Protokoll der Sitzung vom 26.01.2018

Wir haben eine Antwort darauf bekommen, die werden wir noch auswerten, aber Sie haben daraus gemacht, dass nur ein einziger geduldeter Ausländer in Mecklenburg-Vorpommern eine Ausbildung macht. Das meint Ausbildungsduldung nicht. Dem widerspricht zum Beispiel auch, dass die besten Azubis und Gesellen der letzten Jahre ganz häufig Jugendliche mit Migrationshintergrund sind. Also haben wir eine sehr gute Ausbildung. Sind Sie darauf neidisch? Neid, Neid ist nicht mutig, Neid zeugt von Feigheit!

Punkt 3 Ihres Antrages: Das Anforderungsniveau ist natürlich unterschiedlich. Der Innenminister hat Ihnen erklärt, was es alles gibt: A1, A2, B1, B2, C1 und C2. Das ist so ähnlich wie bei uns im Schulsystem. Dort gibt es die Berufsreife, dort gibt es eine Mittlere Reife und dort gibt es ein Abitur. Das ist gut, dass die Kinder entsprechend ihren Möglichkeiten, entsprechend ihren Fähigkeiten einen Schulabschluss erringen können.

Ist Ihr Mut zur Wahrheit etwa, dass Sie erwarten, dass ein Jugendlicher, der das absolut gute Zeug zur Berufsreife und einer anschließenden fundierten handwerklichen Ausbildung hat, erst mal eine Abiturprüfung ablegen muss?! Es ist sehr mutig, Jugendliche zu überfordern und damit dann auch noch öffentlich zu demütigen. Oder ist es Ihr Mut zu verdrängen, dass man in einem Kriegsland nicht gut lernen kann?! Ist es Ihr Mut, nicht zu verstehen, dass Hunger in den Herkunftsländern Bildung verhindert?! Finden Sie es mutig, Ihre eigene Wahrheit zu erfinden, obwohl Sie wissen, dass viele Schulen in den Herkunftsländern Geld kosten und dieses dort niemand hat?!

Die arabische und die persische Sprachfamilie ist eine völlig andere als unsere. Um Herrn Schneider zu antworten, ja, ich lerne gerade Arabisch und Persisch, denn ich kann nicht immer nur von anderen etwas erwarten. Und

stellen Sie sich vor, ich habe da etwas herausgefunden: In der Schriftsprache des Persischen werden die Vokale nur in der Grundschule gelehrt, danach werden sie durch Punkte und durch bestimmte Strichrichtungen einfach nur noch erlesen. Wie lange bräuchten Sie, um diese Fremdsprache zu lernen? Zwei Wochen, sechs Monate? Dann bitte ich Sie, seien Sie mutig und lernen Sie in sechs Monaten eine fremde Sprache in Wort und Schrift!

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Kann man.)

Seien Sie dann aber auch so mutig und begeben sich in dieselbe psychische Ausnahmesituation wie diese Menschen!

Seien Sie mutig und sagen Sie endlich die Wahrheit! Sie haben überhaupt keine Ahnung, wie die Sprachausbildung und die Integrationskurse in diesem Land laufen,

(Zurufe von Christoph Grimm, AfD, und Jens-Holger Schneider, AfD)

weil Sie überhaupt nicht da sind, weil Sie sich nicht um Geflüchtete kümmern, weil Sie nicht mit ihnen reden und weil Sie es auch gar nicht wollen.

Beschäftigen Sie sich endlich mit dem landesweiten IQ Netzwerk Mecklenburg-Vorpommern! Das ist das Netzwerk Integration durch Qualifizierung. Abgesehen davon wollten Sie sowieso im Dezember in der Haushaltsdebatte noch alle Mittel zum Erlernen der deutschen Sprache streichen lassen. Mehr ist zu Ihrem Antrag nicht zu sagen, wir lehnen ihn ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau FriemannJennert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte AfD-Fraktion, Sie scheinen sich für die Landtagsdebatten in dieser Woche intensiv mit der Wahrheit auseinandersetzen zu wollen.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Ja, das ist unser Anspruch.)

Das ist ja im Grunde ein gutes Anliegen.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Das ist unser Anspruch. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie fordern Mut zur Wahrheit bei der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern und beim Bildungsstand von Migranten. In beiden Fällen bleibt Ihr durchschaubares Wahrheitsbedürfnis allerdings im Ansatz stecken,

(Jens-Holger Schneider, AfD: Oha!)

denn es ist Ihre exklusive Wahrnehmung und Sichtweise.

(Jens-Holger Schneider, AfD: Oha!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns sicher alle einig darin, dass Bildung und Erlernen der deutschen Sprache zentrale Voraussetzungen für eine gelungene Integration sind. So steht es in der Koalitionsvereinbarung und so bildet es den Grundpfeiler der Integrationspolitik der Bundesregierung. Hier sind wir auf einem guten, jedoch ohne Frage verbesserungswürdigen Weg.

