten wir diese Tarifeinigung unterminiert. Wir hätten widrigerweise in die von Tarifparteien festgelegte Lohnordnung eingegriffen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Quatsch!)

Wären wir diesem Vorschlag von Ihnen gefolgt, dann wäre dies einem Eingriff in die Tarifautonomie, die Koalitionsfreiheit, auch die negative Koalitionsfreiheit, und die

Vertragsfreiheit gleichgekommen, und zwar nur, weil wir der Auffassung gewesen wären, so noch schneller ans Ziel zu kommen. Ich warne hier vor einseitigen Orientierungen an Gewerkschaftsinteressen. Wir müssen die Interessen aller Seiten des Landes berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, Überholspur, Wettbewerbsfähigkeit, höhere Löhne – ich teile den Wunsch, der diesen Worten innewohnt. Wenn ich es mir wünschen könnte, dann hätten wir in allen Branchen Lohnsteigerungen, wie die Landesregierung sie dem Parlament im Vergabegesetz vorschlagen wird. Eine Wunschvorstellung allein ist aber ein schlechter Ratgeber für ein politisches Überholmanöver, denn wenn ich mir 200 PS wünsche, heißt es noch lange nicht, dass ich diese auch unter der Motorhaube habe. Es ist erkennbar, dass solchen politischen Wunschmanövern ein schlimmes Ende innewohnen kann. Was nutzt es mir, wenn wir einen volkswirtschaftlich orientierten Vergabelohn willkürlich und ideologisch, politisch einseitig festlegen? Es muss allemal bezahlbar sein, damit wir nicht die Unternehmen und die Arbeitsplätze gefährden.

Wie ist es denn in Mecklenburg-Vorpommern? Der Motor für die tolle Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern ist die Wirtschaft. Ich wünsche mir da oftmals ein wenig mehr Wertschätzung, und nicht nur dann, wenn man von guten Zahlen berichten kann. Wir brauchen also eine Wertschätzung der unternehmerischen Leistung, der Verantwortung und auch des Risikos, das dieser Leistung innewohnt. Der Unternehmer schafft Arbeitsplätze und volkswirtschaftlich ist die Arbeit ein Produktionsfaktor. Die Erhöhung der Löhne und Gehälter ist abhängig vom Erzielen der Produktivitätssteigerung beziehungsweise vom Ausgleich durch den Inflationsausgleich. Die Wirtschaft muss in die Lage versetzt werden, diese Produktivitätssteigerung erzielen zu können.

Das ist die Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen derart zu beeinflussen, dass Wirtschaft dies kann. Die Politik kann Rahmenbedingungen wie die Vergabe öffentlicher Aufträge bei der Wirtschaftsförderung setzen. Ich warne hierbei aber vor einem Übersteuern. Es stimmt, die Lohndifferenz zwischen den neuen Bundesländern und Westdeutschland muss weiter abgebaut werden. Aber diese Differenz drückt sich ja nicht nur in den Löhnen aus, sie drückt sich sehr wohl auch in den Lebenshaltungskosten aus. Wer in Parchim, Neubrandenburg und Grevesmühlen Löhne wie in Hamburg bekommen möchte, der darf die Lebenshaltungskosten, die Miete et cetera nicht außer Acht lassen.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Auch wenn es regional – Herr Krüger und Herr Wildt, ich weiß, Sie haben das beim letzten Mal angemerkt –, auch wenn es regional Zuspitzungen gibt, sind es meist regionale Fehlentwicklungen, aber nicht die allgemeinen.

Warum führe ich das eigentlich aus, warum führe ich überhaupt die Lebenshaltungskosten an? Die führe ich deswegen an, weil sie bei der Suche nach einer rechtssicheren Vergabe von Mindestlohn sehr wichtig sind. Es gibt gutachterliche Expertise, die besagt, dass die Höhe des Vergabemindestlohns umso angreifbarer wird, je stärker die Steigerung im Vergleich zum bundesweit festgelegten Mindestlohn ist. Nehmen wir an, wir wären dem Beispiel aus Schleswig-Holstein gefolgt, ein Gesetz, das meines Erachtens – Herr Schulte hat es angespro