Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

„Die ich rief, die Geister Werd ich nun nicht los.“

Es ist zwar die gleiche Ballade, aber was solls. Es könnte sogar sein, dass die Tagesordnungen der Plenarsitzungen bis zum Ende der Legislaturperiode mit jeweils einer anderen Tier- oder Pflanzenart angereichert werden könnten, die in der Neuzeit eingewandert sind, ausgesetzt oder eingeschleppt wurden, aber, meine Damen und Herren, das ist ja nicht die Frage, denn vor 12.000 Jahren, als hier noch 3.000 Meter Eis lagen, also nicht nebeneinander, sondern übereinander, seitdem sind ja fast alle Pflanzen und Tiere, die hier leben, Neozoen und Neophyten.

Neben Waschbär, Marderhund und Mink könnten wir also auch über, wenn wir jetzt in der Neuzeit bleiben, die Chinesische Wollhandkrabbe, seit 1912 hier heimisch, die Biberratte, auch als Nutria bekannt, die Bisamratte, seit 1905 hier, das Kanadische Grauhörnchen, seit 1930, den Halsbandsittich – übrigens gibt es in Südwestdeutschland fast 30.000 Exemplare, die mittlerweile die Städte für sich erobert haben und vorzugsweise in Polystyrolschaumplatten der modernen Heizungsdämmung wohnen –,

(allgemeine Unruhe)

die Gartenameise, die Körbchenmuschel, …

(Glocke der Vizepräsidentin)

Ich hoffe, Sie haben mich nicht gemeint damit?!

… den Ochsenfrosch und die Pazifische Auster und so weiter reden. Vielleicht zeigen aber auch einige Kollegen Interesse an der Rippenqualle, der Asiatischen Tigermücke, der Zitterspinne, die wir mittlerweile fast alle in unseren Haushalten haben,

(Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE: Also, Wolfgang, so nicht. – Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, Wolfgang, hör auf! – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

der Kräuseljagdspinne, …

Doch, doch, doch! Auch du hast sie!

… dem Asiatischen Marienkäfer, der übrigens mal mit der Hoffnung eingeführt wurde, Schädlinge zu bekämpfen, aber jetzt mittlerweile Jagd auf den heimischen Siebenpunkt macht – der Siebenpunkt, der im Sächsischen ja so niedlich Motschekiebchen heißt, nicht wahr, Peter? –,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, das ist regional unterschiedlich.)

der Afrikanischen Nilgans, dem Asiatischen Karpfen, einer der 100 gefährlichsten Neobiotiker auf der entsprechenden Liste. Aber dann sollten wir auch den Mut aufbringen, in Kürze noch mal über den Nandu zu reden,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

uns dem Jagdfasan zu stellen, dem Damhirsch, der Gottesanbeterin, dem Sikahirsch, dem Mufflon oder der Rosskastanienminiermotte, die immerhin seit 1994 mit den Bundeswehrsoldaten aus dem Kosovo verstärkt eingeschleppt wurde, den Waschbärspulwurm und den Holzbohrwurm nicht zu vergessen, wie auch zehn Prozent der heute hier vorkommenden Pflanzenarten wie Ambrosia und Riesen-Bärenklau.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Die ganzen Vögel. – Egbert Liskow, CDU: Thema!)

Meine Damen und Herren, das Ganze würde aber dem Ernst der Problemlage nicht gerecht, die wir heute zunehmend mit Neozoen oder Neophyten haben, für die heute die drei genannten invasiven Tierarten stellvertretend herhalten müssen. Als invasiv gelten allochthone Arten, also fremdstämmige Arten, welche die autochtho

ne, die einheimische Biodiversität gefährden. In Deutschland rechnet man dazu – Frau Schlupp hat eine andere Zahl angegeben, aber die Zahlen ändern sich ja auch von Jahr zu Jahr – circa 300 Arten, invasive Pflanzen nicht mitgezählt.

