Protokoll der Sitzung vom 26.01.2018

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig! – Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Ganz wichtiger Punkt.)

Auf dem Dreesch wird Vietnamesisch, Russisch, Arabisch oder Persisch gesprochen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und Sächsisch.)

übergeordnete Sprache ist aber immer noch Deutsch.

Wenn Sie Sächsisch als Migrationshintergrund ansehen, Kollege Ritter,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

dann gebe ich Ihnen natürlich recht, auch Sächsisch wird auf dem Großen Dreesch gesprochen.

(Heiterkeit bei Andreas Butzki, SPD: Da sprechen ja zwei Einheimische miteinander.)

Hinzu kommt, dass unter Anerkannten auch viele Familien mit schulpflichtigen Kindern oder Kindern, die in die Kita gehen, sind, wodurch automatisch natürlich ein ganz anderer Zugang zur Aufnahmegesellschaft besteht. Von einer Segregation, auch sprachlich, kann hier aus unserer Sicht nicht ansatzweise die Rede sein. Deshalb sehe ich die Anwendbarkeit des Paragrafen 12a Absatz 4 Aufenthaltsgesetz nach wie vor für Schwerin als problematisch oder, anders ausgedrückt, als in der jetzigen Situation nicht notwendig an.

Die Ausländerbehörde könnte so etwas auch schlicht nicht begründen, zumal bei der Anwendung dieser Bestimmung in jedem Einzelfall eine umfangreiche und sehr zeitintensive Prüfung nötig wäre. Ihr Antrag ist also nicht ansatzweise dazu geeignet, Probleme zu lösen, die ich in der von Ihnen stark überzeichneten Form so auch nicht sehe. Stattdessen schüren Sie Ängste vor sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Aber wir wissen ja, dass bei Ihnen – diplomatisch gesprochen – ein Problem mit jeglichen Fremden herrscht, seien sie Deutsche oder Ausländer.

(Zuruf von Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Sie wollen selbst unseren deutschen Fußballweltmeister Boateng nicht als Nachbarn haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Meine Damen und Herren, nun möchte ich noch mal auf die Unterstützung des Landes für die Kommunen zurückkommen. Hier wird gemeinsam bereits vieles getan. Bei den Asylbewerbern und Duldungsinhabern erstatten wir als Land den Landkreisen und kreisfreien Städten grundsätzlich die notwendigen Aufwendungen für die Aufnahme und Unterbringung. Neben den Leistungen zum Lebensunterhalt werden auch Unterkunftskosten erstattet. Für die Schaffung und Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften können die erforderlichen Investitionen vom Land getragen werden. Hier werden nicht Pauschalbeträge wie in anderen Bundesländern gewährt, sondern es findet eine Spitzabrechnung, also Komplettabrechnung statt. Bei anerkannten Schutzberechtigten werden darüber hinaus die Unterkunfts- und Heizungskosten erstattet. Die Beratungen zum SGB-Gesetzentwurf des Sozialministeriums haben gerade erst abschließend stattgefunden, sodass Kostenerstattungen hierfür nun nach den tatsächlich getätigten Auszahlungen erfolgen können.

Um die Integration der betroffenen Personen weiter voranzubringen, werden auch Bildungs- und Teilhabeleistungen grundsätzlich über das AG-SGB II erstattet. Zudem erhält Schwerin auch aus den Integrationshilfen des Bundes noch bis 2018 Zuweisungen und es werden die Sachaufwendungen der Kommunen für unbegleitete minderjährige Ausländer über den Kommunalen Sozialverband erstattet.

Abschließend möchte ich als der für das FAG zuständige Minister noch einmal hervorheben, dass Schwerin natürlich vom Einwohnerzuwachs durch das ebenfalls erst am Mittwoch abschließend beratene, angepasste FAG auch profitiert. Bei den Beratungen zum Doppelhaushalt haben wir ja vereinbart, dass die durch den Zuzug zu verzeichnenden Mehreinnahmen nicht auf die vereinbarten Konsolidierungsziele angerechnet werden. Diese Einnahmen stehen Schwerin somit für Kita, Schulen, Straßen, für Integration zur Verfügung, und das ist auch richtig und gut so. Und wenn weitere Belastungen oder zusätzliche Maßnahmen in der Stadt notwendig sind, wird sich das Land auch in Zukunft seiner Verantwortung nicht entziehen und mit der Kommune gemeinsam über mögliche Unterstützung reden.

Meine Damen und Herren, unterm Strich lässt sich also sagen, es geht um einen wesentlich kleineren Personenkreis, als im Antrag mit der Begrifflichkeit „Flüchtlinge und Migranten“ suggeriert wird.

Zweitens. Dementsprechend sind die dargestellten Gefahren in Schwerin auch vollkommen überzeichnet dargestellt.

Drittens. Die AfD schlägt mit ihrem Antrag ein Herumdoktern an den Symptomen der Zuwanderung vor.