Für viele Zuwanderer, unabhängig davon, ob sie geflüchtet sind oder nicht, sind Sprachkurse oftmals die einzige Möglichkeit, Deutsch zu erlernen und zu trainieren. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge haben im Jahr 2016 deutschlandweit rund 340.000 Menschen an den sprachvermittelnden Integrationskursen teilgenommen. Weniger als die Hälfte der teilnehmenden Personen, nämlich 133.000, haben diese Kurse am Ende auch erfolgreich abgeschlossen. Diese Erfolgsquote ist sicher keine Bilanz, auf der wir uns integrationspolitisch in der Bundesrepublik ausruhen sollten. Im Gegenteil, Menschen, die zu uns kommen und hierbleiben dürfen und möchten, sollten schnellstmöglich Deutsch lernen, um für sich eine berufliche Perspektive zu entwickeln, ihre Kinder in der Schule zu unterstützen oder um sich einfach im alltäglichen Leben in Deutschland zurechtzufinden. Dafür hat sich meine Fraktion immer eingesetzt.

Auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes sowie der Integrationskursverordnung bietet der Bund Integrationskurse an, in welchen genau diese Sprachkompetenzen vermittelt werden. An die 600 vorgesehenen Stunden für Sprachkurse schließen weitere 100 Stunden Orientierungskurs an, in denen grundlegendes Wissen über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vermittelt wird. Die Zahlen über die zu geringen erfolgreichen Abschlüsse halten uns allerdings eindringlich vor Augen, dass wir die Qualität und die Effizienz der Kurse weiter verbessern müssen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Durch gezielte individuelle und flächendeckende Angebote müssen wir dazu beitragen, mit und durch Sprache die Integration von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu fördern – in sämtlichen Bildungseinrichtungen. Länder und vor allem der für Sprachkurse zuständige Bund müssen die ausgebauten Bildungs- und Sprachkurse gemeinsam weiter verstärken, damit möglichst viele Menschen das im Aufenthaltsgesetz vorgesehene Sprachniveau B1 oder im Idealfall B2 erreichen. Etwa ein Drittel schafft regelmäßig nur das Sprachniveau A2, das oftmals nicht für den Einstieg im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt genügt.

Hier müssen wir daher dringend ansetzen, vor allem durch bundespolitische Maßnahmen, da der Bund für die Sprach- und Integrationskurse zuständig ist. Mecklenburg-Vorpommern bietet als Land keine eigenen Sprachkurse mehr an. Eigene Sprachkurse hatte das Land nur kurzzeitig als Übergangsinstrument angeboten.

Noch mal: Die Zuständigkeit liegt beim Bund. Von der neuen Bundesregierung erwarte ich daher, dass wir regelmäßige und frühzeitige Sprachstandstests in Deutschland etablieren und weitere Maßnahmen zur frühkindlichen Sprachförderung vornehmen, die gleichwertige Bildungschancen schaffen. Parallel dazu müssen wir die Menschen gezielter genau dort fördern und abholen, wo sie sich befinden, gemeinsam mit Trägern, Vereinen und

Flüchtlingslotsen vor Ort auf kommunaler Ebene. Hierzu gehört auch Sensibilität für die oftmals komplizierte Lebenssituation der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, die sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, inhaltlich wirft der Antrag der AfD einige Fragen auf. In der Begründung begeben Sie sich auf die Suche nach den Ursachen für die steigerungswürdige Effizienz der Sprach- und Integrationskurse. Als Hauptgrund geben Sie enorme strukturelle Unterschiede zwischen der deutschen und der jeweiligen Sprache der meisten Teilnehmer an.

Diese Vermutung kann empirisch so nicht geteilt werden. In einer Anfang 2017 veröffentlichten Studie des Forschungsinstitutes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurde deutlich, dass individuelle Lernvoraussetzungen den Deutschkenntniserwerb maßgeblich beeinflusst haben. Dazu zählen der Bildungsstand oder auch vorherige Erfahrungen mit dem Lernen anderer Sprachen. An Sprachdifferenzen liegt es somit sicherlich nicht. Vielmehr spielt eine Rolle, ob die Kursteilnehmer weitere Möglichkeiten in ihrem persönlichen Umfeld vorfinden, erworbene Sprachkenntnisse anzuwenden.

Daneben mutmaßen Sie, dass soziokulturelle Gründe die Ursache für die unbefriedigenden Spracherfolge bei Migranten sind. Auch diese Annahme kann mit Blick auf die erwähnte Studie ganz eindeutig verneint werden. Auf den Deutschkenntniserwerb hat es nachweislich keinen Einfluss, ob der oder die Kursteilnehmer/-in einen Fluchthintergrund hatte. Geflüchtete oder Migranten aus anderen Staaten unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihres Deutschkenntniszuwachses im Integrationskurs. Somit hat die Bildungsheterogenität der Teilnehmer keinen Einfluss auf die jeweiligen Bildungs- und Spracherfolge. Diese Feststellung sollte hier auch noch einmal ganz klar betont werden.