Dabei gibt es auch Gefahren für die menschliche Gesundheit, und da bin ich sehr dankbar, dass vorhin bereits darauf hingewiesen wurde. Menschliche Gesundheit ist gerade durch die invasiven Arten gefährdet, über die wir viel zu selten reden. Die aktuelle Entwicklung wird durch den industriell beschleunigten Klimawandel, die Globalisierung mit weltweitem Austausch von Waren und Gütern sowie durch den Tourismus begünstigt, aber auch durch Unkenntnis, Fahrlässigkeit und mit Blick auf den Tierschutz auch durch kriminelles Handeln. Ich halte das alles für hochgefährlich, mindestens aber doch für bedenklich.

Neben Tieren und Pflanzen, die unbeabsichtigt durch Transporte und zufällig als blinde Passagiere mitgebracht werden, gibt es auch jene, die der Mensch mit Absicht aus einem fremden Habitat in ein anderes Ökosystem bringt. Das scheint eine der großen Herausforderungen für unsere einheimische Flora und Fauna zu sein. Eigentlich sollten Exoten, also gebietsfremde Arten, nicht in die freie Natur gelangen. So steht es jedenfalls im Bundesnaturschutzgesetz. Wer sein lästig gewordenes Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk – wir sind gerade wieder in einer solchen Phase – in die Freiheit entlässt, völlig egal, ob Vogelspinne, Fisch oder Schlange, muss mit einem Strafverfahren rechnen, aber es ist höchstunwahrscheinlich, dass jemand, der so handelt, auch dabei erwischt wird.

Kommen wir zu Mink, Waschbär und Marderhund: Zu den Tieren ist bereits einiges gesagt worden, ich möchte deswegen nicht vieles wiederholen. Allerdings ist es, gerade was den Mink anbetrifft, klar, dass eine Bekämpfung in Deutschland allein völlig aussichtslos ist, denn dieses Tier ist in Europa großräumig so weit etabliert, dass es sofort wieder mindestens über Polen einwandern würde. Ähnliches ist auch beim Waschbären zu sagen, der mal als niedliches Knuddeltier für ein gutbürgerliches Zuhause eingeführt wurde. Das ist übrigens auch eins dieser Probleme bei der Behandlung solcher Sachverhalte: Wenn die Tiere Fell oder Federn haben und nicht mehr als vier Beine, dann nimmt man sie gerne an und dann wird es auch mit positiven Gefühlen belegt. Aber wehe, es hat kein Fell oder keine Federn und mehr als sechs Beide, dann ist es ganz schlimm. Dabei müssen die gar nicht so schlimm sein, für die Natur jedenfalls nicht.

Was den Waschbären anbetrifft, der in der Nähe des hessischen Edersees ausgesetzt wurde, ist für uns eine Sache vielleicht besonders interessant, wenn es um die Gefahren für unsere Umwelt geht. Mit drei Zahlen, die die Dynamik der Entwicklung aufzeichnen sollen, möchte ich da aufwarten: 1956 wurde der Bestand in der alten Bundesrepublik auf ungefähr 285 Tiere geschätzt – 285! Im Jahre 1970 waren es bereits über 20.000 Tiere und im Jahre 2005 wurde eine niedrige bis mittlere sechsstellige Zahl geschätzt. Wir gehen heute davon aus, dass allein diese Population pro Woche 10.000 Tonnen hochwertige Nahrung zu sich nimmt. Wo sie die hernimmt, wollen wir jetzt besser nicht fragen. Wir haben bei einer Exkursion in die Altmark mit Studenten Befragungen durchgeführt und es gab sogar den Fall, dass von betreffenden Familien Waschbären beobachtet wurden, die in die Häuser

eingedrungen sind. Ein Waschbär war so clever, dass er sogar den Kühlschrank öffnen konnte.

(Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE: Solange er sich dann nichts gebraten hat. – Heiterkeit bei Ministerin Stefanie Drese)

Da ist es nicht einfach nur die Frage, dass diese Tiere irgendwie lästig werden oder dass sie möglicherweise eine Gefahr durch die Übertragung von Krankheiten darstellen, sondern gerade was den Waschbären betrifft, handelt es sich offensichtlich um ein hochintelligentes Tier. Bei all den Darstellungen, die wir im Internet finden, geben wenige nur die ostdeutsche Waschbärpopulation an, die im Jahre 1945 durch einen Bombentreffer in Strausberg bei Brandenburg, im brandenburgischen Strausberg, freigesetzt wurde. Das waren damals 14 Tiere, in der DDR relativ gut beschränkt entwickelt. Beide Populationen stellen übrigens genetische Flaschenhälse dar, die für die Forschung höchst interessant sind. Ich will das hier nicht weiter ausführen.

(Torsten Renz, CDU: Schade!)

Beim Marderhund hingegen …

Ja, wir machen das dann lieber im kleinen Kreise Hochinteressierter.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Im kleine Kreise lässt sich dann auch über den Marderhund trefflich reden, der schon vor dem Zweiten Weltkrieg mit rund 10.000 Tieren in der Ukraine angesiedelt wurde. Wir haben die Existenz dieser Tiere in Europa gewissermaßen der Bequemlichkeit russischer Pelztierjäger zu verdanken oder wir müssen das Ganze ausbaden. Im Krieg geriet die Population außer Kontrolle und seit 1960 sind diese Tiere auch in Deutschland zu finden. Und er wird bekämpft, er wird bekämpft: Allein 2015 in MecklenburgVorpommern, in Brandenburg sind knapp 15.000 Tiere erlegt worden. Allerdings war die Staupe von 2007/2008 effektiver. Vielleicht ist das ein Hinweis auf Bekämpfungsmöglichkeiten, aber wollen wir mal nicht so gemein sein.

Meine Damen und Herren, nach so viel Problemaufriss komme ich nun doch noch zum Antrag. Da kann ich es kurzmachen: Eigentlich hätte es gereicht, diesen Antrag zur Selbstbefassung im Agrarausschuss zu stellen. Ich hoffe, da landet er auch, damit wir nicht mehrmals das gesamte Hohe Haus ständig mit solchen konkreten Einzelproblemen belästigen müssen. Meine Fraktion könnte sich gut vorstellen, zur Problematik der Neozoen und Neophyten auch eine öffentliche Anhörung stattfinden zu lassen, um die Problematik zu vertiefen und den Punkt II des Antrags zu erfüllen.

Ganz nebenbei ein privater Werbeblock: Der Deutsche Verband für Angewandte Geographie wird im Sommer zu dieser Problematik eine wissenschaftliche Veranstaltung durchführen. Kommen Sie auf meine Seite, lassen Sie sich einladen!

Wir als Fraktion stimmen jedenfalls dem Antrag zu. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Andreas Butzki, SPD: War nun doch eine Vorlesung. War nun doch eine Vorlesung.)

Jetzt hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heydorn.

(Minister Mathias Brodkorb: Los, mach den Mink fertig!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Bei diesem Antrag schlagen schon zwei Seelen in meiner Brust. Also, ich finde es wichtig, dass wir diese Themen hier im Landtag aufrufen und uns damit beschäftigen. Auf der anderen Seite – ich bin selber Jäger – kenne ich die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, wenn man quasi mit jagdlichen Methoden diesen Arten wirklich hinterhergehen will.

Ich meine, wenn man sich die Rede von Herrn Dr. Weiß noch mal vergegenwärtigt, dann drängt sich schon die Frage auf: Macht das alles überhaupt Sinn bei dem Ausmaß an invasiven Arten, die wir inzwischen bei uns in der Bundesrepublik haben, oder sind wir nicht an dem Punkt, wo wir nur noch resignieren oder kapitulieren können und sagen, das lassen wir laufen? Ich wäre nicht dafür, das laufen zu lassen, ich bin sehr dafür, dass man diese Themenfelder weiter untersucht und dass man nach Möglichkeiten und Methoden sucht, wie man das ein Stück weit machen kann.