Viertens. Wir als Landesregierung unterstützen die Kommunen aber bereits umfassend bei der Bewältigung der eigentlichen Herausforderungen,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Na ja, na ja!)

gerade auch bei der Integration. Dadurch erreichen wir viel mehr als über eine Zuzugsbeschränkung für bestimmte Kommunen.

Und ich will an der Stelle wiederum ganz herzlich allen, die zur Integration mit beitragen, gerade im Ehrenamt, dass wir im Land eine Integration durchführen können mit den vielen ehrenamtlichen Helfern, ganz herzlich Dank sagen.

Ich empfehle dem Parlament jedenfalls, diesen Antrag abzulehnen. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Kröger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei Herrn Minister Caffier bedanken für etliche Klarstellungen in seiner Rede. Herzlichen Dank, Herr Minister!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Grundsätzlich möchte ich meinen Redebeitrag gerne unter eine Art Titel stellen, nämlich den Titel „Integration im Quartier erfolgreich gestalten“, denn nicht nur in Schwerin, sondern in vielen Kommunen deutschlandweit wird erwartet, dass sich neue ZuwanderInnen nach Verlassen der Gemeinschaftsunterkünfte in wenigen beziehungsweise ganz bestimmten Quartieren einer Stadt konzentrieren könnten. Sie suchen natürlich die Nähe zu ihrer Community, wie man so schön sagt, beziehungsweise zu migrantischen Infrastrukturen, und zudem – auch darauf wurde hier schon eingegangen – sind sie natürlich darauf angewiesen, dass preiswerter Wohnraum zur Verfügung steht. Daraus können sich durchaus sogenannte soziale Brennpunkte entwickeln.

Klar ist, Kommunen müssen Wohn- und Lebensraum zur Verfügung stellen und natürlich auch die weitere Versorgung gewährleisten. Aufgaben der Integration und Teilhabe stehen an, da viele Geflüchtete längerfristig in Deutschland bleiben werden. Dabei stellen die schwankenden Zuwanderungszahlen und die daraus resultierenden Unsicherheiten die Kommunen natürlich vor zentrale Planungsprobleme. Integration erfordert also längerfristige Angebote und entsprechende Weichenstellungen zu einer erfolgreichen Eingliederung in die städtische Gesellschaft. Der Spruch „Integration entscheidet sich vor Ort“ trifft dabei zu.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist richtig.)

Dabei muss Integration eine wechselseitige Aufgabe sein von Zugewanderten und Aufnahmegesellschaft. Für uns ist dabei ganz besonders relevant, wie die sozialräumliche Begleitung und Integration erfolgt.

In anderen Bundesländern gibt es mittlerweile Studien, die ihren Blick auf die verschiedenen städtebaulichen Programme richten, allen voran das Programm „Soziale

Stadt“. Diese Studien fragen: Wie lassen sich solche Programme auf die neuen Integrationsaufgaben einstellen? Diverse Forschungsarbeiten betrachten Quartierstypologien und verdeutlichen die Relevanz des nachbarschaftlichen Kontexts für die Entwicklung sozialer Netze und der längerfristigen Integration. Die Quartiersebene als Ort der Integration gewinnt also an Bedeutung, das heißt, die Kraft sozialraumorientierter Ansätze muss neu betrachtet werden, ebenso bestehende Förderprogramme.

Diese Ansätze sind nachhaltig, nach vorne gerichtet, sie sind vorurteilsfrei und humanistisch. Auch an diesem Antrag der AfD merkt man ein weiteres Mal, dass sie weder nachhaltig, nach vorne gerichtet noch vorurteilsfrei agieren möchte. Denn mit Wohnsitzauflagen, so sagen Sie, wollen Sie angeblich die Bildung integrationshinderlicher Parallelgesellschaften vermeiden. Man geht also davon aus, es gebe eine große Anzahl von Geflüchteten und demnach eine sogenannte Verdichtung ethnischer Gruppen in bestimmten Stadtteilen. Die Zahlen hat Herr Minister schon korrigiert.

Zur Wohnsitzauflage, die man aus unserer Sicht mit großer Vorsicht genießen muss, möchte ich folgende Punkte anmerken:

Erstens. Generell gilt, nicht immer entspricht diese befürchtete oder aber auch gefühlte oder behauptete Verdichtung der Realität.

Zweitens. Die negative Wohnsitzauflage soll dort angewendet werden, wo sozialintegrative Kapazitäten und die Aufnahmefähigkeit eines Ortes überfordert sind. Doch an welchen Kriterien macht man fest, ob sozialintegrative Kapazitäten überfordert sind und der betreffende Ort seine wie auch immer zu bewertende Aufnahmefähigkeit erreicht hat? Welche Kriterien sind dies? Herkunft der Zugezogenen? Das Vorhandensein von Arbeit und Geld? Sprachkenntnisse? Glaubensrichtungen? Wären Geflüchtete, die selbstständig für ihren Lebensunterhalt sorgen können, von einer negativen Wohnsitzauflage ausgenommen? Oder würde dann ihre Herkunft oder aber ihre Sprache einen entsprechenden Wohnsitz untersagen? Die Festlegung solcher Kriterien führt unweigerlich zu Diskriminierungen.