Mit „Mut zur Wahrheit“ hat Ihre Antragsbegründung nichts zu tun. Um es zusammenzufassen: Für einen zügigen und effektiven Deutschkenntniserwerb sind eine gezielte individuelle Sprachförderung notwendig sowie eine alltagspraktische Sprachanwendung. Und, um es noch mal zu betonen, Bund und Länder müssen die Qualität und die Effizienz der angebotenen Kurse gemeinsam verbessern.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Meine Herren, neben diesen inhaltlichen Erwägungen, die eine Zustimmung zu Ihrem Antrag ausschließen, tragen Ihre Forderungen ebenso in formeller Hinsicht nicht durch. In Ziffer 1 Ihres Antrages fordern Sie, verlässliche Daten zu Bildungs- und Berufsabschlüssen von Asylbewerbern und Personen mit Bleiberecht zu erheben. Wie bereits erwähnt, bietet Mecklenburg-Vorpommern keine eigenen Sprachkurse an. Zuständig hierfür ist der Bund, der somit für die Einhaltung des Sprachniveaus in den Sprach- und Integrationskursen verantwortlich ist und darüber hinaus auch für Fragen der Evaluierung der Kurse infrage käme. Im Land wird der Bildungsstand bei Personen mit Bleiberecht in dem Moment erfasst, in dem sie sich bei der Bundesagentur arbeitslos melden, um Leistungen nach dem SGB II erhalten zu können. Für diese eingeschränkten Personenkreise führt die Bundesagentur – nicht das Land – eigene statistische Erhebungen durch.

Ihrem Antrag können wir aus diesen Gründen nicht zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Nadine Julitz, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die BMVFraktion muss diesen Antrag ablehnen. Es ist mehrfach ausführlich gesagt worden: Für den Antrag ist schlicht die Landesregierung der falsche Adressat. Manchmal überlege ich schon, ob man so eine Art Zulässigkeitsprüfung für Landtagsanträge einführen sollte. Aber gut, man kann über alles reden, und das ist mir noch mal wichtig, das wollte ich kurz erwähnen.

Natürlich ist es ein Problem. Wir haben Anfang des Jahres die Meldung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gehabt über diese speziellen Integrationskurse, die Sprachkurse, und dass diese weitgehend erfolglos sind. Über 80 Prozent schaffen nicht mal die Mindestqualifikation für eine Ausbildung oder für eine Helfertätigkeit. Das ist natürlich ein gravierendes Problem.

Im Grunde drehen wir uns im Kreis, es geht immer wieder um das gleiche Problem. Dahinter steckt eine wie bei vielen Problemen ähnliche Situation, dass eben Asyl mit Einwanderung verwechselt wird, dass die Einwanderungsvorschriften, die wir haben, nicht beachtet werden,

(Beifall Horst Förster, AfD)

dass normalerweise, wenn ich normale, also legale Einwanderung habe, ich natürlich auch Sprachkenntnisse nachweisen muss. Es sind die alten Themen, die Probleme, die hier immer wieder aufgrund der illegalen Einwanderung hochkommen. Aber speziell für diese Daten, die Datenerhebung – da muss ich dem Innenminister recht geben, es war auch gleich mein erster Gedanke, weil ich einfach die Meldung des Bundesamtes von Anfang des Jahres im Kopf hatte –, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zahlen, die alarmierenden Zahlen, und da ist ja nichts zu beschönigen, mitgeteilt, sodass wir auf diese Art und Weise mit dem Problem erst mal im Land nicht weiterkommen werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Julitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank an Herrn Minister Caffier für die ausführlichen Worte zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten. Da müssen wir gar nicht weiter drauf eingehen.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Sofern Personen mit Bleiberecht ein Zeugnis haben, legen sie das vor – das kann ich auch aus ganz persönlicher Erfahrung sagen –, denn sie sind daran interessiert, dass sie einen Beruf aufnehmen können. Diese Zeugnisse werden dann eingeschickt und an entsprechender Stelle geprüft. Insofern weise ich das zurück, dass man nicht verlässliche Daten dahin gehend hat.

Die Wahrheit ist, dass Sie eigentlich gar niemanden integrieren wollen. Ich habe viele fleißige Migrantinnen kennengelernt, die ganz eifrig die deutsche Sprache erlernen wollen, um sich integrieren zu können. Ich habe viele engagierte Freiwillige kennengelernt, die helfen, die Sprache zu vermitteln.

„Mut zur Wahrheit“ – Herr Schneider, vier Jahre an der FH Güstrow, ohne Abschluss, fünf Jahre Uni Rostock, ohne Abschluss, drei Jahre Ausbildung, ohne Abschluss. Das war ein Auszug aus dem aktuellen Handbuch des Landtages.