Ich befürchte nur, letztendlich ist man da bei dem Thema Bejagung. Und wer das Thema kennt, der weiß, also mit dem Gewehr jetzt in den Wald zu gehen und Waschbären, Marderhunde und Minks zu jagen, das funktioniert nicht. Das funktioniert schon, manchmal kommt einer vorbei, den kann man dann auch erlegen, aber damit nimmt man letztendlich keinen Einfluss auf die Population. Das ist eine Form von vorweggenommener Mortalität, im Einzelfall aber völlig unbedeutend.

Wir haben, darauf ist der Minister auch eingegangen, mal einen Versuch gehabt in der Lewitz an den Fischteichen, dort waren die Leute aus Tharandt dabei – wie heißt er? Doktor …? –,

(Minister Dr. Till Backhaus: Stier.)

Dr. Norman Stier hat das Projekt geleitet und die sind da wirklich konsequent hergegangen und haben das mittels Fallen so weit zurückgedrängt, dass man sagen kann, das hat funktioniert und der Rückgang von bestimmten Arten, in dem Fall waren es im Wesentlichen Enten, war auch zu stoppen. Aber wer weiß, wie die Jagd in Mecklenburg-Vorpommern aufgestellt ist, der weiß, dass die Fallenjagd bei uns nur noch eine untergeordnete Bedeutung hat und nur noch von wenigen praktiziert wird.

Wenn wir im Rahmen unserer Untersuchung zu dem Ergebnis kommen, dass man die Fallenjagd deutlich intensivieren muss, muss man in dem Kontext natürlich die Frage beantworten: Wer macht das? Der Hobbyjäger wird das nicht hinkriegen, sondern dann muss man letztendlich bereit sein, denke ich, das Ganze auch finanziell entsprechend zu unterstützen und Strukturen hochzuziehen, die zumindest in den bestimmten Schwerpunktbereichen hergehen und versuchen, die Population der Neozoen, dieser drei Neozoen, die jetzt hier in Rede stehen, nachhaltig zurückzudrücken.

Sinnvoll ist es allemal, aber so, wie wir im Augenblick aufgestellt und verfasst sind, wird das nicht funktionieren. Das kann man erkennen, wenn man sich die Strecken

zahlen noch mal vergegenwärtigt, auch darauf ist der Minister eingegangen. Ich habe das nicht im Detail vorliegen, aber ich kann mich erinnern, das ist noch gar nicht so lange her, da haben wir beim Waschbären und auch beim Marderhund einstellige Streckenzahlen in Mecklenburg-Vorpommern gehabt. Wenn man sich das heute anguckt – das sind Tausende von Tieren, die inzwischen hier in Mecklenburg-Vorpommern erlegt werden –, dann kann man sich natürlich auch vorstellen, wie die Gesamtpopulation aussieht.

Ein Satz ist heute nicht gefallen: Wenn man sich diese Raubsäuger anguckt, reden wir über Neozoen, aber es gibt natürlich einheimische Raubsäuger, die den Tieren, also den Vögeln und anderem Niederwild auch noch nachstellen. Ob das der Dachs ist oder der Fuchs – das kommt als zusätzliche Belastung noch obendrauf.

Im Ergebnis kann man sagen, sinnvoll ist eine Reduktion dieser genannten Neozoen in jedem Falle. Man muss gucken, ob man Möglichkeiten etablieren kann, das auch wirksam zu machen. Und wenn das im Ergebnis des Antrages dabei rauskommt, dann haben wir ein bisschen was gekonnt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Faktion der SPD und Marc Reinhardt, CDU)

Für die Fraktion BMV hat jetzt das Wort der Abgeordnete Borschke.