Drittens. Zuzugssperren und Wohnsitzauflagen senden folgende Botschaft: Flüchtlinge wären allein aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer Sprache beziehungsweise aufgrund ihres Status eine Belastung oder gar eine Gefahr für die Gesellschaft und sich selbst. Sie werden als Problem dargestellt, das es einzudämmen gilt. Maßnahmen dieser Art und die ihnen zugrundeliegenden Haltungen bedienen Ressentiments in der Bevölkerung und laufen einer inklusiven Gesellschaft zuwider.

Viertens. Mehrsprachigkeit wird grundlegend als defizitär dargestellt. Immer wieder wird auf die sogenannten sprachlichen Barrieren verwiesen. Dabei ist es völlig normal und menschlich, dass neu zugezogene Menschen sich vor allem mit anderen Menschen umgeben, mit denen sie sich gut verständigen können. Betrachtet man den Ansatz des sogenannten begleiteten Ankommens, dann kann Hilfe durch Muttersprache sogar integrationsfördernd sein, ohne dabei die Bedeutung des Deutschlernens zu negieren. Aber dafür müsste man sich mit modernen inklusiven Konzepten auseinandersetzen,

und dass das die AfD nicht beherrscht, haben Sie heute ein weiteres Mal bewiesen.

Fünftens. Man kann und darf nicht davon ausgehen, dass Geflüchtete eine homogene Gruppe wären. Allein diese Annahme ist bereits diskriminierend. Das Denken in Kulturkreisen ist kleingeistig, fehlerbehaftet und widerspricht allen Erkenntnissen von Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsräten und auch Wissenschaft.

Unser erstes Fazit: Die Sperre stigmatisiert schutzsuchende Menschen und auch die betroffenen Orte. Geflüchteten muss das Recht gewährt sein, ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Nun zu unseren Lösungsvorschlägen: Schwerin und andere Städte stehen vor der Herausforderung, die neu Zugezogenen in die lokale Gesellschaft zu integrieren, das ist keine Frage, und die aus diesem Umstand resultierenden Maßnahmen müssen andere sein als Zuzugssperren. Dort, wo viele Geflüchtete leben, müssen die vorhandenen finanziellen Mittel eingesetzt werden, um Kindergartenplätze zu schaffen, Schulen entsprechend auszustatten, Beratungsstellen zu stärken, Stellen für Sozialarbeiter/-innen einzurichten, Vereine und Initiativen bei ihrer Integrationsarbeit vor Ort zu unterstützen. Orte der Begegnung müssen geschaffen werden und Projekte der Quartiers- und Gemeinwesenarbeit sind zu fördern. Bezahlbarer Wohnraum ist natürlich ebenso wichtig.

Das Land sollte sich eher darauf konzentrieren, zusätzliche Mittel bereitzustellen, um die Integrationsarbeit der Kommunen zu unterstützen. Uns ist klar, Integration erfordert längerfristige Angebote und entsprechende Weichenstellungen. Aufnahmequartiere, wie es so heißt, und ihre Infrastrukturen müssen gefördert werden, eine kleinräumliche, quartiersbezogene Steuerung ist wichtig. Die Ansätze des Urban Governance helfen hier weiter, vor allem im Kontext von Flucht und Asyl. Quartiere müssen also neu verstanden werden als Ankunftsorte, sie sind als Nachbarschaften Orte des Kennenlernens, des guten Ankommens. Für diese Leistungen brauchen die Kommunen auch eine aufgabengerechte Finanzausstattung.

Aber – auch da muss ich Ihnen ein Stück weit widersprechen, Herr Caffier – die Stadt Schwerin ist letztes Jahr auf 3 Millionen Euro Mehraufwendungen sitzen geblieben. Diese Mittel wurden eben nicht erstattet vom Land, und das ist natürlich ein Problem, weil dann wird die Kommune kaum zusätzliche Mittel für ein modernes, inklusives Quartiersmanagement aufwenden, wenn

schon die grundlegenden Kosten, die entstehen, nicht erstattet werden.

Deshalb möchten wir alle den Menschen natürlich nicht vorwerfen, dass sie aus einer ehemaligen Kaserne auf dem Dorf in die Stadt ziehen, wo sie auch ihre Leute um sich haben, wo es noch günstigen, sprich KdU-fähigen Wohnraum gibt. Wir würden es doch nicht anders machen! Integration findet im Quartier statt, dafür braucht es Strukturen, neue Ansätze und eben auch dringend mehr Förderung, mehr Unterstützung des Landes den Kommunen gegenüber. Was man allerdings nicht braucht, das sind Zuzugssperren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)